| # taz.de -- Machtkampf in Libyen: Erdoğan schickt jetzt Soldaten | |
| > Die Türkei beginnt, Truppen nach Libyen zu senden, um im Streit um eine | |
| > Gas-Pipeline Einfluss zu sichern. Das letzte Wort hat aber Russland. | |
| Bild: Demo in Bengasi gegen die Entscheidung des türkischen Parlaments, Truppe… | |
| ISTANBUL taz | Die Türkei hat am Wochenende begonnen, eigene Truppen nach | |
| Libyen zu schicken. In einem Interview am Sonntagabend im TV-Sender | |
| CNN-Türkei, sagte Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf die Frage, wann denn | |
| nun Truppen nach Libyen geschickt werden sollen: „Sie gehen im Moment schon | |
| hin“. Er erklärte: „Wir bauen in Tripolis eine Operationszentrale auf, in | |
| der auch hochrangige Offiziere, darunter ein General, vor Ort sein werden“. | |
| Das türkische Parlament hatte am letzten Donnerstag die Entsendung von | |
| Soldaten nach Libyen gebilligt. Die Situation für die libysche Regierung | |
| des Ministerpräsidenten Fajis al-Sarradsch ist prekär. Die Stadt wird | |
| bereits von dem aufständischen General Chalifa Haftar belagert. Erst am | |
| Wochenende waren bei einem Luftangriff auf eine Militärakademie in Tripolis | |
| bis zu 30 Rekruten getötet worden. | |
| Erdoğan will Sarradsch, dessen Regierung zwar von der UN als rechtmäßig | |
| anerkannt wird, der aber nur wenig mehr als Tripolis kontrolliert, [1][aus | |
| mehreren Gründen unbedingt an der Macht halten]. Sarradsch und seine | |
| Unterstützer stehen der Muslimbruderschaft nahe, die auch Erdoğan | |
| unterstützt. Bleibt Sarradsch an der Macht, könnte die Türkei einen großen | |
| Einfluss in Libyen bekommen. | |
| Aktuell geht es Erdoğan aber vor allem um eine Verbesserung der türkischen | |
| Position [2][im Streit mit Griechenland, Israel, Zypern und Ägypten um die | |
| Förderung von Gas im östlichen Mittelmeer]. Erdoğan hat mit Sarradsch Ende | |
| November ein Abkommen über eine gemeinsame Exklusive Wirtschaftszone im | |
| Mittelmeer abgeschlossen, die sich einmal quer über das Meer erstrecken | |
| soll. | |
| ## Komplexes Gas-Poker | |
| Diese Zone würde den Bau einer Gaspipeline, die Griechenland und Israel | |
| bauen wollen und die von Zypern über Kreta bis zum griechischen Festland | |
| führen soll, unmöglich machen. Entsprechend wandten sich die Staats-und | |
| Regierungschefs von Griechenland, Israel und Zypern bei einem Treffen in | |
| der letzten Woche in Athen „aufs schärfste“ gegen den Einsatz türkische | |
| Truppen in Libyen. | |
| Der nächste Schritt im Gas-Poker wird nun am 7. und 8. Januar erwartet, | |
| wenn zunächst der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis in | |
| Washington US-Präsident Donald Trump treffen soll und einen Tag später der | |
| russische Präsident Wladimir Putin in Ankara erwartet wird. Während Trump | |
| klar die Allianz von Griechenland, Israel und Zypern unterstützt – wobei | |
| allerdings unklar ist, wie weit sein Engagement im Konfliktfall gehen würde | |
| – stehen Erdoğan und Putin in Libyen noch auf unterschiedlichen Seiten der | |
| Konfliktparteien. | |
| Wie weit die Türkei mit ihrem militärischen Engagement in Libyen gehen | |
| wird, hängt wiederum entscheidend von Putin ab. Denn Putin stützt bislang | |
| den aufständischen General Haftar und Erdoğan kann und will sich keinen | |
| offenen Schlagabtausch mit Russland leisten. Bislang sind es nur russische | |
| Söldner, die in Libyen an der Seite Haftars kämpfen. Türkische | |
| Militärexperten gehen davon aus, dass rund 2.000 türkische Elitesoldaten | |
| ausreichen würden, um Tripolis vor dem Vorrücken Haftars zu schützen. | |
| Würde dann Putin auch seinen Einsatz erhöhen? Putin will Gas an die Türkei | |
| und an Europa verkaufen, deshalb hat er weder ein Interesse daran, dass die | |
| Türkei selbst Gas fördert, noch will er die Pipeline der Allianz nach | |
| Europa. Da die Türkei aber im Moment das schlechtere Blatt im Gas-Poker | |
| hat, könnte Putin geneigt sein, sich mit Erdoğan auf einen Kompromiss in | |
| Libyen zu einigen, der den Konflikt in der Schwebe hält, Erdoğan aber | |
| soweit stärkt, dass er den griechisch-israelischen Ambitionen weiterhin | |
| Paroli bieten kann. | |
| Wie schon in Syrien hängt wieder einmal die weitere Entwicklung in einem | |
| auch für Europa entscheidenden Konflikt viel mehr von Putin als von der EU | |
| oder den USA ab. | |
| 6 Jan 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Machtkampf-im-Nahen-Osten/!5648495 | |
| [2] /Erdgas-Pipeline-im-Mittelmeer/!5653300 | |
| ## AUTOREN | |
| Jürgen Gottschlich | |
| ## TAGS | |
| Türkei | |
| Libyen | |
| Chalifa Haftar | |
| Erdgas | |
| Libyen | |
| Erdgas | |
| Türkei | |
| Zypern | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Waffenruhe in Libyen: Nur eine Atempause | |
| Die Waffenruhe in Libyen ist eine Atempause fürs Land. Und für die EU eine | |
| Denkpause, um nach einer tragfähigen politischen Lösung zu suchen. | |
| Erdgas-Pipeline im Mittelmeer: Rohre mit politischer Sprengkraft | |
| Griechenland, Zypern und Israel treiben den Bau der Eastmed-Pipeline voran, | |
| die Erdgas in die EU bringen soll. Die Türkei stellt sich dagegen. | |
| Machtkampf im Nahen Osten: Erdoğans nächste Front | |
| Türkeis Präsident will Truppen nach Libyen entsenden. Es geht um einen | |
| Kompromiss mit Russlands Staatschef Putin – auch in Syrien. | |
| Griechen und Türken im Erdgas-Streit: Athen droht mit der Marine | |
| Die Türkei plant Erdgas-Bohrungen in einer mit Libyen vereinbarten | |
| Wirtschaftszone im Mittelmeer. Griechenland droht sich militärisch zu | |
| wehren. |