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# taz.de -- Leben in Corona-Krise: Madame Michelle in Quarantäne
> Für häusliche Personen bedeutet das Leben in den eigenen vier Wänden
> keine große Veränderung – wenn da nicht die Bürokratie wäre und die
> Arztbesuche.
Bild: Drinbleiben ist angesagt, aber Balkon ist noch ok
Nach den Warnungen der Behörden bin ich in die Selbstisolation gegangen.
Ich gehe nicht nach draußen, wenn es nicht notwendig ist. Zum Glück konnte
ich mein Problem mit dem eingefrorenen Konto, von dem ich in meiner letzten
Kolumne berichtet habe, dank der Solidarität einiger Menschen lösen.
Deshalb konnte ich meine Grundbedürfnisse abdecken und die Dinge besorgen,
die ich zum Leben brauche. Dadurch, dass mein Telefon, Internet und
Fernsehen wieder freigeschaltet wurde, kann ich nun auch die neuesten
Entwicklungen verfolgen.
Für mich bedeuten die Tage in Quarantäne keine große Veränderung. [1][Ich
bin eine häusliche Person, ich mag es, zu Hause zu sein]. Aber dieser
erzwungene Zustand ist auf jeden Fall ein bisschen anders. Mein größtes
Problem in Zeiten der Quarantäne ist die Sprachbarriere. Ich muss jetzt
alle offiziellen Geschäfte online erledigen. Hier mein E-Mail-Verkehr mit
dem Jobcenter, dort meine Versuche, mich für einen Sprachkurs anzumelden...
Alles kommt zusammen. Es sind wohl die wichtigsten Tage meines Lebens – und
zugleich Tage voller Albträume.
Heute ist meine Krankenversichertenkarte gekommen. Ich bin so glücklich,
meine Mundwinkel kleben seit heute Morgen an den Ohren vor Freude. Seit
Tagen habe ich mir wegen meines Bluthochdrucks Sorgen gemacht. Was mache
ich, wenn meine Medikamente in fünf Wochen alle sind? Wo muss ich im
Notfall anrufen? Solche Fragen werden für mich zum Problem.
Mit meinem Hausarzt ist es auch so eine Sache. Auf der Suche nach einer
Praxis, in der Türkisch gesprochen wird, bin ich in Neukölln gelandet, eine
ganz schöne Strecke von meiner Wohnung in Weißensee. Für gewöhnlich geht in
der Praxis niemand ans Telefon. Also muss ich durch die halbe Stadt fahren,
um meinen Arzt zu sehen, auf die Gefahr hin, dass ich ohne Termin nicht
drankomme. Ich glaube, ich muss mir einen neuen Hausarzt bei mir in der
Nähe suchen. Es sieht so aus, als dauere es noch ein bisschen, bis alles
seinen Weg geht.
## Waschen und Lüften
„Madame Michelle, Ihnen wurde die Möglichkeit gegeben, ein neues und
sicheres Leben anzufangen. Ein paar Probleme wird es immer geben. Nun
kommen Sie klar damit.“ Ja, ich habe angefangen, mit mir selbst zu
sprechen. Willkommen in den Quarantäne-Zeiten. Wer sich fragt, wie ich
meine Tage in der Quarantäne verbringe: Ich putze viel mit reichlich
Putzmittel. Ich wasche meine Wäsche bei 60 Grad. Ich lüfte mindestens eine
Stunde. Ich wasche mir oft die Hände. Das Wichtigste ist aber, dass ich zu
Hause bleibe und nicht rausgehe, wenn ich nicht muss.
Liebe Leser*innen, nehmen Sie die Anordnungen der Behörden ernst und
befolgen Sie sie bitte. [2][Verlassen Sie nicht die Wohnung, wenn Sie nicht
müssen.] Wenn Sie rausmüssen, vergessen Sie nicht den Sicherheitsabstand.
Mindestens 1,5 Meter. Wenn diese Tage vorbei sind, wird nichts so sein, wie
es einmal war. Eine neue Zeit und ein neues Leben wartet auf uns. Ich
wünsche Ihnen allen Gesundheit.
25 Mar 2020
## LINKS
[1] /Rocket-Internet-kuendigte-trotz-Corona/!5672987
[2] /Ausgangsbeschraenkungen-wegen-Corona/!5669224
## AUTOREN
Michelle Demishevich
## TAGS
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Schwerpunkt Coronavirus
Gesundheit
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