# taz.de -- Pleite in Zeiten von Corona: Quarantäne und Finanzamt | |
> Die Maßnahmen gegen eine Corona-Epidemie sind verwirrend. Aber das | |
> deutsche Steuersystem ist ähnlich schwer zu verstehen. | |
Bild: Steuererklärung mit Schutzmaske? | |
BERLIN taz | Wie wir gegen das [1][Coronavirus] vorgehen, hängt immer noch | |
in der Schwebe. Jeden Tag tritt jemand vor die Kamera und gibt Erklärungen | |
darüber ab, wie wir uns vor dem Virus schützen sollen. Weil alle | |
durcheinander reden, bin ich verwirrt. Ich kann mir gar nicht ausdenken, | |
was ich mache, falls Deutschland wie Italien unter Quarantäne gestellt | |
werden sollte. | |
Denn letzte Woche wurde mein Konto gesperrt, weil ich angeblich meine | |
Steuern nicht bezahlt habe. Ihr fragt euch, wie es dazu kam? Seit ich | |
zusammen mit einigen Kolleg*innen bei Cosmo Radio „aus finanziellen | |
Gründen“ [2][entlassen wurde], ist mein monatliches Einkommen deutlich | |
geschrumpft. Deshalb konnte ich die letzten drei Monate meine Rechnungen | |
nicht bezahlen. | |
Während meines Asylverfahrens kamen vom Finanzamt mehrere Briefe, die ich | |
ignorierte. Ich dachte mir, ich bin jetzt anerkannte Geflüchtete, diese | |
Briefe sind nicht wichtig. Ohnehin habe ich kaum was verdient. Das war | |
dumm, aber es ist wirklich unmöglich, die ganzen Gesetze in einem Land zu | |
kennen, in dem du fremd bist. | |
Ich höre euch schon sagen: „Hättest du jemanden gefragt.“ Okay, ich sehe | |
ein, dass ich einen kleinen, aber gravierenden Fehler gemacht habe. Aber | |
geht es nicht zu weit, dass ich drei Monate lang nicht an mein Geld | |
rankomme? Der Preis für diesen Fehler sollte nicht sein, dass das Geld | |
eingefroren wird, das mir der Staat zum Überleben gibt. | |
## Ins Gesicht husten | |
Ja, ich habe einen Fehler gemacht, weil ich die Gesetze nicht genau kannte, | |
aber ich habe Bluthochdruck und Herzprobleme. Um mich vor dem Coronavirus | |
zu schützen, brauche ich Geld. Weil ich aber nicht an mein Geld rankomme, | |
kann ich nicht vorsorgen, und es ist nur eine Frage der Zeit, dass ich mich | |
infiziere. Sagen wir, das Land Berlin beschließt eine 15-tägige Quarantäne. | |
Ich kann keine Vorräte und Reinigungsmittel kaufen, ich kann nicht kochen, | |
weil mein Gas abgedreht wurde, mein Telefon und Internet wurden | |
abgeschaltet, ich bekomme die neuesten Nachrichten nicht mit. | |
Während soziale Medien, Zeitungen und das Fernsehen grundlegend und | |
detailliert über die Maßnahmen aufklären, die gegen die Verbreitung des | |
Virus zu ergreifen sind, finden es manche Berliner*innen cool, gleichgültig | |
zu bleiben. Neulich haben sich fünf junge Frauen in der Tram darüber lustig | |
gemacht, dass ich Einweghandschuhe trage. Sie haben sich zu mir gelehnt und | |
mir ins Gesicht gehustet. | |
Ich glaube, niemand ist sich im Klaren darüber, wie ernst die Lage ist – | |
oder es ist ihnen egal. Die Zahl der Infektionen steigt jeden Tag, das | |
Virus breitet sich schnell aus, wer weiß, vielleicht mutiert es bereits und | |
vermehrt sich. Solange es keine Impfung gegen das Virus gibt, können ein | |
paar einfache Maßnahmen, die wir alle befolgen, vielleicht Leben retten. | |
So viel von mir, liebe Leser*innen. Wie ist die Lage bei euch? Vergesst | |
bloß nicht, eure Hände immer zu waschen. | |
11 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Michelle Demishevich | |
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