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# taz.de -- Corona und Kolumbiens Gefängnisse: Aufstand im Knast
> Ein wegen des Coronavirus verhängtes Besuchsverbot verschärft die Lage in
> Kolumbiens ohnehin hoffnungslos überbelegten Gefängnissen.
Bild: Familienangehörige von Gefangenen eilen über eine Straße auf das Gefä…
Bogotá taz | In kolumbianischen Gefängnissen rebellieren die Häftlinge aus
Angst vor dem Coronavirus. In Bogotá sind nach Angaben des
Justizministeriums am Samstag 23 Gefangene bei einem Fluchtversuch aus dem
Gefängnis La Modelo gestorben, 83 wurden verletzt.
Von den sieben verletzten Mitarbeitern der Gefängnisbehörde Inpec sind zwei
in kritischem Zustand. Auch in zwei weiteren Gefängnissen in der Hauptstadt
und mindestens fünf weiteren im Land rebellierten Häftlinge.
Was genau in La Modelo und in anderen Gefängnissen geschah, ist bislang
schwer nachzuprüfen. Journalist*innen, die Videos von drinnen zugespielt
bekamen, haben diese bewusst nicht verbreitet – die Bilder seien zu
grausam. Eine Journalistin, die auf Nachfrage Videos an Kolleg*innen
weitergibt, [1][spricht von Massakern]. Anwohner*innen berichten, sie
hätten Schüsse gehört.
Justizministerin Margarita Cabello Blanco [2][betonte], dass kein Häftling
aus La Modelo entflohen sei, und stritt ab, dass Gesundheitsprobleme den
Fluchtversuch motiviert hätten. Es gebe keinen einzigen Fall von
Coronavirus in kolumbianischen Gefängnissen, weder bei Insassen noch beim
Personal.
## Es ist unmöglich, den Sicherheitsabstand einzuhalten
Die nationale Ombudsstelle und das staatliche Kontrollorgan für Beamt*innen
forderten die Regierung hingegen auf, aus gesundheitlichen Gründen den
Gefängnisnotstand auszurufen. Der Aufstand begann weniger als 24 Stunden,
nachdem Präsident Iván Duque eine nationale Quarantäne bis 13. April
angekündigt hatte.
[3][Gewerkschaften von Gefängnispersonal], soziale Organisationen und
Universitäten warnen schon länger vor der großen Gefahr, in der sich die
Häftlinge und das Personal befinden. Die Zustände in kolumbianischen
Gefängnissen sind menschenunwürdig. Die Überbelegung beträgt landesweit
durchschnittlich 55 Prozent, in einigen Gefängnissen sogar 500 Prozent.
Es ist es unmöglich, den empfohlenen Sicherheitsabstand gegen eine
Ansteckung mit dem Coronavirus einzuhalten. In manchen Gefängnissen gibt es
nicht einmal Wasser. In Zeiten der Pandemie fehlt es selbst dem Personal an
Schulung, Handschuhen und Mundschutz. In den meisten Gefängnissen kommen
auf 5.000 Häftlinge zwei Ärzte.
Zudem hat Präsident Iván Duque am 12. März als Präventionsmaßnahme alle
Besuche verboten. Das verschärft die Probleme. Denn für die Versorgung der
Insassen sind großenteils die Verwandten zuständig: Sie bringen Kleider,
Nahrung und Hygieneartikel – wie die Seife zum Händewaschen. Insassen
klagen, dass sie ohne die Pakete Hunger leiden. Erst vor Kurzem wurden die
staatlichen Essensrationen wieder gekürzt.
„Eine solche Schließung führt zur Unterversorgung und stört die soziale
Ordnung der Gefängnisse, schafft Gewalt und Panik“, sagte Libardo Ariza,
Mitglied der Gefängnis-Forschungsgruppe der Universidad de los Andes, der
Zeitung El Espectador.
Ähnlich äußerten sich im Fernsehen Angehörige, die am Sonntag stundenlang
verängstigt vor dem Gefängnis La Modelo auf Informationen warteten. Sie
hatten auch zwölf Stunden nach den Vorkommnissen keine offizielle Nachricht
erhalten, ob ihre Verwandten unter den Todesopfern oder Verletzten seien.
Am Sonntag kam es in drei weiteren Gefängnissen zu Unruhen.
23 Mar 2020
## LINKS
[1] https://twitter.com/dianalzuleta/status/1241794758802112513?s=20
[2] https://youtu.be/i1d_Mh1CalI
[3] https://twitter.com/JoseGuarnizoA/status/1241738149321150465/photo/1
## AUTOREN
Katharina Wojczenko
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Kolumbien
Justizvollzug
Lesestück Recherche und Reportage
Bolivien
Schwerpunkt Coronavirus
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