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# taz.de -- Verfassungsreform in Russland: Putin kann noch länger
> Das Parlament nickt die vom Präsidenten vorgeschlagenen Änderungen ab. Er
> könnte jetzt sogar lebenslänglich im Amt bleiben.
Bild: Wladimir Putin spricht vor der Abstimmung über Verfassungsänderungen in…
Moskau taz | Lebenslänglich für Wladimir Putin: Das ist das Ergebnis einer
Abstimmung im russischen Parlament am Dienstag. Die Duma winkte die vom
Präsidenten angestoßenen Verfassungsreformen durch. 382 Abgeordnete
stimmten dafür, 44 enthielten sich, Gegenstimmen gab es keine.
200 Änderungsvorschläge hatte das Gesetzgebungskomitee in der vergangenen
Woche noch entgegengenommen. 177 Projekte empfahl die Kommission nicht
weiter zu verfolgen. Der Komiteevorsitzende Pawel Kraschennikow frohlockte:
Die Initiativen der Bürger haben „das Projekt des Präsidenten“ noch
konkreter gemacht.
Seit dem 23. Januar konnten sich Bürger einbringen. [1][Eine
Arbeitsgruppe], der Honoratioren aus Musik, Theater und Sport angehören,
traf sich ein paarmal mit Putin. Der Eindruck sollte entstehen, die
Eingriffe in die Verfassung würden erst nach sorgfältiger Rücksprache mit
dem Souverän, dem Volk, geschehen.
Da platzte auch schon Valentina Tereschkowa von der Kreml-Partei mit dem
Vorschlag in die Parlamentssitzung am Dienstag, die Fristen für die Dauer
der Präsidentschaft aufzuheben. Kaum hatte die hoch dekorierte sowjetische
Kosmonautin den Vorschlag vorgetragen, machte sich der Präsident auf den
Weg ins Parlament, um den Gedanken mit den Abgeordneten zu besprechen.
## Im Rahmen des Gesetzes
Putin lehnte bei seinem Blitzbesuch vor der Duma vorgezogene Neuwahlen ab,
war jedoch begeistert, als es um die Aufhebung der Präsidentschaftsfristen
ging. Doch dürfe dies nur in gesetzlichem Rahmen geschehen. Überdies müsse
das Verfassungsgericht auch der Aufhebung der Fristen erst zustimmen,
meinte der Kremlchef. Auch diesen neuen Vorschlag nickte die Duma ab.
Ähnliche Überlegungen hatte am Dienstag das Blatt Wedomosti angestellt und
hielt sie für eine naheliegende Lösung. Vielleicht war der Gedanke schon
seit Längerem herangereift. Denn mit den Änderungen am Grundgesetz werden
das Verfassungsgericht und dessen Richter dem russischen Präsidenten noch
enger unterstellt.
Am 15. Januar hatte Wladimir Putin in der Rede zur Lage zur Nation einen
[2][umfangreichen Umbau der Staatsorgane] angekündigt. Schon nächste Woche
wird der Präsident das Gesetzeskonvolut am Tag der Krim-Annexion
unterzeichnen. Am 22. April sollen dann die Bürger über die Veränderungen
an einem eigens arbeitsfreien Tag abstimmen.
Bislang war den Bürgern jedoch nicht klar, welche weitreichenden
Veränderungen am Grundgesetz vorgenommen werden. Das Vorhaben war weder
übersichtlich noch schien der Präsident um Transparenz bemüht. Das
Geheimnis wollte er nicht lüften. Jetzt ließ er die Katze aus dem Sack.
## Nicht mit den Füßen vorneweg
Ein flinker Gesinnungswandel. Erst kürzlich hatte sich Putin mokiert, er
gehöre nicht zu jenen sowjetischen Parteichefs, die sich mit den Füßen
vorneweg aus dem Amtssitz tragen ließen.
25 Prozent gaben in einer Umfrage des unabhängigen Lewada-Zentrums im
Februar an, sie wollten auf jeden Fall für die Änderungen stimmen, 10
Prozent waren dagegen. Die meisten Bürger waren unsicher. 64 Prozent gaben
gar an, den Sinn nicht zu verstehen. Das dürfte sich mit der heutigen
Entscheidung geändert haben.
Wladimir Putin kann 2024 und 2030 also noch mal zur Wahl antreten. Wenn die
nächsten beiden Fristen auslaufen, dürfte der Kremlchef 83 Jahre alt sein.
Für die Abstimmung im April hatte Wladimir Putin für besondere Anreize
gesorgt, um genügend Wähler an die Urnen zu locken. Er ließ den Mindestlohn
und die Anpassung der Renten in dem Entwurf verankern. In Umfragen waren
dies die beliebtesten Punkte.
Auch die Aufnahme Gottes in die Verfassung soll religiöse Wähler letztlich
zur Teilnahme bewegen. Der „Schutz der historischen Wahrheit“ und die Rolle
der Vaterlandsverteidiger im Zweiten Weltkrieg wurden ebenfalls in das
Gesetz aufgenommen. Das soll besonders patriotische Wähler ansprechen. Auch
die Unvereinbarkeit gleichgeschlechtlicher Ehen ließ Putin festschreiben.
Damit hofft er noch mehr Wähler mobilisieren zu können. Schließlich geht es
um sein Vermächtnis.
10 Mar 2020
## LINKS
[1] /Verfassungsaenderungen-in-Russland/!5658393
[2] /Regierungswechsel-in-Russland/!5654134
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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