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# taz.de -- Russische Nahostexpertin über Syrien: „Putin hat keine Exit-Stra…
> Erdogan und Putin sprechen über den Krieg in Syrien. Beide kämpfen um
> Einflusszonen, sagt die russische Nahost-Expertin Marianna Belenkaja.
Bild: „Es sind Russland und die Türkei, die das Schicksal Syriens entscheide…
taz: Frau Belenkaja, Sie gehen von harten Verhandlungen zwischen Russland
und der Türkei aus. Wer profitiert vom heutigen Syrien-Treffen zwischen
Putin und Erdoğan in Moskau am meisten?
Marianna Belenkaja: Beide Seiten profitieren. Putin und Erdoğan wissen,
dass sie sich einigen und so ihre Beziehungen aufrechterhalten müssen. Jede
Seite kämpft hier um Einflussbereiche. Ohneeinander wären Moskau und Ankara
wie ein lahmes Pferd. Putin und Erdoğan haben sich bei ihrem Treffen heute
nicht mehr als „guter Freund“ angesprochen, wie sie das in der
Vergangenheit stets zu tun pflegten. Das Verhältnis hat sich abgekühlt. In
Syrien aber brauchen sie einander. Also gehen beide mit Maximalforderungen
in ihre Gespräche: Russland will das Ende [1][des Beschusses] (durch das
türkische Militär), es will den wachsenden Einfluss der USA und Europas auf
die Entwicklung des Konflikts verhindern. Die Türkei strebt die
Umverteilung von Einflussbereichen in Nordsyrien an, damit [2][die
Flüchtlinge] hier Platz finden. Dadurch will Erdoğan auch künftig Einfluss
auf Assad nehmen.
Und die Syrer?
Das syrische Volk, so unterschiedlich die Gruppen auch sind, kann von den
Gesprächen leider kaum etwas erwarten. Die maximale Hoffnung wäre, dass die
Waffen schweigen. Aber es sind Russland und die Türkei, die das Schicksal
Syriens entscheiden. Ohne Syrien.
Wer ist Schuld an der [3][Eskalation in Idlib]?
Sowohl die türkische Seite als auch die russische haben sich nicht an die
Abmachungen gehalten, die sie 2018 im Memorandum von Sotschi festgelegt
hatten. Zudem war Assad nicht bereit, noch lange zu warten, um auch die
Provinz Idlib unter seine Herrschaft zu bringen. Die syrische Armee war
hier zu aktiv und hat die sich verschärfende Situation in Kauf genommen.
Verfolgt der Kreml eine langfristige Strategie in Syrien?
Ich fürchte nein. Wladimir Putin ist nicht dafür bekannt, strategisch
vorzugehen. Er ist ein Taktiker. Die Schritte werden quasi beim Laufen
gemacht, sie werden ebenso laufend geändert. Das macht Prognosen nicht
einfach. Bei Syrien müssen wir uns auf Überraschungen aller Art einstellen.
Die Spannbreite für die Einigung der beiden Präsidenten – und es wird zu
einer Einigung kommen, wie es immer wieder zu einer Einigung gekommen war –
liegt zwischen der Minimalforderung nach einer Waffenruhe bis zur
Maximalforderung nach neuen Grenzen von Einflusszonen. Eine Exit-Strategie
hat der Kreml nicht. Daran denkt er nicht einmal.
Wäre ein Kompromiss zwischen Putin und Erdoğan von langanhaltender Wirkung?
Die Einigung wird wohl auch dieses Mal ein reiner Zeitgewinn sein und ein
anfälliger Kompromiss. Einigen müssen sie sich, das geht gar nicht anders.
Weder Russland noch die Türkei will das Gesicht verlieren. Niemand macht
einen Rückzieher, denn wohin sollte ein Rückzieher in dieser Region auch
führen? In der Syrienfrage sitzen alle in einer Falle: die Russen genauso
wie die Türken, aber auch die USA und Europa. Also arbeitet auch jeder mit
dem, was er vorfindet.
Was heißt das für die Zukunft Syriens?
Der größte Schlag für die Russen wäre ein Ausstieg der Türken aus dem
Astana-Format, das Moskau, Ankara und Teheran als Plattform für
Verhandlungen über die Zukunft Syriens nutzen. Auch eine Annäherung der
Türkei mit den USA und mit Europa sähe der Kreml nicht gern. Russland will
als Ordnungsmacht wahrgenommen werden. Moskau hat in den vergangenen Jahren
gelernt, allen anderen seine Bedingungen zu diktieren und will auch
weiterhin beweisen, dass seine Manövrierpolitik auch in Syrien weiterhin
funktioniert. Die Türken rücken derweil auch nur schwer von ihrer Position
ab. Idlib ist eine harte Prüfung für alle. Und die Syrer wünschen sich,
dass das alles einfach vorbei ist. Seit Jahren.
5 Mar 2020
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## AUTOREN
Inna Hartwich
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