Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kälte in Syrien: „Wir sterben schweigend“
> Mitten im Winter sind eine halbe Million Kinder in Syrien auf der Flucht
> vor den anrückenden Assad-Truppen. Einige ereilt der Kältetod.
Bild: Kinder frieren im Flüchtlingslager von Azaz
Berlin taz | Wer in Friedenszeiten die Autobahn M4 von der syrischen
Mittelmeerküste hinein ins Landesinnere nach Aleppo nahm, den erwartete
eine Überraschung: Im Winter zierten kleine Schneemänner die Kühlerhauben
der Autos auf der Gegenfahrbahn, die aus den Bergen der Region Idlib kamen.
Schnee fällt in Syrien nur in wenigen Gegenden – und nur in den ganz kalten
Winterwochen.
Für Hunderttausende Kinder, die derzeit in Nordwestsyrien in improvisierten
Zelten, unter Bäumen oder Brücken schlafen, sind diese Winterwochen eine
Katastrophe. Rund eine halbe Million Kinder sind seit Anfang Dezember in
die Flucht getrieben worden. Und mit jedem Kilometer, den die [1][syrischen
Regierungstruppen – unterstützt von der russischen Luftwaffe] – vorrücken,
werden es mehr.
In den sozialen Medien machen dieser Tage Kinderfotos aus Nordwestsyrien
die Runde: Eman Laila hat die Augen weit aufgerissen, ein starrer Blick ins
Leere. Eineinhalb Jahre alt soll das Mädchen gewesen sein, dessen Familie
aus dem Großraum Damaskus in den Nordwesten des Landes flüchtete. Dann kam
der Kältetod. Nach [2][Angaben] der Hilfsorganisation MedGlobal starb sie
in einem Flüchtlingslager bei Afrin, nördlich von Idlib.
Ein anderes Foto zeigt einen Mann tot auf einer Matratze. Zwei in Decken
eingehüllte Kinder, ebenfalls tot, liegen dicht angeschmiegt an seiner
Seite. Die Echtheit des Fotos war seitens der taz nicht zu überprüfen, doch
sowohl Warnrufe etlicher Hilfsorganisationen, die in der Region aktiv sind,
als auch Video- und Fotomaterial aus der Region bestätigen die
katastrophale Situation in Idlib und Umgebung.
„Das Wetter ist eisig“, sagt eine junge Frau, die den Tränen nahe ist und
sichtlich friert, in einem am Mittwoch auf Facebook geposteten [3][Video],
„niemand versucht den Leuten zu helfen.“ Viele wollen fliehen, sagt sie,
doch es mangele an Fahrzeugen. Einen Tag später schreibt sie in einem
[4][Post]: „Wir sterben schweigend.“
## Alles, was brennt, wird verheizt
Wie viele Tote die tiefen Temperaturen in den vergangenen Wochen gefordert
haben, weiß niemand genau. Auch das UN-Nothilfebüro Ocha spricht lediglich
von „mehreren Kindern“, was auch das Hilfswerk Save the Children
[5][bestätigt]. Am vergangenen Dienstag sind nach UN-Angaben außerdem fünf
Menschen an Erstickung gestorben, als sie Materialien in ihrem Unterschlupf
verbrannten, die giftige Gase aussonderten. Das Foto mit dem Familienvater
soll drei von ihnen zeigen.
„Um kurzfristig warm zu bleiben, verbrennen Familien, die auf der Flucht
aus ihren Häusern einen Teil ihrer Habseligkeiten mitnehmen konnten, alles,
was sie finden können“, heißt es in einem am Donnerstag veröffentlichten
Ocha-[6][Lagebericht] zu Nordwestsyrien. In der vergangenen Woche seien die
Temperaturen auf -7 Grad abgefallen.
Das hält das syrische Regime und seinen Verbündeten in Moskau nicht davon
ab, unaufhaltsam vorzurücken. Das Muster ist das immer gleiche: Aus der
Luft wird bombardiert, bevor Regierungstruppen dann Stück für Stück die oft
menschenleeren Orte einnehmen.
Die Autobahn M5, die auf ihrem Weg von Damaskus nach Aleppo auch durch
Idlib führt, konnte das Assad-Regime in der vergangenen Woche [7][komplett
unter seine Kontrolle bringen]. Die Einnahme der M4 könnte das nächste
strategische Ziel Assads sein, aber auch der Kampf um Idlibs gleichnamige
Provinzhauptstadt steht noch aus.
Idlib-Stadt hatte vor dem Krieg [8][165.000 EinwohnerInnen], ist durch den
Zustrom von Flüchtenden Schätzungen zufolge mittlerweile aber auf über eine
Million angewachsen. Die syrisch-russischen Bombenflieger haben die Stadt
in den vergangenen Wochen weitgehend in Ruhe gelassen. Doch die Regierung
in Damaskus hat immer wieder betont, ganz Syrien wieder unter ihre
Kontrolle bringen zu wollen. Ein Angriff auf die Stadt würde die ohnehin
katastrophale Lage der Menschen in Nordwestsyrien noch weiter verschärfen.
14 Feb 2020
## LINKS
[1] /Idlib-Offensive-in-Syrien/!5665433
[2] https://twitter.com/sahloul/status/1227956546686136320
[3] https://www.facebook.com/fatima.alahmad.73157/videos/822104311637457/
[4] https://www.facebook.com/fatima.alahmad.73157/posts/822688784912343
[5] https://twitter.com/SaveUKNews/status/1227936151673212929
[6] https://reliefweb.int/report/syrian-arab-republic/recent-developments-north…
[7] /Tuerkei-und-Syrien/!5663274
[8] https://www.globalresearch.ca/video-battle-idlib-prospects-turkish-syrian-w…
## AUTOREN
Jannis Hagmann
## TAGS
Schwerpunkt Syrien
Aleppo
Idlib
Baschar al-Assad
Schwerpunkt Syrien
Schwerpunkt Emmanuel Macron
Schwerpunkt Syrien
Türkei
Türkei
Türkei
Türkei
## ARTIKEL ZUM THEMA
Krieg in Syrien: Erfolg für Rebellen und Türkei
Die strategisch wichtige Stadt Sarakeb fällt wieder an syrische Rebellen –
dank der Türkei. Das ist ein Rückschlag für Assads Idlib-Offensive.
Geplanter Idlib-Gipfel: Erdoğan mit dem Rücken zur Wand
Merkel und Macron wollen nicht, dass Verzweifelte aus Syrien weiter über
die Türkei nach Europa drängen. Doch dazu müsste Putin einlenken.
Stimmen aus Syrien: „Unsere Gefühle sind ausgelöscht“
Im Kampf um die Provinz Idlib spitzt sich der Krieg in Syrien zu. Wie aber
geht es den Menschen vor Ort? Fünf SyrerInnen erzählen.
Idlib-Offensive in Syrien: Katastrophe mit Ansage
In Syrien entfaltet sich genau das, wovor seit Jahren gewarnt wird.
Eigentlich läuft alles nach Plan. Doch der Plan ist ein Desaster.
Türkei und Syrien: Der Krieg im Nachbarland
Droht ein türkisch-syrischer Krieg? Mit der steigenden Zahl toter Soldaten
gerät Erdoğan unter Druck, die türkische Armee direkt ins Feld zu führen.
Eskalation zwischen Syrien und Türkei: Fünf Soldaten getötet
Beim Kampf um Idlib sind syrische und türkische Truppen aufeinander
gestoßen. Russland schickt eine Delegation nach Ankara.
Humanitäre Situation in Syrien: Kälte, Hunger, Krieg
Hilfsorganisationen schlagen Alarm: In Idlib entfaltet sich eine humanitäre
Katastrophe. „So etwas haben wir noch nie erlebt“, sagt ein Helfer.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.