| # taz.de -- Kuscheln und Sex in Corona-Zeiten: Ein Problem der queeren Familie | |
| > Wegen des Coronavirus muss Körperkontakt reduziert werden. Das zwingt | |
| > viele Menschen nun dazu, ihre Intimität neu zu organisieren. | |
| Bild: Wer uns fesselt, streichelt oder küsst sollte momentan besser die gleich… | |
| Die queere Familie zeichnet aus, dass dort Intimität auf viele verteilt | |
| wird. Die Person, mit der ich wohne, die, mit der ich ein Kind habe, die, | |
| mit der ich schlafe, und die, mit der ich kuschle, sind nicht zwangsläufig | |
| dieselbe – anders als in der romantischen Zweierbeziehung und anderen | |
| heteronormativen Modellen. Und wenn Sie jetzt sagen: „Moment! Ich bin | |
| hetero und bei mir ist das zum Teil aber auch so!“, na dann sind Sie eben | |
| auch ein bisschen queer und verstehen vielleicht besser, was ich meine. | |
| Obendrein kommt manchmal noch die dazu, [1][die ich fessle oder | |
| auspeitsche], die mich an der Leine führt, und so weiter. Auch die hat | |
| ihren Platz im Sicherheitsnetz aus Nähe und Zärtlichkeit, das die queere | |
| Familie ist. | |
| Und nun kommt etwas, das – schmerzlich vernünftig – vorschreibt, dass man | |
| den Körperkontakt zu reduzieren hat. Plötzlich gibt es, vielleicht zum | |
| ersten Mal in der Geschichte – und ich kann es selbst immer noch nicht | |
| fassen –, ein vernünftiges Argument für Monogamie. Ich erspare Ihnen den | |
| Absatz mit den üblichen Appellen, dass wir zum Wohle der Schwächsten die | |
| Arschbacken zusammenkneifen müssen. Das haben Sie ja längst kapiert, | |
| [2][Sie leben schließlich nicht bei „Big Brother“.] | |
| Ich weiß nicht, ob kinky Menschen eher polyamor sind als Blümchensex-Leute, | |
| ich kann es mir aber vorstellen. Je spezifischer die Fantasien, desto | |
| unwahrscheinlicher ist es, dass die Lebenspartner*in zufällig genau auf | |
| alle dieselben Sachen steht wie man selbst. Oder, anderer Grund: Wenn man | |
| ohnehin schon die Füße am Beckenrand der Andersartigkeit badet, dann kann | |
| man auch gleich in den Pool springen. Sie verstehen. Oder nicht? Vielleicht | |
| ist eine Schwimmbadmetapher dieser Tage auch schlecht gewählt. | |
| ## Wer darf in meine 2-Meter-Blase? | |
| Die monogamen Paare jedenfalls werden weiterhin miteinander rummachen und | |
| man wird es ihnen nachsehen, weil sie es ja nur miteinander tun | |
| (*zwinker*). Der Rest von uns muss schauen: Wer soll der oder die eine | |
| sein, die noch in meine 2-Meter-Blase reindarf? Und will sie oder er es | |
| auch? Ja/Nein/Vielleicht/Nur Füßeln? | |
| Ich möchte nix verharmlosen oder Lächerlich machen. Humor hilft mir gerade | |
| darüber hinweg, dass ich mir jetzt noch schnell einen Seelenverwandten | |
| suchen muss wie ein Pinguin. Nein, eigentlich ist es viel ernster: Queere | |
| Menschen, Kinky Menschen, Polys, und auch Sie, die Sie ganz oben im Text | |
| „Moment Mal!“ gerufen haben – sie alle müssen jetzt ihre Familie, ihre | |
| Intimität neu organisieren. Menschen durchhierarchisieren und entscheiden, | |
| wen man für die nächsten Monate [3][zum inneren 2-Meter-Kreis dazuzählt] | |
| und wen nicht. Und bei alledem bin ich mir sehr unsicher, ob wir in dieser | |
| Gesellschaft Körperkontakt ausreichend als Grundbedürfnis wahrnehmen. | |
| Wie lange also immer es dauern mag, liebe große wunderbare Familie, bis wir | |
| uns wieder endlich alle anfassen dürfen, so viel wir es uns gegenseitig | |
| gestatten: Ihr seid nicht allein! | |
| 20 Mar 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Wirklichkeit-des-Sadomaso/!5620890 | |
| [2] /Corona-Infos-bei-Big-Brother/!5672246 | |
| [3] /Merkels-Ansprache-zu-Corona/!5672371 | |
| ## AUTOREN | |
| Peter Weissenburger | |
| ## TAGS | |
| Kolumne Kuscheln in Ketten | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Monogamie | |
| Queer | |
| Der Hausbesuch | |
| Kolumne Kuscheln in Ketten | |
| Kolumne Kuscheln in Ketten | |
| Kolumne Kuscheln in Ketten | |
| Schwerpunkt Gender und Sexualitäten | |
| Kolumne Kuscheln in Ketten | |
| Kolumne Kuscheln in Ketten | |
| Kolumne Kuscheln in Ketten | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Queere Reinigungskräfte in Berlin: „Es fällt eine Hemmschwelle weg“ | |
| Die Mitarbeiter_innen der Queeren Haushaltshilfe Berlin stören sich nicht | |
| daran, wenn in der Wohnung Sextoys offen herumliegen. | |
| Der Hausbesuch: Queer und Kirche – das geht | |
| Steffi und Ellen Radtke sind Pastorinnen in der Provinz und miteinander | |
| verheiratet. Auf ihrem Youtube-Kanal geben sie viel von sich preis. | |
| Lachen über die eigenen Sorgen: Der Clown, der Traum, die Angst | |
| Mit Fetischen umzugehen ist eine Form der Verarbeitung. Das kann | |
| idealerweise so funktionieren wie Konfrontationen in Träumen. | |
| Austausch über sexuelle Vorlieben: Erst reden, dann erleben | |
| Die Anbahnung sexuellen Kontakts ist bei allen Spielarten eine Kunst der | |
| einvernehmlichen Kommunikation. Das gilt nicht zuletzt für BDSM. | |
| Bondage in viralen Zeiten: Ein Spielpartner, dem ich vertraue | |
| Ich bin für unbestimmte Zeit eine monogame Partnerschaft mit einem kinky | |
| Spielpartner eingegangen. Von ihm lasse ich mich fesseln. | |
| Männer und Make-up: Ein paar sanfte Pinselstriche | |
| Unser Autor hat sich gefragt, wieso er sich nicht schminkt. Eine Überlegung | |
| zu Geschlecht, gesellschaftlichen Konventionen und Gewalt. | |
| BDSM und politische Verantwortung: Sex ist politisch | |
| Auch die BDSM-Community muss ihre Symbolik kritisch betrachten. Begriffe | |
| wie „Sklave“ oder „Fotze“ sollten nicht allen zur Verfügung stehen. | |
| BDSM und Geschlechterrollen: Kinky Spiele auf alten Pfaden | |
| Mann/Frau = oben/unten? Auch wer auf inszenierte Spiele steht, muss sich | |
| mit ganz althergebrachten Zuschreibungen beschäftigen. | |
| Kleidung und Körper: Fetisch ist Zivilisation | |
| Es gibt Menschen, die den Klamottenfetisch als etwas Abweichendes | |
| betrachten. Dabei ist er Voraussetzung für ein funktionierendes | |
| Zusammenleben. |