# taz.de -- BDSM und politische Verantwortung: Sex ist politisch | |
> Auch die BDSM-Community muss ihre Symbolik kritisch betrachten. Begriffe | |
> wie „Sklave“ oder „Fotze“ sollten nicht allen zur Verfügung stehen. | |
Bild: Diese Darstellung von 1791 romantisiert Sklaverei. Und was tut das Spiel … | |
Queere Bewegungen und queere Theorie sind darauf ausgelegt, das Begehren zu | |
befreien. Sie gehen in der Regel davon aus, dass Begehren an sich | |
unschuldig ist und nur Handeln bewertet werden kann. Heißt, ich darf geil | |
finden, was ich möchte, ich darf aber bei der Suche nach Befriedigung nicht | |
schaden, ausbeuten, verletzen, diskriminieren. | |
Das kinky Spiel kann da leider in die politische Bredouille kommen, das | |
habe ich [1][in der letzten Folge schon am Beispiel Gender gezeigt]. Wenn | |
ich mich frauenverachtender Worte und Symbole bediene, um zu demütigen, | |
dann bin ich frauenverachtend, auch wenn es konsensuell abläuft und beide | |
Spaß haben. | |
Und das betrifft übrigens nicht nur das Geschlechterverhältnis, sondern | |
etwa auch den kolonialen Rassismus, der in dem Begriff „Sklave/Sklavin“ | |
steckt. Und es betrifft schwulen/queeren Selbsthass, der häufig in | |
Rollenspielen reproduziert wird. | |
Nur damit wir uns nicht missverstehen, ich referiere hier nicht vom hohen | |
moralischen Ross aus. Vor wenigen Tagen noch habe ich einem Sub gesagt, | |
dass er „läuft wie ein Mädchen“, weil er mir signalisiert hatte, dass ihn | |
das geil macht. | |
## Ausgerechnet wir? | |
Ich verlange auch nicht, dass die Vereinigten Kinky Nationen sofort das | |
Wort „Sklav*in“ verbieten. Aber eigentlich gehört es uns nicht. Zumindest | |
nicht uns weißen Kinkstern. | |
Ich will darauf hinaus, dass es zu leicht ist, zu sagen, es handle sich ja | |
nur um Spiel, nur um Fantasie – nur um Begehren und dass Begehren | |
unschuldig ist. Ich weiß, dass das hart zu verdauen ist, während man gerade | |
noch dafür kämpft, dass jedes Begehren erst mal in Ordnung ist. | |
Und ich weiß, vielen mag es unfair vorkommen, dass ausgerechnet die kinky | |
Gemeinde jetzt politisch korrekt sein soll, während die Mitglieder des | |
eingetragenen Vereins Missionarsstellung sich millionenfach [2][ihre | |
misogynen Gewaltfantasien um 20.15 Uhr im deutschen Fernsehkrimi] | |
reinziehen. | |
Ja, es ist unfair. Aber leider reicht das Argument, dass man es ja nur | |
spielt und nicht so meint, nicht aus. Das ist ebenso platt wie das | |
alljährliche Karnevalsargument, dass Indianerkostüme niemandem schaden, | |
weil die Kinderchen es ja „nicht so meinen“. | |
## Sex ist politisch | |
Reality-Flash: Wir sind alle verantwortlich für die Symbolik, die wir | |
erzeugen. Und BDSM ist kein Feiertag von der Politik. Queer heißt, dass Sex | |
politisch ist, im Guten wie im Schlechten. | |
Liebe BDSM-Freund*innen, es macht mich froh, [3][dass ich mich in unserer | |
Welt respektvoll „Fotze“ nennen lassen kann], und es macht mich auch | |
traurig. Ich verstehe, dass es eine Form der Bearbeitung von etwas ist, das | |
größer ist als wir. Aber ich wünsche mir auch, dass es nicht ewig so | |
bleibt. | |
Und ja, vielleicht möchte ich auch, dass wir das Wort „Sklave“ loswerden. | |
Oder zumindest darüber nachdenken, wem von uns es zusteht. | |
6 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] /BDSM-und-Geschlechterrollen/!5662905 | |
[2] /Debatte-Wahrnehmung-von-Gewalt/!5429221 | |
[3] /Gegen-das-Schoenheitsdiktat/!5646030 | |
## AUTOREN | |
Peter Weissenburger | |
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