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# taz.de -- Spielplätze in der Corona-Krise: Lasst sie offen!
> Der Spielplatz ist der einzige Ort, der allein den Kindern gehört.
> Besonders ärmere Kinder werden unter der Schließung leiden.
Bild: Schaukeln macht Spaß – und stärkt die Abwehrkräfte
Verwaist. Die Schaukeln hängen unbenutzt in der Luft, der Sand weht leise
über den Platz. Der Spielplatz in einem Berliner Innenstadtkiez ist leer.
Es hat sich offenbar schnell herumgesprochen, dass nach Schulen,
Sportanlagen, Schwimmbädern nun auch die [1][Spielplätze] ab sofort tabu
sind – obwohl sie in Berlin derzeit explizit nicht gesperrt werden.
Und die Kinder bleiben tatsächlich fern. Zumindest in den Vormittagsstunden
des Dienstags, des ersten Tags, an dem in Berlin und anderen Bundesländern
alle Schulen geschlossen sind. Was auch daran liegen mag, dass die
Schüler*innen reichlich Aufgaben bekommen haben. Wie lange die Disziplin
reicht, wird man sehen.
Nie war es so einfach und so unumstritten, Grundrechte zu beschneiden wie
in Zeiten von [2][Corona]. Binnen einer Woche haben demokratisch gewählte
Regierungen die Versammlungsfreiheit aufgehoben und die Bewegungsfreiheit
radikal beschränkt. Das wird breit akzeptiert, erscheint es doch
unumgänglich, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und Leben zu
retten. Dieses Spielplätzeschließen jedoch ist in jeder Hinsicht
fragwürdig.
Die Lasten werden gerade zwischen den Generationen und sozial höchst
ungleich verteilt. Ist es wirklich sinnvoll, nun die Jungen einzusperren,
um die Älteren zu schützen? Müsste es nicht umgekehrt sein?
## Einsperren auf Verdacht
Krasse Fragen. Aber müsste man nicht, um krasse Maßnahmen zu rechtfertigen,
viel genauer wissen wollen, wer überhaupt das Virus in sich trägt, das
heißt, flächendeckend testen, so wie es die WHO empfiehlt und wie es
Südkorea vormacht? Dass ausgerechnet die Europäer, die sich sonst für die
Wiege der Aufklärung halten, ihre Bevölkerung nun auf Verdacht einsperren,
ist ein Ausdruck absoluter Hilflosigkeit. Zudem zeigt es, dass der Glaube
an Solidarität und Vernunft praktisch tot ist.
Kinder sind nun besonders hart betroffen. Sie müssen ausbaden, dass die
Erwachsenen Krankenhäuser privatisiert, Betten abgebaut und
Gewinnerwartungen nach oben geschraubt haben. Sie, die kaum an Covid-19
erkranken und – wenn man den Teststatistiken aus Südkorea und Italien
glauben darf – auch weitaus seltener infiziert sind, sollen nun die
Hauptlast tragen.
Kinder haben das Recht zu spielen, sich zu erholen und künstlerisch tätig
zu sein, sagt die UN-Kinderrechtskonvention. Der Spielplatz ist wie kein
anderer Ort geeignet, dieses Recht auszuleben. Der letzte Ort in der Stadt,
der weitgehend frei ist von Kommerz, wo Kinder ohne Leistungsdruck ihre
Grenzen austesten können.
Der Spielplatz ist ein Nebenprodukt der Industrialisierung, entstanden, als
Menschen vom Land in die Städte zogen, um der Arbeit willen. Das ist bis
heute so geblieben. Die Straßen gehören den Autofahrer*innen, öffentliche
Wege den Fußgänger*innen und Radfahrer*innen. Bleiben die Parks. Auf den
Wiesen ist das Ballspielen entweder verboten oder dort tollen die Hunde
herum. Allein die Spielplätze, sorgsam eingezäunt, gehören ganz den
Kindern.
## Kein Trampolin im Garten
Und es sind, wie in jeder Krise, vor allem die armen, die sozial
benachteiligten Kinder, die leiden, wenn ihre Refugien zu verbotenen Zonen
werden. Jene, bei denen kein Trampolin im Garten steht, die kein eigenes
Zimmer haben. Vielleicht nicht mal einen Schreibtisch, sondern die sich mit
ihren Geschwistern Zimmer und Küchentisch teilen. Und fortan auch mit ihren
Eltern.
Nur Nordrhein-Westfalen hatte die Spielplätze noch offen gehalten.
Familienminister Joachim Stamp begründete das auch mit dem Rat von
Virologen. Diese empfehlen, dass Kinder raus an die Luft kommen, das stärke
auch das Immunsystem.
Manche meinen, dass die Eltern mit ihren Kindern ja nicht auf den
Spielplatz, sondern in den Park gehen können. Damit sie die Gehwege
zusammen mit den übrigen Erwachsenen, mit Fahrradfahrer*innen und
Rollatorschieber*innen bevölkern? Auf dem Spielplatz wären sie wenigstens
weitgehend unter sich gewesen, nun teilen sich mehr Menschen die kleiner
werdenden Freiräume.
Hier passiert also gerade das Gegenteil von sozialer Distanzierung. Eine
totale Ausgangssperre wie in Frankreich erscheint in Deutschland nur noch
eine Frage der Zeit zu sein. Dann werden nur noch Erwachsene auf dem Weg
zur Arbeit oder in den Supermarkt sich draußen bewegen dürfen. Und
natürlich Hunde, die Gassi geführt werden.
Die haben es gut.
17 Mar 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Anna Lehmann
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