# taz.de -- Lieferketten mit Waren funktionieren: Alles im grünen Bereich | |
> Auch nach Grenzschließungen in Europa werden deutsche Geschäfte mit genug | |
> Lebensmitteln beliefert, doch Transportkapazitäten könnten knapper | |
> werden. | |
Bild: Kein Risiko eingehen: Einkauf mit Schutzmaske und -brille | |
Berlin taz | Am deutschen Grenzübergang zur Schweiz in Waldshut-Tiengen | |
kriechen die Lkw am Montagmorgen über die Rheinbrücke. Die Grenzquerung im | |
Südwesten Baden-Württembergs kommt in beide Richtungen [1][nur schleppend | |
voran], aber die Lkw können problemlos vom einen Land in das andere fahren. | |
Denn trotz der Grenzkontrollen, die wenige Stunden zuvor in Kraft getreten | |
sind, ist der Warenverkehr freigegeben. | |
Die vielen Lkw seien um diese Uhrzeit nicht ungewöhnlich, erklärt einer der | |
beiden deutschen Zöllner bei einer Raucherpause. „Stau wegen des | |
Warenverkehrs haben wir hier eigentlich immer, auf beiden Seiten der | |
Grenze. Seit heute kontrollieren wir aber jeden Personenwagen.“ | |
PendlerInnen mit Grenzgängerausweis dürfen passieren, deutsche FahrerInnen | |
aus der Schweiz ausreisen. Einige Autos mit Schweizer Kennzeichen müssen | |
wenden und in der Lkw-Kolonne wieder in die Schweiz zurückfahren. | |
Am Montagmorgen sind die Grenzschließungen Deutschlands zur Schweiz, zu | |
Österreich und zu Frankreich in Kraft getreten. Wegen der [2][Coronakrise] | |
haben immer mehr Länder in Europa [3][ihre Grenzen geschlossen] – für den | |
Personenverkehr. Der Warenverkehr soll davon nicht beeinträchtigt werden. | |
Die Versorgungslage in Europa, auch im derzeitigen Epizentrum der | |
Coronakrise in Norditalien, ist gut. | |
Das gilt auch für Deutschland, wo sich in der vergangenen Woche viele | |
Menschen mit Nudeln, Eiern oder Toilettenpapier eingedeckt haben. In | |
Deutschland könnten zwar bald die Läden geschlossen werden – aber die | |
Supermärkte bleiben offen. Und sie werden auch genug Nachschub bekommen. | |
„Die Waren für die Bevölkerung sind da“, betont Martin Bulheller vom | |
Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL). | |
## Kein Grund zur Sorge | |
Die Furcht vor fehlenden Lebensmitteln wird auch genährt durch Bilder | |
langer Lastwagenschlangen, wie sie etwa am Montagmorgen an der | |
deutsch-polnischen Grenze zu sehen waren. Deutschland grenzt an neun | |
verschiedene Länder. „Jedes Land hat andere Regeln für den Güterverkehr“, | |
sagt Bulheller. | |
Dennoch: Die Lieferketten funktionieren weiterhin. „Es gibt keinen Grund | |
zur Sorge“, sagt ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums (BMVI). Das | |
Ministerium sei mit Verbänden, Lebensmittelketten und Landesministerien in | |
Kontakt und spiele Szenarien und erforderliche Maßnahmen durch. Sollten | |
etwa die Lieferzeiten für Supermärkte ausgedehnt werden, müssten die | |
Kommunen längere Annahmezeiten genehmigen. | |
Das Problem: Lange Wartezeiten an den Grenzen binden Lkw-Fahrer und damit | |
Kapazitäten für die Lieferung von Kartoffeln, Seife und anderem. Die | |
Branche leidet unter Personalmangel. Durch die Grenzschließungen könnte | |
sich die Lage verschärfen, weil ungeklärt ist, ob und wie Fahrer etwa aus | |
Polen an ihren Wohnsitz zurückkehren können. Die polnische Regierung hat | |
die Grenzschließung damit verbunden, dass einreisende Staatsbürger in | |
Quarantäne müssen. Unklar ist, ob und unter welchen Voraussetzungen das | |
auch für Lkw-Fahrer gilt, sagt Bulheller. Bundesverkehrsminister Andreas | |
Scheuer (CSU) ist dem Sprecher zufolge mit seinem polnischen Kollegen im | |
Gespräch, um möglichst schnell Klarheit zu schaffen. | |
In Deutschland haben die Bundesländer bereits reagiert, damit der Nachschub | |
an Haferflocken, Zwiebeln oder Hygieneartikeln für Supermärkte und | |
Drogerien gewährleistet bleibt. So ist das Sonntagsfahrverbot für Lkw | |
faktisch nicht mehr in Kraft. „Aber damit haben die Fahrer noch keine | |
flexibleren Lenk- und Ruhezeiten“, sagt Bulheller. Die zulässigen | |
Fahrzeiten sollen verlängert werden, fordert der Verband. Über solche | |
Maßnahmen will das Bundesverkehrsministerium noch in dieser Woche mit | |
Verbänden der Logistikbranche sprechen. | |
## Deutsche Bahn mit mehr Kapazitäten | |
Minister Scheuer hatte am Wochenende gegenüber der Bild-Zeitung als | |
„Worst-Case-Szenario“ die Belieferung von Supermärkten durch die Bundeswehr | |
ins Spiel gebracht. Das kommt in der Transportbranche nicht gut an. „Der | |
Bundesminister sollten nicht in erster Linie über den Einsatz der | |
Bundeswehr nachdenken, sondern vor allem den Unternehmen helfen, den | |
Güterverkehr aufrechtzuerhalten“, sagt Armin Riedl, Geschäftsführer der | |
Eisenbahngesellschaft Lokomotion, dem größten Anbieter im Schienenverkehr | |
zwischen Deutschland und Italien. „Leider vernehmen wir bisher noch keine | |
konkreten Maßnahmen seitens des BMVI“, kritisiert er. | |
Die grenzüberschreitenden Transporte auf der Schiene laufen wie sonst auch, | |
mitunter sogar besser. Denn durch den Ausfall von Personenzügen sind die | |
Schienen häufiger frei, ansonsten übliche Wartezeiten entfallen. Die | |
Deutsche Bahn bietet zusätzliche Kapazitäten an, könnte also einen Teil | |
möglicherweise wegbrechender Lkw-Transporte auffangen „Wir fahren alles, | |
was die Kunden wollen“, erklärt DB Cargo-Chefin Sigrid Nikutta. Auch beim | |
Netzwerk Europäischer Eisenbahnen ist alles im grünen Bereich. „Im Moment | |
läuft alles rund“, sagt ein Sprecher. | |
Güterzüge zwischen Deutschland und dem von der Coronakrise schwer | |
getroffenen Italien fahren reibungslos weiter. Laut Lokomotion werden | |
weniger Stahl und Autoteile und mehr Lebensmittel transportiert. Die | |
Lokomotivführer können sich zumindest bei der Arbeit nicht anstecken. Sie | |
fahren den Zug bis zum Brenner und steigen dort aus. Danach übernehmen je | |
nach Richtung Kollegen aus Italien oder Deutschland den Zug. Sie begegnen | |
sich nicht. Ein Güterzug ersetzt 37 Lkw. | |
„Die Bundesregierung, die Landesregierungen und die europäischen Partner | |
müssen alles tun, um den Warenverkehr aufrechtzuerhalten“, fordert | |
Lokomotion-Chef Riedel. Dazu zählten finanzielle Hilfen für die | |
Eisenbahnunternehmen. Denn die absolute Warenmenge nimmt ab. Ab bestimmten | |
Grenzen ist ein Zug unwirtschaftlich und wird nicht mehr eingesetzt – was | |
in großem Maßstab auch Folgen für die Lebensmittelversorgung haben könnte. | |
Noch gibt es keine Regeln, welche Bescheinigungen etwa des Arbeitgebers die | |
Lokführer bei der Grenzüberschreitung mitführen müssen. Das kann zu | |
Schwierigkeiten führen, wenn die Eisenbahner zu ihrem Einsatzort oder | |
zurück durch Österreich und die Schweiz fahren müssen. | |
16 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
David Rutschmann | |
Anja Krüger | |
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