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# taz.de -- Streit mit Vermieter Meravis: Rollstuhlfahrerin droht Rauswurf
> Schimmel in der Wohnung, undichte Fenster: Weil Claudia S. diese Mängel
> nicht hinnehmen wollte und die Miete kürzte, droht ihr nun die Räumung.
Bild: Will nicht aus ihrer Wohnung ausziehen: Claudia S
Hamburg taz | Claudia S. ist verzweifelt. Vor zwei Wochen erhielt die
Hamburgerin die Nachricht, dass sie in wenigen Tagen ihre Wohnung räumen
muss. Für S. ist das dramatisch. Sie sitzt im Rollstuhl und eine
bedarfsgerechte Wohnung hat sie bislang nicht gefunden. Ihr droht die
Obdachlosigkeit. Vorangegangen war ein Streit mit ihrem Vermieter Meravis.
Die Immobiliengesellschaft ist ein Tochterunternehmen des Sozialverbands
Deutschland (SoVD). „Ich habe doch nichts falsch gemacht. Ich wollte
einfach, dass Meravis die Mängel in Ordnung bringt“, sagt S. unter Tränen.
2017 hatte sie ihren Vermieter erstmals wegen der Mängel kontaktiert. Es
ging um [1][Schimmel in der Wohnung], undichte Fenster und Balkontüren und
um Lärmbelästigung. „Meravis hat das alles nicht sonderlich interessiert“,
sagt sie. Nach Ankündigung und mit Rücksprache ihres Anwalts minderte sie
daraufhin ihre Miete. Wieder gab es eine Zeit lang keine Rückmeldung von
ihrem Vermieter – bis eines Tages eine Klage inklusive der Kündigung in
ihrem Briefkasten lag.
Im Frühjahr 2019 landete der Fall vor Gericht. Ihr Anwalt Ulrich Birke ist
noch heute fassungslos über das Verfahren. „Es ist mir völlig
unverständlich, warum der Richter meinem Antrag auf Einschaltung eines
Sachverständigen nicht stattgegeben hat“, sagt Birke. Statt einen Experten
zurate zu ziehen, habe der Richter beschlossen, sich selbst ein Bild von
der Wohnung zu machen. „Er hat sich das oberflächlich angeschaut, ist nicht
auf die Hinweise meiner Mandantin eingegangen und hat daraus geurteilt,
dass es keinen Schimmel gäbe“, sagt Birke.
## Meravis behob einen Schaden
Die undichte Balkontür habe Meravis kurz vor dem Besuch des Richters
erneuert. Das Absurde: Zwar war die Tür nun dicht, allerdings nicht mehr
rollstuhlgerecht. Auch dies habe der Richter als nicht problematisch
angesehen.
„Selbst geringster Schimmel ist für mich gefährlich“, sagt sie. Sie selbst
sei im Laufe der 16 Jahre, die sie in der Wohnung wohne, Allergikerin
geworden. Auch ihr 24-jähriger Sohn habe Asthma bekommen. „Aber es ist
natürlich nicht nachweisbar, dass es durch den Schimmel verursacht wurde“,
sagt S.
Ihr Sohn wohnt mittlerweile nicht mehr bei ihr, aus Sorge vor einer
weiteren Verschlechterung der Gesundheit.
Der Teil des in den 50er- und 60er-Jahren hochgezogenen Wohnblocks, in dem
S. lebt, wurde vor etwa 30 Jahren mit staatlichen Mitteln so saniert, dass
die Wohnungen behindertengerecht sind. Offenbar wäre mittlerweile eine
Erneuerung fällig: Gegenüber der taz berichten weitere ehemalige und
aktuelle Mieter*innen von Schimmelbefall und davon, dass Meravis auf
diese Missstände nicht oder nur zögerlich reagiere.
„Meine Wohnung war eine Bruchbude – verschimmelt bis oben hin“, sagt eine
ehemalige Mieterin, die im selben Block gelebt hat. Weil ihre Kinder
ständig krank geworden seien, sei sie ausgezogen. Auch ein aktueller Mieter
sagt gegenüber der taz, dass er aus denselben Gründen schnellstmöglich
ausziehen wolle und nach einer Wohnung suche.
Meravis vermietet rund 12.000 Wohnungen vor allem in Hamburg, Niedersachsen
und Nordrhein-Westfalen. Ein hoher Anteil dieser Wohnungen ist alten- und
behindertengerecht. Das Unternehmen streitet auf Nachfrage alle Vorwürfe zu
den Wohnungsmängeln ab. Zudem habe das Gericht die Einschätzung von Meravis
bestätigt. „In solchen Situationen und Fällen gibt es für uns keine
einfachen Entscheidungen, aber da es kein Entgegenkommen der Mieterin gab,
haben wir uns für diesen Weg entschieden“, sagt Meravis-Sprecher Jörg
Schreiber.
## Rosstuhlgerechte Wohnungen sind rar
Da auch die Berufung von S. abgelehnt wurde, erhielt sie nun den
Räumungstitel. „Wir haben Antrag auf Vollstreckungsschutz eingereicht. Wenn
dem nicht stattgegeben wird, dann wird es dramatisch“, sagt Anwalt Birke.
Beim Wohnungsnotamt habe man S. bislang nicht helfen können, eine
rollstuhlgerechte Wohnung zu finden. „Um es klar zu sagen: Wenn meine
Mandantin auf die Straße gerollt wird, dann besteht Lebensgefahr“, sagt
Birke.
Laut Axel Bosse vom Hamburger Mieterverein sei Meravis zwar im Vergleich zu
anderen Wohnungsgesellschaften nicht als sonderlich schlechter Vermieter
bekannt, sie zeige sich aber auch selten kulant. „Es ist eine
Hausverwaltung, die durchgreift“, sagt Bosse. Auch in Hamburg ist Meravis
in der Vergangenheit [2][schon negativ aufgefallen,] weil sie in einem
Neubau 60 Prozent der Wohnungen als Eigentumswohnungen verkaufen wollte,
statt günstigen Mietraum zu schaffen.
Der Mieterverein hofft, dass sich die Immobiliengesellschaft angesichts der
dramatischen Lage noch einmal bewegt. „Ich traue der Meravis auch zu, dass
man einen Weg findet, zumindest eine Verlängerung zu ermöglichen, bis eine
neue Wohnung gefunden wurde“, sagt Bosse. Die Meravis habe auch deshalb
eine soziale Verantwortung, da sie ein 100-prozentiges Tochterunternehmen
des SoVD sei, dessen Aufgabe auch die Interessenvertretung von
pflegebedürftigen und behinderten Menschen in Deutschland ist.
15 Mar 2020
## LINKS
[1] /Keine-Mietminderung-bei-Schimmelgefahr/!5553549
[2] /Hamburger-Sozialverband-in-der-Kritik/!5311050
## AUTOREN
André Zuschlag
## TAGS
Mieten Hamburg
Räumungsklage
Vermieter
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Zwangsräumung
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Wohnungsbaugesellschaften
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