Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verdi und Fridays for Future für ÖPNV: Klima- und Arbeitskampf ve…
> Bald könnte Verdi erstmals bundesweit zu einem großen Streik im
> öffentlichen Nahverkehr aufrufen. Fridays for Future unterstützt die
> Gewerkschaft.
Bild: Warnstreik in Kiel: Verdi will künftig im Nahverkehr den Arbeitskampf mi…
Berlin taz | Die Verbindung ist für UmweltaktivistInnen nicht ungewöhnlich,
für GewerkschafterInnen aber durchaus Neuland. „Klimaschutz? Ich bin dabei.
Meine Bahn ist jeden Tag voll“, steht auf einem Plakat mit einem Foto der
Straßenbahnfahrerin Susanne Friedrich aus Bremen. Das Motiv ist Teil einer
in Kürze startenden Kampagne der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.
Die Organisation geht bei den anstehenden Tarifverhandlungen für die
Beschäftigten im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) neue Wege: Sie
verbinden den kommenden Arbeitskampf mit der Klimakrise. Ebenfalls eine
Premiere: Die GewerkschafterInnen suchen in ihrem Kampf den Schulterschluss
mit der Klimabewegung.
Sie werden unterstützt von AktivistInnen von Fridays for Future und nach
eigenen Angaben auch von anderen Organisationen aus dem Umweltbereich.
„Unser Ziel ist, gemeinsam mit ihnen Druck zu machen für mehr Klimaschutz
und für die Verkehrswende“, sagt Christine Behle, stellvertretende
Vorsitzende von Verdi. „Die Verkehrswende wird es nur mit mehr
Beschäftigten im ÖPNV geben, und die kann man nur gewinnen, wenn sich die
Arbeitsbedingungen verbessern“, ist Behle überzeugt.
Rund 130.000 MitarbeiterInnen sind laut Verdi derzeit bundesweit bei
öffentlichen Verkehrsunternehmen beschäftigt, etwa die Hälfte von ihnen
sind als FahrerIn von Bussen und Bahnen tätig. JedeR Zweite wird bis 2030
in Rente gehen. Im selben Zeitraum soll aber der ÖPNV massiv ausgebaut
werden, die Zahl der Fahrgäste soll um 30 Prozent steigen. Das ist
zumindest das erklärte Ziel der Bundesregierung.
## Verdienst regional sehr unterschiedlich
Nach Angaben des [1][Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen] haben die
Betriebe zunehmend Schwierigkeiten, Mitarbeiter zu gewinnen. „Kleine
Gehälter und ungünstige Arbeitsbedingungen, das will kein Beschäftigter“,
sagt Gewerkschafterin Behle. Löhne und Bedingungen werden in 17
verschiedenen Tarifbezirken ausgehandelt, die Unterschiede zwischen den
Regionen sind groß. Die Zahl der Urlaubstage etwa schwankt zwischen 26 und
30. Das Einstiegsgehalt liegt in Brandenburg bei 2.093,68 Euro, in Hessen
bei 2.191,75 Euro und in Baden-Württemberg bei 2.913,02 Euro.
In Thüringen gibt es schon die 38-Stunden-Wochen, andernorts sind weiterhin
39 Stunden die Regel. Überall gilt hingegen: Bus- und BahnfahrerInnen
bekommen keine Zuschläge für die belastenden Wechselschichten – die
Beschäftigten in den Werkstätten mancherorts aber durchaus.
Auch VertreterInnen der Bewegung Fridays for Future sind überzeugt, dass es
ohne bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im ÖPNV keine
Verkehrswende und keine Reduzierung des Co2-Ausstoßes im Verkehr geben
wird. „Wer die Abkehr vom Individualverkehr will, muss Alternativen
aufbauen“, sagt Rhonda Koch von der Fridays-for-Future-Arbeitsgruppe
Gewerkschaftsdialog. „Gute Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten sind
die Voraussetzung dafür, dass wir den ÖPNV ausbauen können.“ Verdi sei vor
einem halben Jahr auf die KlimaaktivistInnen zugegangen, verrät Koch.
Danach habe es immer wieder Gespräche gegeben. Zu einem gemeinsamen Treffen
Ende Februar seien schließlich über den Arbeitskreis Gewerkschaftsdialog
hinaus viele VertreterInnen aus anderen Ortsgruppen gekommen, um über ein
gemeinsames Vorgehen bei den anstehenden Tarifverhandlungen zu beraten.
Der Schulterschluss zwischen Verdi und den KlimaschützerInnen ist
keineswegs selbstverständlich. Denn Verdi vertritt auch die Beschäftigten
von Kraftwerken, die sich gegen einen schnellen Kohleausstieg sperren und
mitunter den KlimaschützerInnen sehr kritisch gegenüberstehen. Welche
Organisationen neben Fridays for Future mit von der Partie sind, wollte
Behle wegen noch laufender Gespräche nicht verraten.
## Viele unbezahlte Überstunden
Im April will die Gewerkschaft die Kampagne beginnen, die den kommenden
Arbeitskampf flankieren soll. Verdi hat zum 1. Juli erstmals die
Tarifverträge in allen Bundesländern zum selben Zeitpunkt gekündigt, um
bundesweit synchron verhandeln und nötigenfalls streiken zu können.
Das verleiht der Gewerkschaft ein hohes Druckpotenzial. „Der ÖPNV ist einer
der am besten organisierten Bereiche von Verdi“, sagt Behle. Zwischen 50
und 90 Prozent der Beschäftigten sind Gewerkschaftsmitglieder.
Ende März will die Gewerkschaft die Bereiche festlegen, für die mit den
Tarifpartnern einheitliche Vorgaben getroffen werden sollen. Dazu gehören
Regelungen zum Ausgleich von Überstunden. „Das ist für die Beschäftigten
ein Riesenthema“, sagt Behle. Aufgrund des Personalmangels müssen sie oft
viele Überstunden leisten, die sie dann vor sich herschieben. „Wir wollen
dafür gemeinsame Regeln“, sagt Behle. Verdi zieht ausdrücklich auch Streiks
in Betracht, um die Forderungen durchzusetzen. „Es wird große
Streikaktivitäten geben, wenn sich die Arbeitgeber nicht bewegen“, sagt
sie.
## „Verkehrs-Friday“ for Future
Die sieht auch die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA)
kommen. „Es steht in der Tat zu befürchten, dass es zu
Arbeitskampfmaßnahmen im öffentlichen Nahverkehr im gesamten Bundesgebiet
kommen wird, denn nach Auslaufen der Manteltarifverträge ist die
Friedenspflicht beendet“, sagt VKA-Sprecherin Daniela Wegner.
Allerdings seien die Gehälter für Beschäftigte bei kommunalen
Nahverkehrsunternehmen schon heute deutlich höher als im Bereich des
privaten Verkehrsgewerbes. Der Marktanteil der privaten Anbieter im ÖPNV
liegt immerhin bei 36 Prozent. Für deren Beschäftigte gilt die jetzige
Tarifrunde nicht. Wegen der vergleichsweise höheren Löhne sei es in der
Vergangenheit zur Gründung von Tochterunternehmen gekommen, die niedrigere
Löhne gezahlt haben, sagt Wegner. Deshalb dürfe Verdi „im Sommer nicht
überreizen“. „Nahverkehr ist regelmäßig defizitär und wird in der Kommu…
querfinanziert“, sagt sie. „Da spielen Personalkosten naturgemäß eine gro…
Rolle.“
Auch Verdi und den AktivistInnen von Fridays for Future ist klar, dass die
[2][Kommunen zu wenig Geld für Busse und Bahnen] haben. „Die Kommunen
können die Belastung nicht allein tragen, deshalb muss mehr Bundesgeld in
den Nahverkehr fließen“, fordert AktivistIn Koch. Der ÖPNV finanziert sich
etwa zur Hälfte aus Ticketeinnahmen, der Rest kommt von der öffentlichen
Hand. Zwar sieht etwa das [3][Klimapaket] der Bundesregierung Milliarden
für den Ausbau der Infrastruktur vor, aber erst ab 2025 und nicht für mehr
Personal und höhere Löhne. „Wir brauchen ein gesellschaftliches
Verständnis, dass der ÖPNV stärker öffentlich finanziert werden muss“, sa…
Gewerkschafterin Behle.
Für die AktivistInnen von Fridays for Future ist der anstehende
Arbeitskampf ein neues Projekt, das ihnen möglicherweise weiteren Schub
gibt. In etlichen Städten gibt es Überlegungen, Aktionen der
ÖPNV-Beschäftigten lokal zu unterstützen, berichtet Rhonda Koch: „Wir
erwägen, für den Juni oder Juli zu einem bundesweiten ‚Verkehrs-Friday‘
aufzurufen.“
3 Mar 2020
## LINKS
[1] https://www.vdv.de/190917-pm-personalmangel-und-jobportal.pdfx
[2] /Ticketkosten-im-oeffentlichen-Nahverkehr/!5660656
[3] /Wirtschaftliche-Folgen-des-Klimapakets/!5650477
## AUTOREN
Anja Krüger
## TAGS
Schwerpunkt Fridays For Future
Verdi
Schwerpunkt Klimawandel
ÖPNV
Öffentlicher Nahverkehr
Verkehrswende
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt Fridays For Future
DGB
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bündnis fordert langfristige Investition: 120 Milliarden für den ÖPNV
Verbände fordern in einem offenen Brief eine konsequente Verkehrswende.
Investitionen von 120 Milliarden Euro bis 2030 seien dafür notwendig.
Klimaaktivismus und Gewerkschaft: Fridays mobilisieren für Verdi
Die Gewerkschaft kämpft für bessere Arbeitsbedingungen im ÖPNV. Fridays for
Future will mit dem Bündnis Klimaschutz und soziale Fragen verknüpfen.
Fridays for Future jetzt virtuell: Greta rät zu Demo-Pause
Greta Thunberg fordert wegen der Corona-Gefahr den Verzicht auf
Massenaktionen. Stattdessen soll online demonstriert werden.
FFF-Gesicht ist Bremens Frau des Jahres: Für eine feministische Zukunft
Der Landesfrauenrat zeichnet die Fridays-for-Future-Aktivistin Frederike
Oberheim aus. Engagement im Klimaschutz war das Kriterium.
Deutschlands Klimaziele: Kein Grund zur Entspannung
Das Klimapaket ist gar nicht so schlecht, wie Zahlen belegen. Doch dass in
einzelnen Sektoren viel zu wenig passiert, stimmt leider auch.
„Fridays for Future“ im Parlament: Sich mal treten lassen
Bei einer Anhörung von Friday-for-Future-SprecherInnen im Umweltausschuss
wollen sich – fast – alle Parteien im klimafreundlichsten Licht zeigen.
Fridays-for-Future-Demo in Hamburg: Genug von großen Reden
Zehntausende Klimaaktivist*innen fordern vor der Bürgerschaftswahl eine
klimagerechte Politik für Hamburg. Greta Thunberg war eigens angereist.
70 Jahre Deutscher Gewerkschaftsbund: Im Daueraufbruch
Der Deutsche Gewerkschaftsbund feiert Jubiläum. Die Dachorganisation prägte
die Sozialgeschichte der Republik – und muss sich heute neu erfinden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.