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# taz.de -- Doku „Hinterm Deich wird alles gut“: Im grünen Bereich
> Die Dörfer Bordelum, Breklum und Klixbüll haben sich der
> „Gemeinwohl-Ökonomie“ verschrieben. Am Wochenende wird ein Film darüber
> kostenlos gestreamt.
Bild: Schaukeln in den Fluten: Warum Nordfriesen klimaneutral werden wollen, wi…
Bremen taz | Land unter! Zwei Kinder spielen auf einer Schaukel, die mitten
im Hochwasser steht. Mit dieser Aufnahme von einer Flut an der Nordseeküste
Schleswig-Holsteins beginnt der Dokumentarfilm „Hinterm Deich wird alles
gut“ von Gabriele Kob und Hanno Hart. Mit diesem Sinnbild für die
Klimaveränderungen machen sie gleich am Anfang deutlich, warum ausgerechnet
drei Dörfer aus der Küstenregion von Nordfriesland zu den ersten in
Deutschland gehören, die nach den Grundregeln der „Gemeinwohl-Ökonomie“
wirtschaften wollen.
Die Gemeinden Bordelum, Breklum und Klixbüll haben sich monatelang nach
diesen Regeln bilanzieren lassen. Und sie haben aus den Resultaten
Konsequenzen gezogen. Ein Gemeindezentrum haben sie gebaut, betreiben ihre
Landwirtschaft möglichst klimaneutral und gründen kleine Kooperativen für
das Carsharing mit Elektroautos.
Der Initiator der Bewegung Christian Felber, Autor, Hochschullehrer und
freier Tänzer aus Österreich, macht erst einmal einen Kopfstand auf der
Bühne, bevor er in einem Vortrag die [1][Grundsätze seiner Philosophie]
verdeutlicht. Diese Lockerungsübung hat der Film auch nötig, denn Kob und
Hart sind da ein wenig in einer Zwickmühle. Einerseits gibt es kaum etwas
Langweiligeres als einen abgefilmten Vortrag, andererseits kann das Prinzip
der „Gemeinwohl-Ökonomie“ kaum anders so pointiert und rhetorisch geschickt
vermittelt werden wie von Felber persönlich.
Und so wird er später im Film noch in einem Seminar etwas an einer
Schultafel erklären, und Auszüge aus einem seiner Bücher werden als eine
Art Manifest vorgetragen. Dabei hat sich das FilmemacherInnenteam
allerdings etwas einfallen lassen, denn Gabriele Kob war sich, wie sie in
einem Gespräch zugab, durchaus bewusst, dass in ihrem Film „viele Talking
Heads die Welt erklären“. Zu allem Überfluss sind die meisten von ihnen
auch noch Männer, und so ließen die beiden in einer Montagesequenz nur
Frauen zu Wort kommen, die einige Kernsätze von Felber – also doch wieder
von einem Mann – vorlesen und mit kurzen Bemerkungen kommentieren.
## Stolze Bürgermeister
Die Protagonisten des Films sind jedoch die drei Bürgermeister, die stolz
erzählen, wie weit ihre Gemeinden schon mit der Umstellung auf die
Prinzipien der „Gemeinwohl-Ökonomie“ gekommen sind. Dass sie keinen
Atomstrom verbrauchen, ist angesichts der vielen Wind- und
Solarenergieanlagen in Schleswig-Holstein allerdings keine bahnbrechende
Leistung.
Schwieriger war es, für eine gute Bilanz auch bei Faktoren wie
Menschenwürde, sozialer Nachhaltigkeit, Solidarität und Mitbestimmung zu
punkten. Da wird dann auch gezeigt, wie gut die Stimmung bei einem Fest in
der neuen Bürgerbegegnungsstätte „Dörpscampus“ ist: In einer Küche
entstehen Nudeln aus regionalen Zutaten, die klimaneutral produziert
wurden, mithilfe einer manuellen Nudelpresse. „Mehr Öko geht nicht!“, sagt
die Frau in der Küche.
Einer der Bürgermeister schafft sich ein neues Bambusfahrrad an, dessen
Rahmen in Ghana hergestellt und das dann in Kiel montiert wurde. Doch wenn
dazu ein paar kurze Filmaufnahmen aus Ghana gezeigt werden, irritiert dies,
denn sollten die FilmemacherInnen tatsächlich die ökologische Todsünde
begangen haben und für diese paar Bilder nach Afrika geflogen sein?
Natürlich nicht: Die Kieler Firma hat ein wenig von ihrem Promomaterial zur
Verfügung gestellt – die Werbung wird im Film allerdings nicht als solche
kenntlich gemacht. Da arbeiten Hart und Kob also ein wenig unsauber, doch
ökologisch ist alles im grünen Bereich. Sie reisten zwar nach Brüssel, um
dort den Europa-Abgeordneten der Grünen Sven Giegold zu interviewen und sie
folgten dem Bürgermeister von Klixbüll auf einer Dienstreise nach Triest,
aber sie sind dabei immer mit dem Auto gefahren.
Diese Reise nach Triest ist der seltsamste Teil des Films, denn Werner
Schweizer will dort Flugzeuge kaufen. In Zeiten der Flugscham gelingt es
ihm, ein umweltfreundliches Geschäftsmodell für das kommerzielle Fliegen zu
entwickeln und für diese Idee kann man ihn nur bewundern. Klixbüll war bis
vor wenigen Jahren Standort für einen Bundeswehrflugplatz und Bürgermeister
Schweizer ist in seiner Jugend als Pilot in das Dorf gekommen.
Nun hat Schweizer einen Weg gefunden, seine Flugbegeisterung (bei den
Aufnahmen in Triest sieht man ihn hinter dem Steuerhebel bei einem
Probeflug) mit den Prinzipien der „Gemeinwohl-Ökonomie“ in Einklang zu
bringen: Die Landepiste des ehemaligen Flughafens besteht ja schon, es muss
also nichts neu gebaut werden. Und Flüge auf die Nordseeinseln, für die
eine solide Nachfrage besteht, können umweltschonend mit den kleinen
Elektroflugzeugen angeboten werden, denn der Strom dafür würde ja sauber im
Dorf produziert.
Kob und Hart erzählen in ihrem Film nur solche Erfolgsgeschichten. Sie
wollen mit ihrem Film inspirieren, das kritische, investigative und
analytische Filmemachen überlassen sie anderen. Beide sind vor einigen
Jahren aus Hamburg in das Dorf Norderstapel in Schleswig-Holstein gezogen
und suchen seitdem die Themen für ihre Filme vor ihrer Haustür.
Hanno Hart hat sich mit Dokumentarfilmen über Schulen einen Namen gemacht,
Gabriele Kob hat lange als Drehbuchautorin gearbeitet. Ihr erster
„Heimatfilm“ war im letzten Jahr die Dokumentation „Unsere Dorfschule“,…
der sie Schulen und Kindergärten in der Region vorstellten. Dafür drehten
sie auch in Bordelum und Klixbüll.
Die beiden produzieren ihre Filme unabhängig von Fernsehsendern, denn sie
wollen sich nicht von Redakteuren abhängig machen. Mit wenig Fördergeldern
machen sie ihre Filme lieber so kostengünstig wie möglich. Und so besteht
das kleine Filmteam zum Teil aus Familienmitgliedern: Helene Hart war für
die Musik verantwortlich und Sandra Kob ist eine professionelle Sprecherin.
Ihre Produktionsfirma „Hartfilm“ vertreibt den 52 Minuten langen Film
selbst. Ende März beginnt eine Kinotour, bei der er mit einem
anschließenden Forum gezeigt wird, zu dem jeweils die FilmemacherInnen und
mindestens einer der drei Bürgermeister anreisen werden.
21 May 2020
## LINKS
[1] /Gemeinwohl-Oekonom-ueber-Freihandel/!5388278
## AUTOREN
Wilfried Hippen
## TAGS
Nordfriesland
Schwerpunkt Klimawandel
Nachhaltigkeit
Ökonomie
Gemeinwohl
Dokumentarfilm
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Geld
Schwerpunkt TTIP
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