# taz.de -- Landwirt über kleine Bauernhöfe: „Hofläden sind soziale Orte“ | |
> Im Verein Nordbauern schließen sich Kleinbetriebe mit Direktvermarktung | |
> zusammen. Ernst Schuster über Forderungen an die Politik und das | |
> Höfesterben. | |
Bild: Steht auch selbst im Hofladen: Ernst Schuster | |
taz: Herr Schuster, es gibt schon viele Bauernvereine – wozu braucht es die | |
Nordbauern? | |
Ernst Schuster: Wir sind ein Zusammenschluss kleiner Betriebe, die alle | |
Direktvermarkter sind. Und deren besondere Herausforderungen werden von den | |
großen Verbänden nicht ausreichend berücksichtigt. | |
Welche? | |
Wir haben damit angefangen, unsere Produkte gegenseitig in den Hofläden | |
anzubieten und die Logistik zu verbessern. Aber wenn es um Online-Verkauf | |
geht, stoßen die Kleinbetriebe auf Hindernisse. Direktvermarkter, die | |
Fleisch produzieren, haben im Direktverkauf Sonderregeln. Doch wenn die | |
Ware über das Internet vertrieben wird, braucht es eine | |
EU-Handelszulassung. An solchen Vorgaben scheitern Kleinbetriebe. Wir haben | |
die Politik angeschrieben und warten auf Antwort. | |
Sehen Sie einen Trend zu regionalen Produkten, und schlägt sich das auch in | |
den Preisen nieder? | |
Immer mehr [1][Verbraucher kommen in die Hofläden] und kaufen nicht nur | |
unser Obst, sondern auch die Produkte der Kollegen. Alles wird gut | |
angenommen und die Preise werden akzeptiert. Unsere Kunden wollen den | |
direkten Kontakt zu ihrem Bauern. | |
Sie stellen heute einen Forderungskatalog vor. Warum? | |
Wir haben 2017 schon ein Papier an die Politik übergeben, aber sind bisher | |
nicht wahrgenommen worden. Jetzt, angesichts der Diskussion über die Lage | |
der Landwirtschaft, sind wir der Auffassung, dass wir speziell auf die | |
Fragen der Kleinen in der Lebensmittelversorgung hinweisen müssen. Das | |
betrifft sowohl die Bauern mit der Urproduktion als auch die aussterbenden | |
Verarbeitungsbetriebe. | |
Sie fordern zum „Umdenken in der Agrarpolitik“ auf. Müssten nicht zuerst | |
die Bäuer*innen umdenken? | |
Ich denke, dass wir einen intensiven Dialog mit Verbrauchern führen müssen, | |
um die gegenseitigen Positionen zu verstehen. Aber wir dürfen nicht nur | |
fordern, sicher muss sich Landwirtschaft ändern. | |
Müsste die EU-Förderung anders aussehen? | |
Auf jeden Fall, das haben wir bereits 2017 gefordert. Kleinere Betriebe | |
sind von der Flächenförderung besonders bedroht, eine Änderung hat sich | |
noch nicht durchsetzen lassen. Aber inzwischen wird im Land und auf | |
EU-Ebene über neue Förderrichtlinien diskutiert. Eine Idee dabei ist, | |
Landwirtschaft auf den Ebenen „Energieproduktion“, „Massenmarkt und Expor… | |
und „ländliche Versorgung und Strukturentwicklung durch Kleinbetriebe“ zu | |
denken. Wir fordern, vor allem auf die Regionalversorgung durch Hofläden zu | |
schauen, die gleichzeitig soziale Einrichtungen sind. | |
In der EU laufen Prozesse sehr langsam – reicht das, um das Höfesterben | |
aufzuhalten? | |
[2][Die Höfe sterben seit Jahrzehnten]. Man kann das nicht aufhalten, nur | |
strukturell verlangsamen. Wir dürfen aber nicht von einem Tag auf den | |
anderen einen Schnitt machen, das würde Betriebe in den Ruin treiben. Neue | |
Regeln brauchen Zeit. Aber wir diskutieren seit 50 Jahren, ein Umdenken ist | |
jetzt erforderlich. | |
In Schleswig-Holstein gab es Proteste gegen den Schutzstreifen an den | |
Knicks, bundesweit gingen Bäuer*innen gegen die Einschränkung von Gülle und | |
Pestiziden auf die Straße – kann es so weitergehen? | |
Auf keinen Fall! Dadurch, dass die großen Interessenverbände Neuerungen | |
abblocken, haben sie Schäden angerichtet. Wir reden seit 30 Jahren über | |
neue Methoden und Biotechnologien, die uns helfen, unter anderem das | |
Nitratproblem zu lösen. Es ist doch verrückt: Wir lassen Mikromaschinen | |
durch den Körper fahren, können aber kein Wasser filtern? Wir schlagen vor, | |
dass man mehr in die Entwicklung zeitgerechter Verfahren stecken muss und | |
Betriebe, die sich darauf einlassen, stärker fördert als die, die nach | |
Großvätersitte weiterarbeiten. | |
Müsste insgesamt weniger produziert werden? | |
Wir reden ja nicht nur über die [3][Verschmutzung von Grundwasser] und | |
anderen Umweltproblemen, sondern gleichzeitig über die Welternährung. Wir | |
importieren heute Massenware aus den Tropen, dabei haben wir in Europa die | |
besten Böden und Bedingungen, daher wäre es sinnvoller, mit den hier | |
erzeugten Waren nicht im Supermarkt für Dumping zu sorgen, sondern | |
sinnvolle und zielgerichtete Warenströme zu organisieren. Gegen den | |
Preisverfall ist auch die Politik gefordert, die etwa beim Kantinenessen | |
auf Niedrigstpreise achten. Bei 2,50 Euro für ein Mittag muss man sich | |
nicht wundern, wenn Betriebe in der Region sterben. | |
11 Mar 2020 | |
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## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
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