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# taz.de -- Einfluss von Firmen auf EU-Klimapolitik: Lobby für Öl und Gas
> Am Mittwoch präsentiert die EU ihr erstes Klimagesetz, den „Green Deal“.
> Die fossile Industrie reagiert mit hektischen Aktivitäten.
Bild: Die Öl- und Gasindustrie umwirbt derzeit intensiv die EU-Politik
Paris taz | Der Termin war gut gewählt, der Titel vielversprechend: Am 17.
Februar, zwei Wochen vor der Verkündigung des ersten
EU-Klimaschutzgesetzes, lud der Verband der Internationalen Öl- und
Gasproduzenten (IOGP) zum exklusiven Dinner. Die Gäste: Brüsseler
Abgeordnete, der Umweltminister von Finnland, das den Ratsvorsitz hat, und
Mitglieder der EU-Kommission. Das Thema: „Öl & Gas und der Green Deal“. Der
Ort: das European Energy Forum in Brüssel. Die IOGP gibt laut
Transparenzregister pro Jahr 350.160 Euro für Lobbyarbeit aus. Im European
Energy Forum, einer informellen Arbeitsgruppe des Europäischen Parlaments,
sind auch 82 Unternehmen der Öl- und Gasbranche vertreten.
Bei den Events ist Öffentlichkeit nicht erwünscht. Umwelt- und
Verbraucherverbände werden nicht eingeladen. Auf eine Anfrage der
französischen Zeitung Libération hieß es: „Bei unseren Veranstaltungen sind
keine Journalisten zugelassen.“
Die Planungen [1][für den Green Deal] stürzen die Brüsseler Lobbys in
hektische Aktivitäten. Hinter verschlossenen Türen nehmen seit Monaten die
Öl- und Gasunternehmen Einfluss auf den Weg der EU zur Klimaneutralität.
„Die fünf größten Öl- und Gaskonzerne und ihre Interessenverbände in
Brüssel gaben an, sie hätten seit 2010 über eine Viertelmilliarde Euro in
Lobbykampagnen gesteckt, um klimafreundliche Maßnahmen zu verzögern,
abzuschwächen und zu sabotieren“, heißt es in einem Bericht mehrerer
Umweltorganisationen von Ende Oktober.
Persönliche Treffen mit Entscheidern sind für den Einfluss wichtig. „Solche
von Firmen gesponserten Veranstaltungen sind im Europäischen Parlament gang
und gäbe“, sagt Christophe Grudler, französischer Europaabgeordneter der
Macron-Fraktion Renaissance/MoDem und Mitglied des Industrieausschusses.
Das Energie-Forum sei zwar ein Ort für Debatten, wo Abgeordnete sich
informieren könnten. Aber: „Wir nehmen natürlich nicht alles, was dort
gesagt wird, für bare Münze.“
## „Nur für geladene Gäste“
Ein anderer Weg für die Einflussnahme sind renommierte Denkfabriken wie das
Centre for European Policy Studies (CEPS). Am 4. Dezember fand dort eine
Konferenz zur „Vorbereitung des europäischen Green Deals“ statt. Die
Veranstaltung, „nur für geladene Gäste“, wurde von den Energiekonzernen
Equinor und Fortum finanziert und fand „mit Unterstützung der finnischen
EU-Ratspräsidentschaft“ und Ministern aus Norwegen und Finnland statt.
Auch beim CEPS können Unternehmen „Mitglieder“ werden. Der [2][US-Ölkonze…
ExxonMobil] zahlt dafür 15.000 Euro pro Jahr. In ihrem Jahresbericht 2018
verkündete die Denkfabrik, man organisiere exklusiv für die Mitglieder
„Unternehmerfrühstücke“, vor allem mit Frans Timmermans, dem
Vizepräsidenten der EU-Kommission, zuständig für den Green Deal.
Seit der Ankündigung des Klimaplans im letzten Sommer wird das Team von
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen heftig von der Gasindustrie
umworben. Allein zwischen dem 20. und 30. Januar hatten Vertreter des
Branchenverbands Eurogas Treffen mit sechs Kommissionsmitgliedern
vereinbart, im Kabinett von Timmermans und in den Generaldirektionen
Handel, Haushalt, Landwirtschaft, Wirtschaft und Finanzen sowie
Katastrophenschutz. Jedes Mal ging es nach offiziellen Angaben um den Green
Deal.
## „Sehr offen für die Gaslobby“
Energiekommissarin Kadri Simson ist Starrednerin der Jahreskonferenz von
Eurogas, die am 19. März in Brüssel stattfinden wird. Der Verband verfügt
über sechs akkreditierte Mitarbeiter mit freiem Zugang zum Parlament und
gab 2018 allein 800.000 Euro für Lobbyarbeit aus. „Die Generaldirektion
Energie ist sehr offen für die Gaslobby“, sagt der Abgeordnete Pascal
Confin (Renaissance), der im Umweltausschuss des EU-Parlaments den Vorsitz
führt.
Der Verband IOGP blieb ebenfalls nicht untätig. Am 17. Dezember trafen
seine Vertreter die Generaldirektorin für Energie, Ditte Juul Jørgensen,
und im Januar zwei weitere Kommissionsmitglieder in anderen Direktionen.
Das Thema war stets dasselbe: der Green Deal. Auch der europäische
Arbeitgeberverband BusinessEurope und sein Präsident Pierre Gattaz zeigen
ausgeprägtes Interesse an dem neuen Umweltplan der Kommission. Noch zwei
Tage vor der Verkündung des Klimaschutzgesetzes gibt es ein Treffen mit dem
Kabinett der Präsidentin. Das Thema: der Green Deal.
Auch die Umweltseite macht mobil. Denkfabriken oder Umweltorganisationen
wie der WWF, der Verkehrsdachverband Transport & Environment (T&E), das
Climate Action Network oder die European Climate Foundation (ECF) sind in
Brüssel ebenfalls gut vernetzt. Sie verfügen über entsprechende Mittel, die
allerdings geringer ausfallen als die ihrer Gegner. So hat etwa die ECF im
Jahr 2018 nach eigenen Angaben zwischen 500.000 und 600.000 Euro für
Lobbyarbeit ausgegeben, T&E knapp 800.000 Euro und der WWF zwischen 2,2 und
2,4 Millionen Euro. Der WWF traf sich seit Jahresbeginn siebenmal mit
Vertretern verschiedener Generaldirektionen, T&E sogar zehnmal.
Die Lobbys der Wirtschaft nutzen nicht nur direkte Kanäle. Sie greifen gern
auch auf Beratungsunternehmen zurück. FTI Consulting etwa hält laut
Transparency International den zweiten Platz in der Rangliste derjenigen,
die die meisten Treffen mit der EU-Exekutive vereinbaren konnten. Unter den
Kunden sind auch Eurogas und ExxonMobil.
## Berater setzen auf Drehtüreffekt
Die Berater setzen auf den Wechsel von Politikern in die Wirtschaft, wie er
in Brüssel häufig vorkommt. Ein Beispiel für diesen Drehtüreffekt ist
Jean-Arnold Vinois. Der Berater für Energiepolitik am Institut Jacques
Delors, einer bekannten Denkfabrik, ist zugleich Ehrendirektor für Energie
bei der Europäischen Kommission und sitzt im internationalen Beirat von
Fleishman Hillard. Das Brüsseler PR-Unternehmen arbeitet unter anderem für
die Lobbyvereinigung Gas Naturally und den Verband der Öl- und
Gasraffinerien FuelsEurope. In einer umstrittenen Kampagne, die letztes
Jahr aufflog, erfasste Fleishman Hillard etwa 200 Kritiker des Pestizids
Glyphosat im Auftrag von Bayer-Monsanto.
Auch Medien unterliegen dem finanzkräftigen Einfluss der Fossilen-Lobby.
Auf Euractiv, einem mehrsprachigen Nachrichtenportal für Europapolitik,
erschien etwa am 27. November 2019 ein Artikel über von der Leyens
Klimapolitik. Am Rand vermerkt: Der Text sei „mit Unterstützung des
Internationalen Verbands der Öl- und Gasproduzenten“ entstanden. Auch die
beliebten Newsletter der Wochenzeitung Politico, die hinter die Brüsseler
Kulissen schauen, werden regelmäßig von ExxonMobil gesponsert.
Welche Lobby wie stark bei den Vertretern der mächtigen EU-Staaten
insgesamt Einfluss nimmt, weiß allerdings niemand genau. Denn für viele
Treffen gibt es, anders als bei der EU-Kommission, keinerlei
Transparenzregister. Weder das European Energy Forum noch die
Frankreich-Abteilung von FTI Consulting, das CEPS oder Politico haben auf
unsere Anfragen geantwortet.
Die Autorin schreibt für Libération. Übersetzung aus dem Französischen:
Sabine Jainski
4 Mar 2020
## LINKS
[1] /Von-der-Leyens-European-Green-Deal/!5665102/
[2] /Prozess-gegen-Oelkonzern/!5639408/
## AUTOREN
Aude Massiot
## TAGS
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