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# taz.de -- Marinemission vor der Küste Libyens: Kein Bock auf Seenotrettung
> Die EU-Marineschiffe agieren künftig mindestens 100 Kilometer vor Libyens
> Küste. Die EU erhofft sich, so weniger Bootsflüchtlinge retten zu müssen.
Bild: EU-Außenbeauftragter Josep Borell am Montag in Brüssel
BERLIN taz | Nachdem die Verhandlungen über die Fortsetzung der
Anti-Schlepper-Mission „Sophia“ an der Frage gescheitert waren, was mit
möglicherweise Geretteten passieren soll, hat der Europäische Auswärtige
Dienst, eine Art Außenministerium der EU, dafür einen Vorschlag vorgelegt.
Demzufolge soll „Sophia“ zu „Operation EU Active Surveillance“ – übe…
etwa: „Aktive Überwachung“ – werden. Die Mission soll dann erneut mit
Schiffen ausgestattet werden, ihre Kernaufgabe soll [1][die Überwachung des
Waffenembargos] sein. Die Ausbildung der Libyschen Küstenwache und die
Schleuserbekämpfung sollen dann zu „Nebenaufgaben“ werden. Bislang war es
andersherum: Das Vorgehen gegen die libyschen Schlepper war der zentrale
Zweck der 2015 beschlossenen Militärmission.
Auf diese Weise hofft der EU-Außenbeauftragte Josep Borell das Problem mit
der mangelnden Bereitschaft zur Aufnahme der Geretteten umgehen zu können.
In einem der taz vorliegenden Papier aus seinem Haus heißt es, die Schiffe
könnten dann „in den Bereichen eingesetzt werden, die für die Umsetzung des
Waffenembargos am wichtigsten sind“ – also im östlichen Teil des
Einsatzgebiets oder „mindestens 100 km vor der libyschen Küste“.
Denn dort, so heißt es in dem Papier wörtlich, seien die „Chancen,
Rettungsaktionen durchzuführen, geringer“. Tatsächlich legen die
Flüchtlingsboote meist im westlichen Teil der Landesküste ab – und
[2][geraten meist schon in Seenot], wenn sie näher als 100 Kilometer von
der Küste entfernt sind. So hofft die EU also, dass die Militärs nicht mit
der Rettung von Menschenleben behelligt werden.
## Waffenschmuggel über Land
Wenn nicht, so heißt es in dem kurz nach der Berliner Libyen-Konferenz
formulierten Vorschlag, drohe die EU „irrelevant“ zu werden, während
„andere weiterhin die Entwicklung der Ereignisse in Libyen in einer Weise
bestimmen, die unseren Interessen nicht gerecht wird.“ Damit ist offenbar
die Türkei gemeint. Tatsächlich hätten sich die „eklatanten Verletzungen
des Waffenembargos“ in der jüngsten Vergangenheit „fortgesetzt und sogar
noch verstärkt“.
„Die mickrigen Ergebnisse der Konferenz militärisch sichern zu wollen,
gießt Öl ins Feuer“, sagt dazu der Linken-Abgeordnete Andrej Hunko. Eine
EU-Mission könne nur die Seegrenzen Libyens überwachen, einzelnen Akteuren
bliebe also weiterhin der Waffenschmuggel über die Landgrenzen.
Sollte der Vorschlag sich durchsetzen, bliebe in Sachen Seenotrettung alles
beim Alten. Derzeit sind vier NGO-Schiffe in der Region aktiv: Open Arms,
Ocean Viking, Alan Kurdi und die Sea Watch 3. Seit dem vergangenen Herbst
gilt eine Regelung, nach der alle von diesen Schiffen geretteten Menschen
in Italien oder Malta an Land gebracht werden dürfen, dann aber für ihr
Asylverfahren in andere EU-Staaten weiter reisen können. Hierfür gemeldet
haben sich bislang Deutschland, Frankreich, Portugal, Luxemburg, Irland,
Finnland, Norwegen, Belgien, Spanien und Schweden.
Allerdings ist das Verfahren sehr langsam: Rund 3.480 Menschen sind unter
dieser Prämisse seit 2018 nach Italien gekommen. Aber erst 699 von ihnen
sind bislang weitergereist. Deutschland hat bis Ende Januar die Übernahme
von bis zu 586 Personen aus Italien zugesagt – hierher eingereist sind aber
bis Ende Januar erst 174. Das hat auch damit zu tun, dass die Länder sich
weigern, pauschale Aufnahmekontingente bereit zu stellen – für jedes Schiff
handelt die EU-Kommission die Aufnahme einzeln mit den Mitgliedsstaaten
aus.
Das Gros der Geretteten aber kommt ohnehin mit staatlichen Rettungsschiffen
nach Italien. Um sie muss das Land sich allein kümmern. Die italienischen
und auch die maltesischen Behörden setzen deshalb immer stärker darauf,
dass die libysche Küstenwache Flüchtlinge auf dem Meer stoppt und nach
Libyen zurückbringt. Das soll die Neuauflage von „Sophia“ ausbauen – denn
damit könnte die EU auch weiterhin die libysche Küstenwache ausbilden.
17 Feb 2020
## LINKS
[1] /Ex-UN-Beauftragter-ueber-Libyenkrieg/!5660642
[2] /Flucht-aus-Libyen/!5660967
## AUTOREN
Christian Jakob
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Seenotrettung
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Europäische Union
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Flüchtlinge
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Militärmission „Sophia“
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