# taz.de -- CDU und FDP nach der Hamburgwahl: Schwarz-gelbes Desaster | |
> CDU und FDP erleben ein Wahldebakel. Nicht zuletzt dank ihres Tabubruchs | |
> in Thüringen können die Liberalen sogar an der Fünfprozenthürde | |
> scheitern. | |
Bild: „Die Mitte lebt“ – aber woanders | |
Hamburg taz | Anna von Treuenfels kommt allein in die Messehalle, in der | |
die Radio- und Fernsehsender ihre Studios aufgebaut haben. Kamerateams | |
stürmen auf sie zu. Die FDP-Spitzenkandidatin hat einen angespannten | |
Gesichtsausdruck, gibt sich aber optimistisch. „Ich glaube, dass wir es | |
noch schaffen können.“ | |
Wie auch immer: Der Thüringer Drei-Tage-Ministerpräsident Thomas Kemmerich | |
hat seinen FDP-Parteifreund*innen an der Elbe eine schwere Schlappe | |
beschert. Bis Redaktionsschluss mussten die Liberalen sogar noch um den | |
Einzug in die Hamburgische Bürgerschaft bangen. | |
Nach den ersten Hochrechnungen lagen sie genau bei 5 Prozent. Selbst wenn | |
sie die Sperrklausel überwinden sollten, ist diese Wahl eine bittere | |
Niederlage. Beim Wahlkampfauftakt träumte Anna von Treuenfels noch von | |
einer Regierungsbeteiligung. „Dann kam das Fiasko von Thüringen“, sagte ein | |
deprimierter FDP-Chef Christian Lindner am Wahlabend. | |
Dabei hatten die Liberalen die [1][Abgrenzung vom rechten Rand] zur | |
zentralen Aufgabe im Wahlkampfendspurt gemacht. Schnell wurde vor den | |
Wahlwerbespot der Partei ein Screenshot vom Twitter-Kanal der | |
Spitzenkandidatin montiert. Von Treuenfels hatte sofort gepostet, dass die | |
Wahl Kemmerichs unerträglich sei: [2][„Ich persönlich hätte so eine Wahl | |
nicht angenommen.“] Eine Zusammenarbeit mit der AfD werde es in Hamburg | |
nicht geben. „Das verspreche ich!“ | |
Den Wähler*innen war das offenbar nicht glaubwürdig genug. Denn die FDP | |
hatte in von Treuenfels' Namen auch den Satz gepostet, Kemmerich habe „als | |
einziger Vertreter der bürgerlichen und staatstragenden Parteien | |
Verantwortung gezeigt“. Das passte nicht so ganz zusammen. | |
Zumal es in der Praxis nicht weit her war mit der Abgrenzung von der AfD. | |
Die Grünen wiesen wahlkampfwirksam darauf hin, dass die FDP in Hamburg | |
[3][bereits 43 AfD-Anträgen zugestimmt] und sich ebenso oft enthalten | |
hatte, statt dagegen zu stimmen. Erst durch die Welle der Empörung sahen | |
sich die Freidemokrat*innen dazu genötigt, zu versprechen, das künftig | |
nicht mehr zu tun. | |
## FDP habe AfD nicht zu Opfern machen wollen | |
Thüringen sei eine schwere Hypothek, aber im Wahlkampfendspurt habe man | |
sogar Vertrauen von Wähler*innen zurückgewonnen, meinte von Treuenfels nun | |
in der Messehalle. Dass ihre Partei zu spät Fehler eingestanden habe, hält | |
sie für „totalen Quatsch“. Die Zustimmung zu AfD-Anträgen habe die | |
Bürger*innen auf der Straße nicht interessiert. | |
„Das ist ein Ding, das die Grünen hochgezogen haben, um uns aus der | |
Bürgerschaft zu kicken“, mokiert sich von Treuenfels. Sie habe jedoch die | |
AfD nicht in der Opferrolle lassen wollen. Nun freue es sie, dass die | |
rechte Partei womöglich den Einzug ins Parlament verpasst habe. | |
Die Hamburger FDP-Chefin Katja Suding sieht das ähnlich, findet aber | |
deutlichere Worte: „In Zukunft wird das anders laufen“, sagt sie. Natürlich | |
könnte die Abgeordneten selbst entschieden, wie sie abstimmten. „Aber ich | |
würde sagen, das darf nie wieder passieren.“ | |
Den Fehler, sich nach rechts nicht abzugrenzen, hat die Partei in Hamburg | |
schon einmal gemacht. 2001 ging sie mit der CDU eine Koalition mit der | |
Partei Rechtsstaatliche Offensive des Rechtspopulisten Ronald Barnabas | |
Schill ein. Nach dem Scheitern des Bündnisses flog die FDP aus der | |
Bürgerschaft. | |
Für diese Wahl hatten sich die Liberalen Großes vorgenommen: „Wir sind | |
bereit für Regierungsverantwortung!“, twitterte die Partei. Eine | |
„Deutschlandkoalition“ mit SPD und CDU sollte es werden. Doch dank ihres | |
starken Ergebnisses brauchen die Sozialdemokrat*innen die FDP gar nicht, um | |
eine weitere Machtoption neben Rot-Grün zu haben. | |
Nun würde der SPD wohl die CDU allein als Juniorpartnerin reichen – wenn | |
auch nur knapp. Allerdings ist das ohnehin nur eine theoretische Variante. | |
Es gilt als äußerst unwahrscheinlich, dass sich Peter Tschentscher gegen | |
eine Fortsetzung seiner bisherigen Koalition mit den Grünen entscheidet. | |
## Wahlkämpfer mit Fehlern | |
Marcus Weinberg, der Spitzenkandidat der CDU, strahlt auf dem Weg zum | |
nächsten Fernsehinterview Haltung aus. Rücken gerade, freundlicher Blick. | |
Das ist nicht selbstverständlich, bedenkt man, dass er gerade in Hamburg | |
das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten eingefahren hat: knapp über 11 | |
Prozent der Stimmen laut Hochrechnung. Schlechter noch, als es die | |
Meinungsforschungsinstitute vorhersagten. Dort schwankte die Partei | |
zwischen 12 und 17 Prozent. | |
Weinberg sieht viele Ursachen für den christdemokratischen Albtraum: die | |
Konzentration auf Bürgermeister Tschentscher und seine Kontrahentin | |
Katharina Fegebank von den Grünen, die fehlende Großstadtstrategie der CDU | |
und natürlich Thüringen. „Das hat uns wie ein Orkan mehrfach hintereinander | |
zerschlagen“, sagt Weinberg. | |
Er habe an den Ständen gemerkt, dass viele Wähler*innen sowohl mit der Wahl | |
Kemmerichs als auch mit den „späteren Hin-und-Her-Geschichten“ in der | |
Bundes-CDU unzufrieden gewesen seien. Aber Weinberg sieht auch seine eigene | |
Rolle: „Wer wahlkämpft, macht auch Fehler.“ Die würden in der Partei nun | |
analysiert. | |
Weinberg war als Spitzenkandidat ohnehin nur Plan C. Der | |
Bundestagsabgeordnete sprang ein, weil die beiden zunächst vorgeschlagenen | |
Kandidat*innen schwer erkrankten. Der Bundestagsabgeordnete Weinberg will | |
trotz der Niederlage in Hamburg bleiben und nicht den ersten Zug nach | |
Berlin nehmen. „Dabei bleibt es.“ | |
23 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Hamburger-FDP-nach-Thueringen-Debakel/!5658288/ | |
[2] https://twitter.com/AnnaVTreuenfels/status/1225091205706334208 | |
[3] /Hamburgs-FDP-kaempft-um-5-Prozent/!5659559/ | |
## AUTOREN | |
Andrea Maestro | |
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