# taz.de -- Vaterschaft als Ausweisungsgrund: Rassismus von Amts wegen | |
> In Bremen wurde der Antrag eines Mannes auf Aufenthaltserlaubnis | |
> abgelehnt: Er habe diese durch „die Zeugung eines Kindes“ erwirken | |
> wollen. | |
Bild: Für viele Behörden bedeutet Babyglück lediglich „missbräuchliche An… | |
BREMEN taz | Das Stereotyp vom Ausländer, der mit einer deutschen Frau ein | |
Kind zeugt, um damit seine Chancen auf Aufenthalt in Deutschland zu | |
erhöhen, ist leider allzu bekannt – aus dem ABC der Fremdenfeindlichkeit. | |
Mindestens eine Person, die davon Gebrauch macht, arbeitet offenbar im | |
„Referat 24“ der Bremer Innenbehörde. | |
Mit der Begründung, er habe „durch die Zeugung eines Kindes ganz | |
offensichtlich ein Bleiberecht erwirken“ wollen, hat ein | |
Behördenmitarbeiter im Jahr 2017 den Antrag eines Mannes auf eine | |
Aufenthaltsgenehmigung abgelehnt. | |
Das Mandat für den betroffenen jungen Mann, der trotz bestehender | |
Ausweisung in Bremen lebte, hat der Bremer Rechtsanwalt Jan Sürig im | |
vergangenen Jahr übernommen. Als jener „Spitz auf Knopf schon zur | |
Abschiebung abgeholt worden war“, sagt Sürig. Er habe dann ein Eilverfahren | |
angestrengt und dies auch in erster Instanz gewonnen: Sein Mandant lebt | |
seither mit einer Duldung. | |
Bei der Einarbeitung in die Akten sei er auf die rassistisch begründete | |
Ablehnung der Behörde gestoßen, sagt Sürig. Den Antrag auf | |
Aufenthaltserlaubnis hatte der Mann gestellt, weil er Vater geworden war. | |
Das Migrationsamt hatte den Antrag allerdings abgelehnt: Der Mann wurde | |
formal ausgewiesen und erhielt ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von zwei | |
Jahren. Ausgereist ist er aber nicht. | |
## „Trauriges Zeugnis“ | |
Die Begründung des beim Migrationsamt zuständigen Sachbearbeiters Thomas | |
Meier (Name geändert), die auch der taz vorliegt, bezeichnet Sürig als | |
„trauriges Zeugnis eines offenen Rassismus“. Dort heißt es, dass für das | |
„eher kurze Einreise- und Aufenthaltsverbot“ die „bestehende familiäre | |
Lebensgemeinschaft mit Ihrem minderjährigen deutschen Kind“ spreche. | |
Allerdings sei „einschränkend zu Ihren Ungunsten zu berücksichtigen“, dass | |
genau diese familiäre Situation „nur deshalb zustande kam, weil Sie Ihrer | |
bereits seit langem bestehenden Pflicht zur Ausreise aus dem Bundesgebiet | |
nicht nachgekommen sind, sondern durch die Zeugung eines Kindes ganz | |
offensichtlich ein Bleiberecht erwirken wollten, was durch Ihr Begehren zur | |
Erlangung einer Aufenthaltserlaubnis letztendlich bestätigt wird.“ | |
Bedeutet: Die Existenz des Kindes wirkt sich zwar zugunsten des | |
Antragstellers aus, der für das Migrationsamt „offensichtliche“ Grund für | |
die Zeugung dieses Kindes allerdings negativ. | |
Ein so eindeutiger Fall wie dieser ist dem [1][Verband binationaler | |
Familien in Bremen] nicht bekannt – wohl aber das generelle Misstrauen | |
gegenüber binationalen Paaren. Das bestätigt auch die Hannoversche | |
Geschäftsstelle des Verbandes: „Ausgesprochen wird der Verdacht oft, auch | |
in Behörden“, sagt Geschäftsführer Kurt Niemeyer „Aber man bekommt | |
normalerweise keinen schriftlichen Beleg dafür.“ | |
## Keine Antwort auf Beschwerde | |
Im aktuellen Fall liegen die ursprünglichen Gründe für die Ablehnung länger | |
zurück: Sein Mandant, erzählt Sürig, sei „wegen überwiegend als | |
Jugendlicher und Heranwachsender begangener Straftaten“ aus Deutschland | |
ausgewiesen worden. Er habe sich allerdings positiv entwickelt und führe | |
eine glückliche Beziehung zur Mutter seiner mittlerweile zwei Kinder, die | |
in einer anderen Stadt lebt: „Er besucht seine Familie mindestens jede | |
zweite Woche und plant mittlerweile den Umzug dorthin.“ | |
Zuständig für seinen Mandanten ist mittlerweile das bei der Innenbehörde | |
angesiedelte Referat 24. Diese „Zentralstelle Rückführungen“ ist im Jahr | |
2018 ausschließlich zur Abschiebung straffällig gewordener Ausländer*innen | |
installiert worden. Der Sachbearbeiter, der die Ablehnung ausgesprochen | |
hat, arbeitet seither dort. „Es steht zu erwarten, dass ein weiterer Antrag | |
auf eine Aufenthaltserlaubnis natürlich ebenfalls negativ beschieden wird“, | |
sagt Rechtsanwalt Sürig. Schließlich habe sein Mandant ja inzwischen ein | |
zweites Kind gezeugt. „Der Logik von Herrn Meier folgend kann auch das nur | |
negativ bewertet werden.“ | |
Am 7. Dezember vergangenen Jahres hat der Anwalt deswegen eine | |
Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Meier bei der Innenbehörde eingereicht und | |
einen Befangenheitsantrag gestellt. „Bis auf eine Eingangsbestätigung habe | |
ich darauf bis heute keine Antwort erhalten.“ | |
Auf Anfrage der taz antwortete die Behörde allerdings schnell: Für die | |
Begründung des Mitarbeiters „können wir uns nur entschuldigen. Sie war mehr | |
als unglücklich formuliert. Dies ist intern aufgearbeitet worden und wird | |
so nicht mehr vorkommen“, sagt Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin des | |
Innensenators. Abgezogen werde der betreffende Mitarbeiter allerdings | |
nicht. Die Behörde werde Sürig „in den nächsten Tagen“ antworten. | |
Für Nazanin Ghafouri vom [2][Bremer Flüchtlingsrat] ist diese Distanzierung | |
des Innenressorts heuchlerisch. Der Flüchtlingsrat habe sich oft mit dieser | |
Art von Rassismus in Behörden auseinandersetzen müssen: Als exponiertes | |
Beispiel nennt sie einen Mitarbeiter beim Standesamt Nord, der schon oft | |
ähnliche Unterstellungen gemacht habe. „Dem Innenressort ist das bekannt“, | |
sagt Ghafouri. | |
Problematisch seien nicht nur die vielen Einzelfälle, sondern der | |
strukturelle Rassismus: Schließlich gibt es im [3][Bürgerlichen Gesetzbuch | |
den Paragrafen 1597a], der sich mit der „missbräuchlichen Anerkennung der | |
Vaterschaft“ beschäftige. „Dieser Paragraf ist an sich schon rassistisch, | |
er richtet sich nur gegen Schwarze und People of Colour“, sagt Ghafouri. | |
Denn zu den „Anhaltspunkten“, bei denen eine solche „missbräuchliche | |
Anerkennung“ behauptet wird, gehören ein laufender Asylantrag eines | |
Elternteils oder eine Duldung. Ob die Unterstellungen von Behörden nun | |
schriftlich oder mündlich an die Betroffenen herangetragen würden, sei | |
nachrangig: „Wir müssen nicht mehr nach Beweisen suchen. Die Beweise für | |
strukturellen Rassismus sind längst da.“ | |
Sürig freut sich, dass in Bremen auf Initiative der Innenbehörde eine | |
ressortübergreifende [4][„Task Force“ zur Früherkennung potenzieller | |
rechter Gewalttäter] eingerichtet wurde. „Aber wo bleibt die Sensibilität | |
für rassistisches Gedankengut im eigenen Haus?“ | |
28 Feb 2020 | |
## LINKS | |
[1] http://www.iaf-bremen.de/ | |
[2] https://www.fluechtlingsrat-bremen.de/ | |
[3] https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__1597a.html | |
[4] /Task-Force-und-Sokos-gegen-rechts/!5664442 | |
## AUTOREN | |
Simone Schnase | |
Lotta Drügemöller | |
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