| # taz.de -- Urteil zur Sterbehilfe: Ärzte brauchen Rückhalt | |
| > Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe ist richtig. | |
| > Jetzt kommt es auf die Ausgestaltung durch Ärztekammer und Gesetzgeber | |
| > an. | |
| Bild: Durch das Urteil zur Sterbehilfe muss auch das Berufsrecht von Ärzten un… | |
| Das Urteil des [1][Bundesverfassungsgerichts] zur [2][Sterbehilfe] ist | |
| richtig und mutig. Gerade weil sich aus den Folgen dieses Urteils nicht | |
| weniger, sondern mehr ethische Debatten ergeben. Die RichterInnen haben | |
| nicht versucht, das Thema zu befrieden, was ein Scheinfrieden gewesen wäre. | |
| Stattdessen wurde der Raum weit geöffnet für die Ambivalenzen, die | |
| dazugehören zum Grenzbereich zwischen Leben und Tod. Hierfür neue Regeln zu | |
| finden, das wird die Aufgabe sein, und das ist gut. | |
| Das im Grundgesetz festgelegte Recht auf Selbstbestimmung schließt das | |
| Recht auf einen Suizid ein. Eine professionelle Hilfe zu einem solchen Akt | |
| der Selbstautonomie darf laut Urteil daher nicht mehr generell untersagt | |
| werden. Der Paragraf 217 im Strafrecht, der die „geschäftsmäßige“ Hilfe … | |
| Suizid unter Strafe stellt, sei „nichtig“, weil er die Möglichkeiten einer | |
| assistierten Selbsttötung „faktisch weitgehend entleert“, heißt es in dem | |
| Urteil. | |
| Die Freiheit, eine [3][Beihilfe zum Suizid] in Anspruch zu nehmen, | |
| erfordere eine „konsistente Ausgestaltung des Berufsrechts der Ärzte und | |
| der Apotheker“ und „möglicherweise auch Anpassungen des | |
| Betäubungsmittelrechts“. Der Gesetzgeber und die Bundesärztekammer werden | |
| damit unter Handlungsdruck gestellt – zu Recht. | |
| Die Frage lautet, wie die konkrete Ausgestaltung der ärztlichen Beihilfe | |
| zum Suizid nun aussehen könnte. Es wäre sinnvoll, sich an Staaten zu | |
| orientieren, die eine solche Sterbehilfe bereits gewähren wie etwa die | |
| Niederlande, Belgien, der US-Staat Oregon. | |
| Man sollte die Regel aufstellen, dass mindestens zwei voneinander | |
| unabhängige ÄrztInnen über die Sterbehilfe entscheiden und ein unabhängiger | |
| Zeuge dabei sein muss, vor dem der oder die PatientIn seinen Willen | |
| erklärt. Die PatientInnen müssten zuvor über alle Möglichkeiten der | |
| schmerzlindernden Medizin aufgeklärt werden. Es muss auch eine gewisse | |
| Frist geben zwischen der Äußerung des Sterbewunsches und dem Verschreiben | |
| eines todbringenden Medikaments. | |
| Auch die Bundesärztekammer steht bei der Entwicklung dieser Regularien in | |
| der Pflicht. Sie muss davon abkommen, die ärztliche Beihilfe zum Suizid wie | |
| bisher standesrechtlich zu verbieten und dabei mit dem Entzug der | |
| Approbation zu drohen. Das Bundesverfassungsgericht hat erklärt, dass die | |
| Beihilfe zum Suizid nicht an das Vorliegen einer unheilbaren tödlichen | |
| Krankheit geknüpft sein darf. Das heißt aber nicht, dass für ÄrztInnen | |
| keine Leitlinien entwickelt werden können. Kein Arzt ist dazu verpflichtet, | |
| Suizidbeihilfe zu leisten, auch das steht im Urteil. | |
| Man könnte sich darüber verständigen, dass ein schweres [4][aussichtsloses | |
| Leiden] erkennbar sein muss. Bei SeniorInnen mit hohem Pflegeaufwand, die | |
| vielleicht von außen unter Druck stehen könnten, muss allergrößte Vorsicht | |
| gelten. Menschen mit psychiatrischen Diagnosen sollten von der Beihilfe zum | |
| Suizid ausgeschlossen werden. | |
| Solche Richtlinien zu entwickeln ist unbequem, produziert Fragwürdigkeiten, | |
| Grenzfälle. Die Gefahr besteht, dass nichts passiert, weil niemand in | |
| moralisches Zwielicht geraten möchte. Doch wenn die allermeisten ÄrztInnen | |
| die Sterbehilfe weiterhin ablehnen, auch weil sie um ihre Approbation | |
| fürchten, dann können sich Schwerstkranke in Zukunft nur an | |
| Sterbehilfevereine wenden. Diese vermitteln dann an bestimmte ÄrztInnen in | |
| der Schweiz oder vielleicht bald auch in Deutschland, wo einige | |
| Landesärztekammern die Sterbehilfe auch jetzt schon nicht untersagen. Das | |
| Image der Sterbehilfevereine und der damit verbundenen ÄrztInnen, die | |
| dubiose Geschäfte mit dem Tod machen, würde aber dadurch möglicherweise | |
| verfestigt und die Sterbehilfe wieder in eine Art Schmuddelecke gesteckt, | |
| in die sie absolut nicht gehört. | |
| Bundesärztekammer und der Gesetzgeber müssen deshalb handeln. Das Thema | |
| gehört in die Mitte der Gesellschaft und nicht an den Rand. | |
| 29 Feb 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2020/0… | |
| [2] /Grundsatzurteil-zu-Sterbehilfe/!5666895 | |
| [3] /Verfassungsgericht-entscheidet/!5666727 | |
| [4] /Diskussion-um-Sterbehilfe/!5644966 | |
| ## AUTOREN | |
| Barbara Dribbusch | |
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