# taz.de -- Nach Sterbehilfe-Urteil: Suizidassistenz kommt | |
> Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts: Dignitas und die Gesellschaft | |
> für Humanes Sterben stellen ein Beratungstelefon für Sterbewillige vor. | |
Bild: Machte den Weg frei: Vorsitzender Richter Andreas Voßkuhle vom Bundesver… | |
BERLIN taz | Der Name klingt ein bisschen gruselig: „[1][Schluss.Punkt]“ | |
heißt die neue telefonische Beratungsstelle des Vereins [2][Dignitas] und | |
der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben [3][(DGHS)], an die sich | |
Menschen in schwersten Notlagen und Suizidwillige ab sofort wenden können. | |
Die unentgeltliche Hotline soll eine unentgeltliche „ergebnisoffene | |
Beratung“ anbieten, erklärte Sandra Martino, erste Vorsitzende von Dignitas | |
Deutschland, am Montag in Berlin. | |
Dignitas und die DGHS wollen ihre Aktivitäten in Deutschland ausbauen, | |
nachdem das Bundesverfassungsgericht das Verbot der „geschäftsmäßigen“ | |
Sterbehilfe in Deutschland im Paragrafen 217 am Dienstag vergangener Woche | |
mit einem Grundsatzurteil aufgehoben hat. Die Beratungsstelle werde | |
Hilfesuchende über alle zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen, auch | |
über die „Alternativen zur Selbsttötung“ aufklären, betonte Martino | |
jedenfalls. | |
Dignitas Deutschland mit Sitz in Hannover ist der Ableger des gleichnamigen | |
[4][Vereins] mit Hauptsitz in der Schweiz. Menschen, die einen Suizid | |
erwägen, werden erst Vereinsmitglieder und bekommen dann einen Arzt in der | |
Schweiz vermittelt, der ihnen nach Sichtung der Krankenberichte und | |
ausführlicher Konsultation seine Bereitschaft erklärt, zu einem | |
festzulegenden Zeitpunkt das todbringende Medikament Natrium-Pentobarbital | |
zu verschreiben. Dieses wird dann unter Aufsicht von sogenannten | |
FreitodbegleiterInnen eingenommen. | |
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist eine solche ärztliche | |
Beihilfe zum Suizid nun auch in Deutschland grundsätzlich möglich, es | |
müssen sich allerdings Ärzte finden, die das machen. Bisher verbietet die | |
Berufsordnung der Landesärztekammern in einigen Bundesländern die Beihilfe | |
zum Suizid, in Bundesländern wie Berlin und Baden-Württemberg allerdings | |
gibt es ein solches berufsrechtliches Verbot nicht. | |
## Ärzte stehen bereit | |
Robert Roßbruch, Vizepräsident der DGHS berichtete, bei seiner Gesellschaft | |
hätten sich Ärzte gemeldet, die bereit seien, in Deutschland Suizidhilfe zu | |
leisten, darunter auch Ärzte aus Bundesländern ohne ein berufsrechtliches | |
Verbot der Sterbehilfe. | |
Ungeklärt ist noch die Medikamentenfrage. In der Schweiz wird das | |
Medikament Natrium-Pentobarbital in der Suizidassistenz verwendet, das in | |
Deutschland nur zum Einschläfern von Tieren zugelassen ist. Das | |
Bundesverwaltungsgericht hat geurteilt, dass das Medikament in Fällen | |
schwersten Leidens an Schwerstkranke abgegeben werden müsse. Dies wird aber | |
noch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn blockiert. Ärzte in | |
Deutschland griffen bei der Sterbehilfe in der Vergangenheit auf andere | |
Medikamentenmischungen zurück. | |
An konkreten Vorbedingungen, die vorliegen müssten, damit ein Arzt | |
Suizidbehilfe gewährt, nannten Dignitas und die DGHS nur die | |
„Freiverantwortlichkeit“ des Suizidwilligen, die klar festgestellt sein | |
müsste. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte geurteilt, die Beihilfe zum | |
Suizid dürfe beispielsweise nicht an das Vorliegen einer tödlichen | |
Krankheit geknüpft sein. | |
Kritiker fürchten einen „Dammbruch“ bei Suiziden und dass etwa | |
Hochgebrechliche auch aus Geldgründen von Angehörigen unter Druck gesetzt | |
werden könnten, sich mit ärztlicher Hilfe umzubringen. Roßbruch widersprach | |
dem und erklärte, die Erfahrung aus Ländern mit liberalen | |
Sterbehilferegelungen zeige, dass eher Menschen aus wohlhabenden und | |
gebildeten Bevölkerungsgruppen die Suizidbeihilfe in Anspruch nehmen. | |
Derzeit stellt sich die Frage, ob und wie die Bundesregierung noch den | |
Versuch startet, ein neues Gesetz zur Sterbehilfe zu erarbeiten. Jens Spahn | |
hatte vage „politische Gespräche“ zum Thema angekündigt. Die | |
[5][Bundesärztekammer] wiederum sieht die Bundesregierung in der Pflicht | |
für eine neue Regelung, kündigte aber eine interne Diskussion über die | |
unterschiedlichen standesrechtlichen Regelungen zur Suizidbeihilfe an. | |
2 Mar 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.schluss-punkt.de/ | |
[2] http://www.dignitas.de/ | |
[3] https://www.dghs.de/ | |
[4] http://www.dignitas.ch/ | |
[5] https://www.bundesaerztekammer.de/presse/pressemitteilungen/news-detail/rei… | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
## TAGS | |
Sterbehilfe | |
Bundesverfassungsgericht | |
Ärztlich assistierter Suizid | |
Suizidhilfe | |
Sterbehilfe | |
Ärztlich assistierter Suizid | |
Gesundheitspolitik | |
Bundesverfassungsgericht | |
Sterbehilfe Deutschland | |
Ärztlich assistierter Suizid | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Suizidhilfe und Justiz: Arzt wegen Sterbehilfe angeklagt | |
Dürfen Mediziner psychisch Kranken beim Suizid helfen? Dafür steht jetzt in | |
Berlin ein ehemaliger Hausarzt vor dem Landgericht. | |
Sterbehilfe und Gesetze: „Ermöglichen, nicht fördern“ | |
Eine Gruppe Abgeordneter legt einen Gesetzentwurf zur Suizidassistenz vor. | |
Sterbehilfevereine könnten unter Druck geraten. | |
Streit um assistierten Suizid in Pflegeheim: Tod auf Bestellung | |
Ein Sterbehilfeverein hat in einem Pflegeheim bei einem assistierten Suizid | |
geholfen, ganz legal. Palliativmediziner befürchten einen Präzedenzfall. | |
Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts: ÄrztInnen ringen um Sterbehilfe | |
Sterbehilfe ist zukünftig erlaubt. Für ÄrztInnen bedeutet das womöglich | |
eine Anpassung ihres Berufsrechts, das Suizidhilfe eigentlich verbietet. | |
Urteil zur Sterbehilfe: Ärzte brauchen Rückhalt | |
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Sterbehilfe ist richtig. Jetzt | |
kommt es auf die Ausgestaltung durch Ärztekammer und Gesetzgeber an. | |
Grundsatzurteil zu Sterbehilfe: „Akt autonomer Selbstbestimmung“ | |
Das Bundesverfassungsgericht kippt das Verbot der „geschäftsmäßigen Hilfe | |
zur Selbsttötung“. Suizidhilfe-Vereine können wieder legal arbeiten. | |
Karlsruhe urteilt zur Suizidhilfe: Viel radikaler als erwartet | |
Das Urteil schafft ein Recht auf einen milden Suizid mit Begleitung. Für | |
die braucht es jetzt Mindeststandards. |