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# taz.de -- Die CDU und ihr Verhältnis zur AfD: Kein Messias, nirgends
> Egal wer Vorsitzender wird: Entscheidend für die CDU ist ihr Verhältnis
> zur AfD. Und hier bahnt sich ein grundlegender Konflikt an.
Bild: Merz’ Hybris ist offenbar größer als seine analytischen Fähigkeiten
Friedrich Merz ist nicht der Messias, der die CDU retten wird. Der
Heilsglaube, den viele Christdemokraten hegen, ist ein grandioses
Missverständnis. Merz, so denken seine Anhänger, verhelfe der CDU mit
markigem Konservatismus zu alter Größe, indem er die AfD schrumpfe. Er
selbst behauptet, er werde die Rechtsradikalen „halbieren“. Aber wie soll
das eigentlich gelingen?
Merz’ Hybris ist offenbar größer als seine analytischen Fähigkeiten. Denn
sehr viele AfD-WählerInnen, das zeigen Befragungen, teilen das Weltbild der
AfD. Sie sind nicht aus Protest dabei, sondern aus Überzeugung. Sie sehnen
sich nach autoritären Strukturen, halten Menschen mit Migrationshintergrund
für gefährlich und Europa für eine böse Krake. Bei der AfD finden Rassisten
eine Heimat, die sich selbst für bürgerlich halten und zuvor mangels
Alternative gar nicht oder andere Parteien wählten.
Auch ein [1][CDU-Vorsitzender Merz] könnte solchen Leuten kein Angebot
machen, weil sich das für eine Volkspartei verbietet, die fest auf dem
Boden von Grundgesetz und Rechtsstaat steht. Merz grenzt sich jetzt schon
offensiv gegen die AfD ab, und er würde es weiter tun. Warum aber sollten
AfD-WählerInnen einen konservativen Demokraten gut finden, der das ihnen
verhasste System repräsentiert?
Zudem ist erwiesen, dass sich die AfD nicht schrumpfen lässt, indem man
ihre Sprüche kopiert. Markus Söder betätigte sich vor der bayerischen
Landtagswahl 2018 als Westentaschenpopulist. Erst als ihm die WählerInnen
scharenweise wegliefen, zur AfD, aber vor allem zu den Grünen, schaltete er
auf den modernen, ökologisch angehauchten Konservatismus um, mit dem er bis
heute gut fährt. Söder hat erkannt, dass eine nach rechts gerückte CSU in
der Mitte mehr verliert, als sie am Rand gewinnt.
## Eine Spaltung ist nicht ausgeschlossen
In Ostdeutschland verfügt die AfD über ein besonders stabiles Fundament,
auch deshalb, weil hier Jahrzehnte bundesrepublikanischer
Demokratieerfahrung fehlen, weil Kränkungsgefühle verbreitet sind und die
Menschen praktisch erlebt haben, wie schnell Systeme wechseln können. Die
Vorstellung, dieses Fundament mit einem im Sauerland gelernten,
westdeutschen Konservatismus zu zertrümmern, ist weltfremd. Viele
ostdeutsche AfD-WählerInnen „sind eher Ost- als WesteuropäerInnen, eher
Orbán als Seehofer“, stellte die Zeit kürzlich zu Recht fest. Dem ist mit
Marktliberalismus und Mackertum nicht beizukommen. Diese Leute wollen keine
Steuersenkungen, sondern ein anderes Land.
Die bittere Wahrheit lautet deshalb: Die CDU wird mit der AfD leben müssen,
egal ob der Vorsitzende Merz, Laschet, Spahn [2][oder Röttgen] heißt. Und
das Problem, das sie hat, ist dramatischer als die Frage, wer das Rennen um
den Chefposten macht. Der entscheidende Konflikt ist ein inhaltlicher.
Abschottung zur AfD oder Umarmung? Nationalismus oder nicht? Im Bund ist
die Haltung klar. Aber in ostdeutschen Landesverbänden fänden es viele
richtig, mit der AfD zu kooperieren. Abgeordnete des rechten Flügels halten
den Berliner Unvereinbarkeitsbeschluss für falsch. Und sie müssen sich
daheim im Wahlkreis anhören, wie verrückt das Kooperationsverbot sei.
Das [3][Thüringen-Debakel] war auch Ausdruck dieser Denkströmung in der
ostdeutschen CDU. Und es hat gezeigt, wie schwach die Bundespartei im
Zweifel ist. Was passiert nach der Wahl in Sachsen-Anhalt nächstes Jahr?
Teile der CDU sind in der Koalition mit den Grünen sehr unglücklich,
Spitzenleute warben offen für den Dialog mit der AfD.
Es ist ein Streit, der sich eigentlich nicht lösen lässt. Durch keine
Personalie, keinen Kompromiss. Der CDU droht eine jahrelange Hängepartie
mit einem Konflikt, der immer wieder aufbricht. Auch das Szenario einer
Spaltung ist nicht ausgeschlossen, in eine konservative Kraft der Mitte und
eine rechtsnationale AfD light. Man muss kein CDU-Fan sein, um das für eine
sehr schlechte Nachricht zu halten. Für die Union, das Land und die
Demokratie.
23 Feb 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Ulrich Schulte
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