# taz.de -- Europapolitik der CDU: Kein Rückenwind aus Berlin | |
> Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft ist nicht gefährdet, selbst wenn die | |
> GroKo zerbricht. Was schlimmer ist: In der CDU brennt kaum noch wer für | |
> Europa. | |
Bild: Angela Merkel: Die EU würde ihren Gang in den Ruhestand verschmerzen kö… | |
Das waren noch Zeiten, als eine EU-Ratspräsidentschaft etwas Besonderes | |
war. In den 1970ern erfunden, sollten die halbjährlichen europäischen | |
Sitzungen der Staats- und Regierungschefs, Europa zur „Chefsache“ machen. | |
Jeder Staatschef durfte Gastgeber sein und den EU-Rat in einer mit bunten | |
Fähnchen geschmückten Stadt ausrichten. | |
Legendär der EU-Gipfel in Fontainebleau 1983, als François Mitterand | |
triumphierend verkündete, alle Probleme Europas seien gelöst. Ebenso | |
legendär die europäische Ratssitzung in Hannover 1988, als die | |
Währungsunion ausbaldowert wurde. Kurz: EU-Ratssitzungen waren spannende | |
Ereignisse, vor allem, wenn sie in den Ländern des europäischen Tandems | |
stattfanden. Dann erwartete man einen Durchbruch bei großen Themen: | |
Binnenmarkt, Währungsunion, Osterweiterung. | |
Später wurde der europäische Städtereigen eingestellt, die EU war lästige | |
Gewohnheit geworden. Ratssitzungen bekamen eine schale | |
Technokratie-Grundierung. Zähe Dossiers – Osterweiterung, Außen- und | |
Sicherheitspolitik, geplante Beitritte – wurden von Land zu Land | |
weitergereicht wie heiße Kartoffeln. Zufrieden war man schon, wenn ein | |
EU-Rat halbwegs geschlossen auf aktuelle Ergebnisse wie den Krieg in | |
Georgien 2008 reagieren konnte. Oder wenn Dauerkonflikte wie der | |
EU-Haushalt oder der Streit über die Stimmengewichtung – halbwegs ohne | |
Schaden befriedet werden konnten. | |
Gerade dort hat die europapolitisch zwar gänzlich unvisionäre, aber | |
verlässliche Angela Merkel Moderationsgeschick bewiesen und konnte die | |
zankenden Staatschefs meist noch auf einen Kompromiss verpflichten. | |
Emotionen für Europa sind dabei seit Langem nicht mehr aufgekommen. EU-Räte | |
haben Pflichtübungscharakter, und wer ein Netzwerk hat, bekommt die vom | |
Brüsseler Beamtenapparat glattgebügelten Schlussfolgerungen meist schon am | |
Vortag. | |
So gesehen dürfte die aktuelle [1][Führungskrise der CDU], die das | |
Potenzial zur Regierungskrise hat, die turnusmäßig in der zweiten | |
Jahreshälfte 2020 stattfindende deutsche EU-Ratspräsidentschaft nicht allzu | |
zu arg in Mitleidenschaft ziehen. Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft hat | |
nach jetzigen Planungen zwei große Themen: Die Durchführung eines | |
EU-China-Gipfels und die Verabschiedung des nächsten EU-Haushalts. Sie wird | |
die deutsche Führungskrise überleben: Die Eckpunkte des Budgets sind | |
bereits festgezurrt, beim China-Gipfel werden sich Xi Jinping und Ursula | |
von der Leyen die Hände schütteln. Für die avisierte große | |
EU-Zukunftskonferenz interessiert sich der Rat eh nicht. | |
Zwar wäre eine erfahrene Angela Merkel ein Asset, um die EU in sehr | |
bewegten Zeiten noch einmal durch die schmale Spurrille von | |
Budgetverhandlungen zu lotsen. Aber Brüssel hat viele kluge Köpfe und | |
Akteure. Selbst wenn die [2][Groko] vor dem Sommer reißen sollte, wäre die | |
EU nicht führungslos. | |
Natürlich wäre es gut, das größte und wichtigste europäische Land hätte | |
während seiner EU-Ratspräsidentschaft eine stabile Regierung, eine | |
unumstrittene Führungspersönlichkeit und vielleicht sogar noch Ideen oder | |
Ambitionen für Europa. Doch das eigentliche Problem liegt anderswo. Was der | |
EU auf Dauer viel mehr zu schaffen machen dürfte, ist, dass die einstige | |
Europa-Partei von Konrad Adenauer und Helmut Kohl niemanden mehr hat, außer | |
dem klar in der rheinischen CDU-Tradition stehenden Armin Laschet – der | |
oder die sichtbar und lautstark für Europa eintritt. | |
Weswegen ausgerechnet CDU-Frau von der Leyen als [3][deutsche | |
Kommissionspräsidentin] bei ihrem Bemühen, der gebeutelten EU eine Zukunft | |
zu verschaffen, derzeit ohne merklichen deutschen Rückenwind dasteht. Eine | |
Tragödie, aus der Deutschland nur herausfinden könnte, wenn entweder die | |
CDU sich wieder auf ihre europäischen Wurzeln besinnt; oder die Grünen das | |
Kanzleramt erobern. | |
Ulrike Guérot ist Professorin für Europapolitik an der Donau-Uni Krems | |
15 Feb 2020 | |
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