# taz.de -- EU-Grenzpolitik: Keine Rechte für Flüchtlinge | |
> Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte billigt Pushbacks von | |
> afrikanischen Flüchtlingen. Damit nimmt es ihnen viele Rechte. | |
Bild: Das Überwinden von Zäunen in Melilla verschafft Geflüchteten keinen Zu… | |
Flüchtlinge, die in großer Zahl am falschen Ort und mit Gewalt versuchen, | |
auf spanisches Gebiet zu gelangen, können ohne Prüfung möglicher | |
Fluchtgründe sofort wieder abgeschoben werden. Spanien verletzt bei diesen | |
sogenannten Pushbacks nicht das Verbot der ungeprüften Kollektivausweisung. | |
Das entschied jetzt einstimmig die 17-köpfige Große Kammer des Europäischen | |
Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Sie korrigierte damit das ebenfalls | |
einstimmige Urteil der siebenköpfigen Kammer des Gerichtshofs, die 2017 zum | |
gegenteiligen Schluss gekommen war. | |
Im August 2014 versuchten rund 500 überwiegend afrikanische Flüchtlinge die | |
Zäune der spanischen Enklave Melilla in Nordafrika zu stürmen. Rund 75 von | |
ihnen gelangten schließlich bis zum innersten von drei bis zu 6 Meter hohen | |
Zäunen. Sie wurden von der Polizei von diesen Zäunen heruntergeholt und | |
ohne Prüfung der Identität oder einer näheren Anhörung sofort zurück nach | |
Marokko eskortiert. | |
Zwei der Betroffenen – einer aus Mali, der andere aus der Elfenbeinküste – | |
klagten daraufhin gegen die sofortige, prüfungslose Abschiebung. Sie wurden | |
bei dieser strategischen Klage vom European Center for Constitutional and | |
Human Rights (ECCHR) in Berlin unterstützt. | |
## Keine Garantie von Rechtsmitteln | |
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschied nun, dass sich | |
Ausländer, die kollektiv und mit Gewalt versuchen, sich Zugang nach Europa | |
zu verschaffen, weder auf das Verbot der Kollektivausweisung berufen können | |
noch auf die Garantie von Rechtsmitteln. | |
Spanien habe genügend legale Zugänge zu einem Asylverfahren angeboten. So | |
hätten die Männer an einem Grenzpunkt ebenso einen Antrag stellen können | |
wie etwa in einem 13 Kilometer entfernten Konsulat. Außerdem hätten sie | |
Arbeitsvisa beantragen können, hieß es weiter. Die Männer hätten dem | |
Gerichtshof zufolge nicht nachgewiesen, dass sie dies versucht hätten. In | |
der Verhandlung hatten die Anwälte der Männer dann argumentiert, dass die | |
marokkanische Polizei dunkelhäutige Männer gar nicht zum Grenzposten | |
durchlasse. Der Gerichtshof betonte in diesem Verfahren, dass das Verhalten | |
der marokkanischen Polizei nicht Spanien zuzurechnen sei. | |
Wolfgang Kaleck, Generalsekretär des European Center for Constitutional and | |
Human Rights, hält das Urteil für eine „ganz schlimme Entscheidung“. Kale… | |
zufolge, ignoriere das Urteil die Realität an Europas Grenzen, vor allem | |
die Situation für subsaharische Flüchtlinge an der Grenze von Marokko und | |
Spanien. | |
Organisierte Anstürme auf Zäune von Flüchtlingen – wie sie in Melilla | |
mehrfach im Jahr stattfanden – werden mit dieser Entscheidung tatsächlich | |
sinnlos, da sie keinen Zugang zu einem Asylverfahren in Europa mehr | |
verschaffen. Allerdings muss Spanien nun beweisen, dass es tatsächlich | |
legale Zugänge für Schutzbedürftige gibt und diese auch genutzt werden | |
können. | |
13 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Melilla | |
Afrikanische Flüchtende | |
Asylverfahren | |
Spanien | |
Schwerpunkt Flucht | |
EU-Flüchtlingspolitik | |
Reiseland Spanien | |
Schwerpunkt Flucht | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Spaniens Grenze zu Marokko: Rund 470 Pushbacks an einem Tag | |
Die Grenzpolizei hat im Juni Flüchtlinge zurück nach Marokko gedrängt. Laut | |
einer Untersuchung missachtete sie dabei oft internationales Recht. | |
Arbeitsvisa für Menschen aus Afrika: Immerhin ein Vorschlag | |
Europa hat AfrikanerInnen oft legale Wege zur Migration in Aussicht | |
gestellt, aber nie gehandelt. Jetzt bewegt sich was. | |
Konzerne profitieren von EU-Grenzen: Das Geschäft mit den neuen Mauern | |
Die EU mauert sich immer mehr ein, zeigt eine Studie. Rüstungskonzerne | |
freuen sich über öffentliche Gelder für Drohnen, Schiffe und Stacheldraht. | |
Die spanische Stadt El Ejido: Wo Tomaten im Winter reifen | |
„Das Wunder von Almería“ nennen die Einwohner die niedrige Arbeitslosigkeit | |
in ihrer Stadt. Die ist reich, rechts und ausländerfeindlich. | |
Flucht und Migration nach Europa: Der andere Weg nach Spanien | |
58 Menschen aus Gambia sind vor der Küste Mauretaniens beim Kentern ihres | |
Bootes ertrunken. Sie waren unterwegs zu den Kanarischen Inseln. |