| # taz.de -- US-Garagenrock von Mikal Cronin: Vorwärts, weitermachen | |
| > Musikgeschichtlich bestens informiert: Mikal Cronin aus der | |
| > kalifornischen Garagenrockszene spielte mitsamt Band in Berlin. | |
| Bild: Geschichtsbewusster Garagenrocker: Mikal Cronin | |
| Im Rockkonzert gewesen. Getanzt. Was jetzt zugegebenermaßen die Lage der | |
| Welt ganz allgemein und die musikalische Situation im Besonderen auch nicht | |
| erklärt. | |
| Aber so etwas Bewegung wenigstens, im Tanzen, das ist doch schon mal was. | |
| Und vielleicht wollen die auf der Bühne das auch gar nicht oder nicht mehr: | |
| irgendwas bedeuten. Immer irgendwas beweisen müssen mit ihrer Musik. | |
| Was an dem Abend hätte bewiesen werden können: dass man auch mit einer, nun | |
| ja, wertkonservativen Herangehensweise an die Musik sich im Indierock doch | |
| vorn einordnen darf. Als Gewährsmann stand an diesem Mittwochabend Mikal | |
| Cronin auf der Bühne, der wohl, schaute man sich im Saal um, eher als | |
| Geheimtipp gelten muss oder einfach noch nicht so bekannt ist. Jedenfalls | |
| zeigte sich die Berliner Kantine am Berghain beim Blick ins Publikum arg | |
| zahnlückig besetzt. | |
| Mikal Cronin ist sonst viel mit [1][Ty Segall] unterwegs und zählt somit | |
| zur Garagenrockszene aus Kalifornien mit so Bands wie den Oh Sees, White | |
| Fence, Wand und all den anderen, die schon der Meinung sind, dass man die | |
| Musik auch in diesem Jahrtausend noch so hemdsärmlig machen kann und darf, | |
| wie sie eben früher in dem vorherigen Jahrtausend gemacht wurde. | |
| ## Fingerzeig in die Vergangenheit | |
| Ende des vergangenen Jahres hat Mikal Cronin mit „Seeker“ ein neues Album | |
| vorgelegt, sein viertes, über das in den Kritiken dann eben zu lesen war, | |
| dass es so klinge, als wäre es – beklatscht von der Kritik und beliebt bei | |
| der Hörerschaft – in den späten siebziger Jahren veröffentlicht worden. Und | |
| mit diesem Fingerzeig in die Vergangenheit klingt so ein Lob immer | |
| irgendwie nach einem „Gut, aber …“ | |
| Dabei ist natürlich auch dem Mittdreißiger Mikal Cronin klar, dass man auf | |
| den Kalendern nicht mehr die 70 stehen hat. Das ist wirklich lange her, | |
| jedes Geschichtsbewusstsein legt einem das nahe. Mit diesem Wissen aber | |
| weiß man halt andererseits auch von den guten Geistern von einst, die doch | |
| weiter verführerisch herumtänzeln mit ihrer Musik – und die man dann eben | |
| gern für ein paar Melodiefitzelchen hereinbitten darf in die eigenen | |
| Lieder, sodass es dort mal nach Neil Young klingt oder da nach den Beatles, | |
| was Mikal Cronin auf „Seeker“ in dem Song „I’ve got reason“ pfiffiger… | |
| gleich so orchestrierte, dass er die Beatles mit dem Grunge-Rock von | |
| Nirvana konfrontierte. Eine kleine psychedelische Pop-Perle, die – | |
| zerzauster – auch in der Kantine zu hören war, wo die üppigeren | |
| Arrangements des Albums live auf ein strengeres Rockformat verdichtet | |
| waren. | |
| Alles etwas härter und ruppiger, nur Gitarre, Bass und das die Sache stets | |
| voranpeitschende Schlagzeug. So streckten und räkelten sich die Lieder in | |
| einer zähen Geschmeidigkeit. | |
| Und wenn zwischendurch manches Singer-Songwriter-mäßig matt zu lang in den | |
| Seilen zu hängen drohte, scheuchte das das Schlagzeug raus und holte die | |
| Musik wippend auf die Füße und machte sie wieder locker in der Hüfte. Und | |
| das machte dann das Publikum eben auch und wippte mit. Retro? Eher ein | |
| Vorwärts und nicht vergessen, weitermachen. Bitte sehr: Rockmusik. | |
| Vergangenheitssatt, gegenwärtig. | |
| Es muss schon einen Grund gehabt haben, dass man am Schluss dieses | |
| Konzertes so richtig gute Laune hatte. | |
| 13 Feb 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Thomas Mauch | |
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