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# taz.de -- Musik aus Madrid: Fast immer ein Bier in der Hand
> Das spanische Quartett Hinds wird für seinen Garage-Sound gefeiert – auf
> dem Debütalbum „Leave Me Alone“ zählt die Haltung der Musikerinnen.
Bild: Madrilenische Slackerinnen: Das spanische Pop-Quartett Hinds.
Vielleicht klären wir gleich zu Beginn mal die Frage nach der Aussprache.
Wenn im Folgendem von dem spanischen Frauenquartett Hinds die Rede ist, so
sprechen wir – lautsprachlich – von den „Hainds“ mit stimmhaftem „d�…
wenn wir von dieser Band sprechen – deren Name aus dem Englischen übersetzt
weibliche Hirsche bezeichnet –, so reden wir damit vom ersten neuen
Popphänomen des noch jungen Jahres, das Beachtung verdient.
Hinds sind vier Madrileninnen, alle um die Mitte zwanzig, um die es einen
Hype mit Ansage gibt. Als Ana Perrote, Carlotta Cosials, Ade Martin und
Amber Grimbergen im vergangenen Jahr um die Welt tourten, wurden sie mit
ihrem krachigen LoFi-Sound mit oft mehrstimmigen Gesang zu
Kritikerlieblingen.
Kein Wunder, denn da standen Musikerinnen auf der Bühne, die unbeschwert
und aufgedreht losrockten und die einen so simplen wie genialen
Rock-’n’-Roll-Spirit verkörperten. Seit einem halben Jahr wurde das
Debütalbum bereits angekündigt, vergangene Woche nun erschien „Leave Me
Alone“.
## Bewusst unperfekt
Wenn man die zwölf Stücke hört, wird man kein Klangelement entdecken, das
in irgendeiner Form neu wäre. Im Gegenteil, da klingt eine Melange aus
Sixties-Psychedelic- und Surfsound, Garage-Rock und ein bisschen
Slacker-Indierock à la Pavement an. Da ist jene Art von bewusst unperfekter
Musik zu hören, die in den vergangenen Jahren von etlichen Künstlern
wiederentdeckt wurde. Bands wie Of Montreal oder The Growlers und Künstler
wie Mikal Cronin oder Ty Segall.
Die Hinds, von Perrote und Cosials 2011 zunächst als Duo (damals noch als
männliche Hirsche, Deers) gegründet, machen da grundsätzlich nichts anders.
Da ist dieser leicht verzerrte Sound und die schrammeligen Akkorde der
Rhythmusgitarre, da ist das schräge Gegniedel der Leadgitarre, dazu der
nölige, oft mehrstimmige Gesang, bei dem es nicht darum geht, Tonlagen zu
treffen. Da sind Aaaahs und Oooohs, Songs übers Abhängen, Feiern und über
Jungs – und eine ordentliche Portion Brillbuilding-Pop.
Instrumentals wie „Solar“ sind dabei, schräge Liebeslieder wie „Bamboo�…
Rocknummern wie der Auftaktsong „Garden“, der klingt, als wären Velvet
Underground im Jugendzimmer gelandet.
## Scheißegal-Mentalität
Zur Wahrheit gehört, dass die Hinds auch deshalb auf so viel Interesse
stoßen, weil All-Girl-Bands vor allem im Indie- und Rockbereich noch immer
rar sind. Wenn sie aus dem Slacker, einem Typus, der bis dato nur männlich
existierte, Slackerinnen machen, wenn sie diese angeödete
Scheißegal-Mentalität an den Tag legen – inmitten eines kriselnden Europas,
inmitten eines Landes, das sich nur langsam von der Krise erholt –, klingt
das charmant.
Mit welcher Verve Hinds eine Attitüde und ein Lebensgefühl transportieren,
ist weitaus wichtiger ist als den Musikstil, den sie repräsentieren. Alle
vier sind übrigens bestens ausgebildet – aber statt an Eliteschulen zu
studieren, widmen sie sich vorerst dem Rock ’n’ Roll.
Als ich mich vor einiger Zeit via Skype mit Gitarristin und Sängerin
Carlotta Cosials unterhielt, berichtete sie von einer vitalen
madrilenischen Indieszene, aus der sich Hinds entwickelt hätten – einem
Gitarren-Underground in der spanischen Hauptstadt, von dem man außerhalb
des Landes nicht allzu viel mitbekommen hat. Geprägt seien sie vom
Do-It-Yourself-Gedanken, musikalisch hätten sie die Strokes am meisten
beeinflusst.
Die Inszenierung von Hinds passt gut zu diesem Selbstverständnis. In
einigen Videos sieht man sie durch die Straßen ihrer Stadt ziehen, lässig
und modisch gekleidet, fast immer ein Bier in der Hand, dick roten
Lippenstift aufgetragen. Selbstbestimmung und Selbstermächtigung spielen da
eine Rolle. Dieser Hedonismus, den sie da zur Schau stellen, kommt aber nie
platt oder oberflächlich daher. Denn unter der Oberfläche schwingt etwas
existenziell Obdachloses, etwas Abgefucktes mit.
14 Jan 2016
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Pop-Kultur
Madrid
Ty Segall
Dokumentarfilm
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