| # taz.de -- Dokumentarfilm „Sumé“: Arktischer Rock | |
| > Der Dokumentarfilm „Sumé – The Sound of a Revolution“ über die Band S… | |
| > erzählt ein wichtiges Kapitel der Kulturgeschichte Grönlands. | |
| Bild: „Sumé – The Sound of a Revolution“. | |
| Wenn ein Dokumentarfilm den Subtitel „The Sound Of A Revolution“ trägt und | |
| vom Rock ’n’ Roll und der Revolte in den Siebzigern handelt, so würde wohl | |
| kaum jemand vermuten, dass eine solche Geschichte in Grönland spielt. Denn | |
| bisher war hierzulande nicht bekannt, dass es dort zu jener Zeit eine | |
| Jugendkulturbewegung wie anderswo auch gab. Mit der von Regisseur Inuk | |
| Silos Høegh nun vorgelegten filmischen Zeitstudie über die grönländische | |
| Folk-Rockband Sumé (“Sumé – The Sound Of A Revolution“) wird somit ein | |
| wichtiges Kapitel der Kulturgeschichte des arktischen Landes erzählt. | |
| Sumé – übersetzt „Wo?“ – war die erste und berühmteste Rockband Grö… | |
| die sich um Sänger Malik Høegh und Gitarrist Per Berthelsen im Jahr 1972 | |
| gründete und in der Zeit ihres Bestehens bis 1977 drei Alben | |
| veröffentlichte. Die Gruppe, die sich am US-amerikanischen Rock und Folk | |
| orientierte, sah sich von Beginn an als Politband. Die zunächst vier-, | |
| später fünfköpfige Combo kämpfte um mehr Autonomie für Grönland, ihre Son… | |
| und Texte behandelten die Nachwirkungen der Kolonialzeit für die | |
| grönländische Gesellschaft – bis 1953 war die Insel dänische Kolonie. | |
| Denn noch Anfang der Siebziger wurden die wichtigsten politischen | |
| Entscheidungen wie zum Beispiel Wohnungsbau- oder Bildungspolitik im | |
| dänischen Parlament entschieden. Wenn man studieren oder eine Ausbildung | |
| machen wollte, hatte man – wie die Mitglieder der Band – keine andere Wahl, | |
| als nach Dänemark zu gehen. Die grönländische Sprache und die Kultur der | |
| indigenen Inuit wurden auf der Insel kaum gepflegt – als Affront galt es | |
| nun schon, dass Sumé auf Grönländisch sangen. | |
| Das nahmen auch die Einheimischen so wahr: Man sei „geschockt“ gewesen, | |
| „als das Album rauskam“ (die Rede ist vom 1973er Debüt „Sumut“) und ko… | |
| kaum glauben, „dass die sich trauten, das zu machen“, erzählen die heute | |
| gealterten Fans der Gruppe in der Dokumentation angesichts so viel Chuzpe | |
| gegenüber der Exkolonialmacht. | |
| Regisseur Høegh hat in den vergangenen Jahren die Bandmitglieder interviewt | |
| und Archivmaterial von damaligen Auftritten zusammengetragen. Høegh, der | |
| selbst im grönländischen Qaqortoq und mit der Musik von Sumé groß geworden | |
| ist, zeigt zudem eindrückliche Aufnahmen aus den grönländischen Städten. | |
| Natürlich fehlen auch schöne Bilder von Treibeis und Gletschern nicht, aber | |
| sein Sujet verliert der Film nicht aus dem Auge. | |
| ## Einigermaßen typische Agitrockband | |
| „Es ging uns darum, sich zu unserer Gesellschaft zu äußern“, erzählt der | |
| reflektierte und charismatische Sänger Sumés, Malik Høegh. Die Band sei | |
| „aus idealistischen Gründen“ entstanden. Im Laufe des Films zeigen sich | |
| Sumé tatsächlich als einigermaßen typische Agitrockband ihrer Zeit mit sehr | |
| simplen, griffigen Texten: „Dieses Land gehört den Menschen / es muss in | |
| den Händen der Menschen bleiben“, heißt es etwa in einem Refrain. | |
| Die Stärke des Films ist zum einen, dass er die grönländische Gesellschaft | |
| dieser Zeit gut ins Bild setzt. Er bringt dem Zuschauer nahe, dass Sumé | |
| tatsächlich etwas Revolutionäres für dieses Land bedeuteten und die | |
| politischen Prozesse der Folgezeit beeinflussten. | |
| Zum anderen aber lässt er auch die Spannungen innerhalb der Band nicht aus, | |
| die die politische Zerrissenheit des Landes gut spiegeln. Denn während | |
| Sänger Høegh die Unabhängigkeit predigt und unentwegt gegen Dänemark | |
| ansingt, ist sich Gitarrist Berthelsen im Laufe der Zeit nicht mehr so | |
| sicher, ob Grönland schon zur Unabhängigkeit bereit ist. Die Vereinnahmung | |
| seitens der inzwischen entstandenen Protestbewegungen findet er unangenehm. | |
| ## Folgen der Kolonialzeit | |
| Im Jahr 1979 schließlich wird Grönland politisch unabhängig, bekommt ein | |
| eigenes Parlament und eine eigene Regierung, gehört aber weiter zum Staat | |
| Dänemark. Sumé kommen im Jahr 1994 als Band noch einmal zusammen und | |
| spielen alte Stücke neu ein. Der inzwischen 63-jährige Sänger Høegh sagt | |
| heute, die Folgen der Kolonialzeit zeigten sich weiterhin. | |
| Gitarrist Berthelsen sitzt derweil als Abgeordneter für die Demokraten im | |
| Parlament, war zwischenzeitlich Finanzminister des Landes. Und eine junge | |
| Hardcoreband namens Uané – auch das zeigt der Film abschließend – hat das | |
| Erbe Sumés angetreten, diesmal mit kurz geschorener Frontfrau und | |
| Schreigesang. Die Wut klingt übrigens genauso glaubwürdig wie bei der | |
| Gründergeneration des Grönlandrocks. | |
| 25 Jan 2016 | |
| ## AUTOREN | |
| Jens Uthoff | |
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