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# taz.de -- Freiheit und BDSM-Partys: Tanz an der Kellerdecke
> Während viele herkömmliche Clubs schließen, gibt es ständig neue kleine
> kinky Sexclubs in Berlin. Und da tanzen schon mal Menschen von der Decke.
Bild: Diagonale Linien sind überall zu finden – hier auf Haut
Diagonale Bewegungsmuster sind nicht nur gesund, wie Fans von Yoga und
Nordic Walking wissen. Sie spielen auch eine Rolle bei Tanz und Theater.
Die Schauspielerin oder der Tänzer arbeitet mit diagonalen Linien, den
einen Fuß fest im Boden, der gegenüberliegende Arm strebt zum Himmel. Um
die so geschaffene Achse dreht sich der Körper in eine vollendete Ästhetik.
Diese Mechanik funktioniert auch [1][bei der Kombination aus Bondage und
Tanz], die ein Bekannter von mir neulich vorgeführt hat. An Händen und
Füßen an die Decke eines Berliner Kellergewölbes gefesselt, verzauberte der
Bekannte, ein Bondagekünstler, sein kleines Publikum aus
[2][BDSM-Enthusiast*innen] mit einer hängenden Sing- und Tanznummer.
Wir hatten uns in dem kleinen Club im Souterrain versammelt, einem
Veranstaltungsraum für kinky Menschen. Mauerwerk und Holzbalken, Haken und
Ketten an allen Decken und Wänden. Alles baumarktfrisch glänzend, die
Räumlichkeiten sind recht neu. Denn während die [3][Mitglieder des
eingetragenen Vereins Missionarstellung] sich beklagen, weil in Berlin ein
paar Clubs schließen und ihre Massenpartys die Adresse wechseln, gibt es
der kleinen, familiären kinky Sexclubs ständig neue.
Auch denen geht es natürlich nicht automatisch blendend, denn die Kosten
für BDSM-Partys muss die oft recht kleine Community tragen, während
Künstler*innen und Organisator*innen für wenig oder kein Geld die Events
auf die Beine stellen. Aber zurück zu meinem Bekannten an der Decke, denn
während ich abschweife, werden seine Hände taub.
## Wie eine Marionette
Der Bekannte also singt und tanzt hängend zum Playback eines Popsongs,
während sein Dom, ein großer Blonder in Leder, im Takt und in
atemberaubender Schnelligkeit die Seile, die ihn gleich einer Marionette
halten, aus den Deckenringen löst und wieder an anderen befestigt, sodass
der Gefesselte in Pirouetten durch die Luft schwimmt wie Peter Pan.
Das Publikum, in Zivil, Spitze oder Latex, mancher an der Leine einer Dame,
starrt; wie man eben starrt, wenn Körper sich auf eine Art bewegen, der
sich zu entziehen man nicht imstande ist. Ich bin beruhigt, dass selbst die
kinky Gemeinde mal etwas noch nicht gesehen hat. Ich fühle mich erinnert an
Trapezkunst bei meinen seltenen Besuchen im wirklich guten Zirkus. Die
Physik ist dieselbe, die Körperspannung auch. Und meine Angst um das
Wohlbefinden des Künstlers ist ebenfalls vergleichbar.
Am Ende wird der Dom meinen Bekannten vorsichtig kopfüber auf den Boden
gleiten lassen. Dieser wird sich aufrappeln, erschöpft sein, aber er wird
in den vier Minuten, die der Popsong gedauert hat, freier gewesen sein als
wir, die wir unverbunden im Schneidersitz dagesessen sind. Bondage, fällt
mir ein, hat möglicherweise ebenso viel mit der Sehnsucht nach Freiheit zu
tun wie mit der nach Gefangenschaft. Indem ich mir die Kontrolle über einen
Teil von mir nehmen lasse, dürfen alle andere Teile fliegen lernen.
7 Feb 2020
## LINKS
[1] /Bondage-SM-Treffen-in-Berlin/!5159625
[2] /Einrichtung-bei-SM-Menschen/!5651386
[3] /Weg-vom-Bluemchensex/!5624356
## AUTOREN
Peter Weissenburger
## TAGS
Kolumne Kuscheln in Ketten
BDSM
Sex
Fetisch
Begehren
Ty Segall
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