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# taz.de -- Zu wenig Geld, Wertschätzung, Sicherheit: Trostlose Wissenschaft
> Die Arbeitsbedingungen von Mitarbeiter*innen an den Hochschulen unterhalb
> der Ebene der Professur sind mies. Nun regt sich Protest.
Bild: Nicht zu entdecken: Gute Arbeitsbedingungen für studentische Hilfskräfte
Hamburg taz | Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen der
Hamburger Hochschulen wollen am heutigen Mittwoch der Wissenschaftsbehörde
von Katharina Fegebank einen Überraschungsbesuch abstatten – um gegen
prekäre Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu protestieren. Dafür haben
sich die studentische Initiative „[1][TVStud]“ und die „[2][Mittelbau
Initiative]“ zusammengeschlossen.
Ein großes Problem steckt im [3][Hamburger Personalvertretungsgesetz].
Grundsätzlich unterscheidet Hamburg zwischen studentischen Hilfskräften,
Tutor*innen und studentischen Angestellten. Letztere werden nach dem
Tarifvertrag der Länder bezahlt. Die größere Gruppe sind nach Informationen
von TVStud aber die studentischen Hilfskräfte und Tutor*innen.
Die wiederum sind keine Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Das betrifft
mehrere Tausend Studierende und bedeutet: Sie bekommen keinen Tarifvertrag,
können sich nicht in Personalräten organisieren und ihre Interessen
gegenüber ihren Arbeitgebern, den Hochschulen, kaum vertreten – obwohl sie
für das Land Hamburg arbeiten.
Die Folge: Im schlechtesten Fall verdienen Studierende 10,13 Euro pro
Stunde, machen Überstunden, haben keinen bezahlten Urlaub und immer wieder
befristete Verträge. Laut einer Befragung des [4][Personaldienstleisters
„Studitemps“] liegt der studentische Durchschnittslohn in Hamburg bei 11,86
Euro pro Stunde. Das SHK-Gehalt liegt also 1,73 Euro drunter.
Für SHKs und Tutor*innen gibt es so keine Planungssicherheit, weil sie
nicht wissen, ob sie in wenigen Monaten noch einen Job haben werden. „Man
muss es sich leisten können, als studentische Hilfskraft zu arbeiten“, sagt
Marvin Hopp von TVStud. Darum fordert die Initiative Arbeitsverträge über
mindestens zwei Jahre für SHKs und Tutor*innen. Auch sollen beide Gruppen
in den Tarifvertrag der Länder aufgenommen werden.
Auch in Hannover und Bremen regt sich Widerstand gegen die
Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft. Dort engagieren die
Studierenden sich auch im TVStud-Netzwerk und fordern ebenfalls
Tarifverträge für studentische Beschäftigte. Denn bislang ist Berlin das
einzige Bundesland, das seinen Studierenden einen Tarifvertrag gibt.
Vorausgegangen waren dort viele Warnstreiks und Verhandlungsrunden.
In [5][Hannover] fanden im November mehrere Demonstrationen gegen die
schlechten Arbeitsbedingungen statt. Jetzt in der Prüfungszeit ist es
ruhiger geworden. Nicht so in Bremen: Dort fand der letzte Protest erst
Ende Januar statt. Die [6][Studierenden fordern]: einen Stundenlohn von
13,70 Euro, 30 Tage Urlaub und ausreichende Arbeitsmaterialien.
Die Hamburger Aktion am Mittwoch ist Teil der Kampagne [7][„Hamburg – Stadt
der prekären Wissenschaft“]. Die Protestierenden wollen auch unbefristete
Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen durchsetzen. Ute Schmiedel
von der Mittelbau Initiative sagt: „Die meisten wissenschaftlichen
Mitarbeiter*innen arbeiten mit auf wenige Jahre befristeten Verträgen und
sind dadurch kontinuierlich von Arbeitslosigkeit bedroht. Dabei leisten sie
beispielsweise unbezahlte Überstunden, da viele lediglich für eine halbe
Stelle bezahlt werden, aber Vollzeit arbeiten müssen.“ Das sei organisierte
Selbstausbeutung und führe zu stressbedingten Erkrankungen.
Bei ihrer Kampagne werden die TVStud und die Mittelbau Initiative von
vielen Seiten unterstützt: Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft
(GEW), die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, die Hamburger Asten und 14
Professor*innen zählt die Kampagne auf ihrer [8][Website] auf.
Wolfgang Menz, Professor für Arbeitssoziologie, sagt: „Ein verlässliches
Beschäftigungsmodell von professioneller Wissenschaft unterhalb der Ebene
der Professur fehlt völlig.“ In der Folge verlören die hiesigen Unis viele
herausragende jüngere Wissenschaftler*innen an Unternehmen,
außeruniversitäre Institute und an Unis im Ausland. „Denn wir können
schlicht zu wenig Perspektiven bieten.“
## Es geht nicht nur ums Geld
Mit dem heutigen Besuch der Wissenschaftsbehörde wolle man Druck ausüben,
sagt Marvin Hopp von der TVStud. „Es ist absurd, dass sich ein rot-grüner
Senat ‚Stadt der guten Arbeit‘ auf die Fahnen schreibt, und studentische
Beschäftigte nicht in den Tarifvertrag aufnimmt“, sagt er.
Dabei geht es ihm und der Initiative nicht nur um höheren Lohn. Auch
Wertschätzung ist den Studierenden wichtig. „Die Arbeit von Tutor*innen und
Hilfskräften wird nicht ausreichend anerkannt. Viele denken, der Job diene
zur Eigenqualifikation, weil man ja was dabei lernt“, erklärt Marvin Hopp.
Hopp ist 30 Jahre alt und arbeitet selbst als Tutor und SHK an der
Universität Hamburg. Als Tutor bekommt er eine Pauschale rund 230 Euro im
Monat. Pro Woche unterrichtet er dafür 90 Minuten, die er vor- und
nachbereitet. „Ich habe mir mal meinen Stundenlohn ausgerechnet. Er liegt
unter dem Mindestlohn.“ Hopps Arbeitsvertrag endete im Januar. Trotzdem
beantwortet er noch jetzt die E-Mails und Fragen von Studierenden – alles
unbezahlte Arbeit.
12 Feb 2020
## LINKS
[1] https://www.tvstud-hamburg.de
[2] https://www.mittelbau-hamburg.de/
[3] http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?doc.id=…
[4] https://studitemps.de/wp-content/uploads/2019/08/diagramm-stundenlohn-nach-…
[5] https://www.facebook.com/tvstudhannover/
[6] https://tvstud-bremen.de/kundgebung-zur-forderungsubergabe/
[7] https://wissenschaft-prekaer.org/
[8] https://wissenschaft-prekaer.org/index.php/unterstuetzende/
## AUTOREN
Sabrina Winter
## TAGS
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zweiten Arbeitsmarkts.
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