# taz.de -- CO2-Emissionen weltweit: Leiser Jubel über Nullwachstum | |
> Hoffnung für den Klimaschutz? 2019 sind die Emissionen aus Kohle, Öl und | |
> Gas nicht gestiegen, sagt die Internationale Energieagentur. | |
Bild: Kohlekraft in Harbin, China: Auch hier steigen die Emissionen langsamer a… | |
BERLIN taz | In der weltweiten Klimadebatte verbreitet nun die | |
Internationale Energieagentur (IEA) in Paris vorsichtig ein bisschen | |
Hoffnung. Nach den vorläufigen Zahlen der Behörde sind die Emissionen des | |
Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) aus der Verbrennung von Öl, Kohle und Gas | |
im vergangenen Jahr nicht gestiegen. | |
„Entgegen der weitverbreiteten Erwartung eines neuerlichen Anstiegs haben | |
die energiebezogenen CO2-Emissionen 2019 aufgehört zu wachsen“, verkündete | |
die IEA am Dienstag. Der Ausstoß verharrte demnach auf 33 Milliarden | |
Tonnen, obwohl die Weltwirtschaft um 2,9 Prozent zulegte. „Die Trends legen | |
nahe, dass der Übergang zu sauberer Energie stattfindet, angeführt vom | |
Stromsektor“, heißt es. | |
Nach den Schätzungen der IEA, die für die Industrieländer die weltweite | |
Energiepolitik analysiert, sind für diese Überraschung viele Faktoren | |
verantwortlich: Gesunken sind die Emissionen vor allem in den alten | |
Industrieländern, während sie in den Schwellenländern wie China und Indien | |
etwa um die gleiche Menge (zirka 380 Millionen Tonnen) zunahmen. | |
Grund für die CO2-Bremse in den USA, der EU und Japan ist laut IEA der | |
Siegeszug der erneuerbaren Energien Wind und Sonne, der Wechsel von Kohle | |
zu Gas und mehr Atomkraft bei der Stromerzeugung, vor allem in Japan. Dazu | |
kamen ein milder Winter und eine schwächere Konjunktur, etwa in China. | |
## Die Wirtschaft wächst, auch wenn der Schlot nicht raucht | |
Auch andere Faktoren machen der IEA Hoffnung: Während in den | |
Industrieländern die Wirtschaft um 1,7 Prozent wuchs, sank der CO2-Ausstoß | |
gleichzeitig um 3,2 Prozent – der Schornstein muss für Wohlstand also nicht | |
rauchen. Öko-Energien vermieden 130 Millionen Tonnen CO2, der Wechsel von | |
Kohle zu Gas 100 Millionen und die Atomkraft 50 Millionen Tonnen. | |
„Wir müssen jetzt hart daran arbeiten, dass 2019 als definitiver Gipfel der | |
Emissionen gesehen wird und nicht wieder nur als eine Pause im Wachstum“, | |
sagte IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol. Damit spielt er auf die | |
Begeisterung bei Klimaschützern an, als rund um das Pariser Abkommen | |
zwischen 2014 und 2016 die weltweiten Emissionen schon einmal praktisch auf | |
gleichem Niveau blieben. Doch danach ging es wieder rasant nach oben, | |
allein 2018 stieg der CO2-Ausstoß des Energie- und Industriesektors um 2,7 | |
Prozent. | |
Birol kann gute Nachrichten gebrauchen, denn für Mittwoch hat er am Sitz | |
der IEA in Paris eine hochkarätige Konferenz zur Klimapolitik organisiert. | |
Das Jahr 2020 wird dabei entscheidend: Im November müssen die UN-Staaten | |
neue, bessere Klimapläne vorlegen; die EU debattiert über ihren „Green | |
Deal“, der sie zur CO2-Neutralität bis 2050 bringen soll; zudem wollen die | |
Europäer mit China einen neuen Klimadeal schließen, auch wenn die USA unter | |
einer zweiten Trump-Regierung sich weiter diesem Thema verweigern sollten. | |
Dabei zeigen gerade die USA große Fortschritte bei der CO2-Reduktion: | |
Billiges Gas verdrängt die Kohle, die Emissionen sind um fast 3 Prozent | |
gesunken. Auch Deutschland sieht gut aus, weil es mit dem Rückgang der | |
Kohleverstromung die EU mit einer Reduktion von 8 Prozent anführt und | |
Emissionen hat, die laut IEA „auf einem Niveau liegen, das man seit den | |
1950er Jahren nicht gesehen hat, als die Wirtschaftsleistung noch zehnmal | |
kleiner war“. | |
## Vorsicht: Klimakiller Methan und Waldbrände nicht erfasst | |
Der Jubel über das Nullwachstum bei den Emissionen ist allerdings mit | |
Vorsicht zu genießen, räumt die IEA auf Nachfrage selbst ein. Denn die | |
Daten konzentrieren sich allein auf CO2-Emissionen – der Ausstoß von extrem | |
klimaschädlichem Methan, der mit einer Ausweitung des Gasverbrauchs durch | |
Leckagen zusätzlich entsteht, ist nicht erfasst. | |
Dabei weisen verschiedene Studien darauf hin, dass allein der Wechsel von | |
Kohle zu Gas aufgrund dieser Methan-Freisetzungen die Atmosphäre | |
möglicherweise kaum entlastet. Gas verbrennt zwar deutlich sauberer als | |
Kohle, das ganze System von Bohrungen und Pipelines heizt aber je nach | |
seinen Leitungsverlusten die Erdatmosphäre ähnlich auf wie die Verbrennung | |
von Kohle. | |
Auch andere CO2-Emissionen außerhalb von Energie und Industrie sind für | |
2019 nicht aufgeführt. Dabei haben die riesigen Waldbrände am Amazonas, in | |
Sibirien und in Australien nach Schätzungen von Experten zusammen mehr als | |
500 Millionen Tonnen Kohlendioxid zusätzlich freigesetzt. Allein Australien | |
hat durch die Feuer nach einer Studie der Nasa mit 250 Millionen Tonnen CO2 | |
noch einmal 50 Prozent seiner gesamten Jahresemissionen in die Atmosphäre | |
ausgestoßen. | |
12 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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