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# taz.de -- Hamburgs FDP kämpft um 5 Prozent: Liberale Schussfahrt
> Nach dem Desaster in Thüringen versucht sich Hamburgs FDP von der AfD
> abzugrenzen – und muss um ihren Wiedereinzug in die Bürgerschaft
> fürchten.
Bild: Jedes fünfte Wahlplakat der FDP wurde zerstört oder beschmiert. Dafür …
Hamburg taz | Anna von Treuenfels-Frowein ist die Anspannung anzumerken.
Die 57-jährige Lederjackenträgerin mit dem Blankeneser Schick hat es
aufgegeben, ihr [1][Image als coole und ungemein lässige Spitzenkandidatin]
der Liberalen weiter zu polieren. Seit vergangener Woche, seit Thüringen
ist alles anders. [2][Seit diesem 5. Februar kämpft auch die Hamburger FDP,
kämpft Treuenfels um ihr politisches Überleben.] Die sicher geglaubten 5
Prozent, die für den Wiedereinzug in die Bürgerschaft reichen, sind in
weite Ferne gerückt. Wie ein Orkan ohne Vorwarnung wirbelt die
Kemmerich-Wahl zum Thüringer Ministerpräsidenten die Hamburger FDP kräftig
durcheinander.
Nun schreit Treuenfels-Frowein heraus, was vor einer Woche noch als
selbstverständlich galt, aber nie war. Sie würde sich niemals von der AfD
in ein Amt wählen lassen. Es gebe „keine wie auch immer geartete
Zusammenarbeit der FDP mit der AfD“. Und Robert Bläsing, Katarina Blume und
ein paar andere Kandidaten der FDP-Landesliste posten ihr Konterfei nur
noch verziert mit dem Logo „Freier Demokrat“ beziehungsweise „Freie
Demokratin gegen Faschismus“. Nach der Thüringer Wahl durch die AfD nun
Hamburger Speerspitze der Antifa – das mag der Partei in Hamburg nicht
jeder abnehmen.
Zu Recht. Denn dass es keine „wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit
der AfD“ in Hamburg gibt, ist schlicht gelogen. Am Wochenende speisten die
Hamburger Grünen eine entlarvende Zahl in die Debatte ein. 251 Anträge
brachte die AfD bislang in die Hamburger Bürgerschaft ein. 251 Mal stimmten
SPD, Grüne und Linke dagegen. Die CDU hingegen konnte sich 13 Mal dem
Charme der AfD nicht ganz entziehen und enthielt sich, stimmte aber niemals
zu. Das aber tat die FDP im Abonnement: 43 AfD-Anträgen, mehr als jedem
sechsten, stimmten die Liberalen zu, genauso oft enthielten sie sich.
Allein im vergangenen Jahr votierten Hamburgs Liberale gerade mal gegen die
Hälfte aller AfD-Anträge: Zehnmal stimmten sie dafür und 26-mal dagegen,
bei 16 Enthaltungen. Ein „Bollwerk“ gegen die AfD, wie Ria Schröder,
Mitglied des Hamburger FDP-Vorstands, ihre Partei gern nennt, waren
Hamburgs Liberale damit kaum.
## Allein 2019 stimmte Hamburgs FDP zehn AFD-Anträgen zu
Der Landesverband gilt, im westdeutschen Koordinatensystem, ohnehin als
rechtslastig und knochenkonservativ. Wann immer die Juristin
Treuenfels-Frowein den Blick auf die politischen Ränder wirft, fällt ihr –
als Erstes – ein, „dass wir intensiver als in der Vergangenheit den
Linksextremismus bekämpfen“ müssen. Als die AfD im vergangenen Jahr eine
denunzierende Kampagne gegen zwei Hamburger Schulen startete, in deren
Gebäuden sie Antifa-Aufkleber entdeckt hatte, hatte die Rechtspartei nur
eine einzige Politikerin aus dem bürgerlichen Lager an der Seite, die mit
ins AfD-Horn blies: Anna Treuenfels-Frowein.
Doch für die Publizierung solcher Fakten hat Treuenfels-Frowein kein
Verständnis. „Dass meine Partei in die rechte Ecke gestellt wird, ist für
mich unerträglich.“ Sie spricht von „Hetzjagd“. Unerträglich ist es fü…
57-Jährige auch, dass viele FDP-Wahlplakate derzeit von „freischaffenden
KünstlerInnen“ „aktualisiert“ werden. „Spurenelemente der AfD können …
ausgeschlossen werden“, hat jemand auf ein FDP-Plakat gepinselt, „FDP
paktiert mit Nazis“, heißt es an anderer Stelle, und dann wiederum:
„Hindenburg hätte FDP gewählt.“
Doch es ist nicht nur die fehlende Abgrenzung nach rechts, die der
Hamburger FDP-Spitzenkandidatin derzeit auf die Füße fällt. Auch zu dem
Thüringer Desaster ist Treuenfels-Frowein kaum auf Gegenkurs gegangen. Da
betont die Politikerin zwar, „Kemmerich hätte diese Wahl nicht annehmen
dürfen“, um im selben Post zu betonen, dass er mit seiner – so schrecklich
aus dem Ruder gelaufenen Kandidatur – „als einziger Vertreter der
bürgerlichen und staatstragenden Parteien Verantwortung gezeigt“ habe. Ein
Lobgesang zum denkbar falschen Zeitpunkt.
Und als Christian Lindner nach dem Thüringen-Desaster per Vertrauensfrage
seine politische Karriere zu retten ansetzte, ließen Treuenfels-Frowein und
auch die Hamburger FDP-Landeschefin [3][Katja Suding den Parteichef mit
seinem Manöver durchkommen], bestätigten ihn im Amt und unterstützen damit
sein Vorgehen. Ein „Weiter so“-Signal, das inzwischen auch vielen Hamburger
Liberalen aufstößt, wie die FDP-interne Debatte in den sozialen Medien
zeigt.
## Schimpfe für die Kritiker
„Ich bin nicht jemand, der die Flinte ins Korn wirft“, stemmt sich
Treuenfels-Frowein gegen den Sturzfall ihrer Hamburger FDP, ohne zu wissen,
wie. Statt innezuhalten beschimpft sie lauthals ihre Kritiker wie den
Grünen Innensenator Till Steffen, der die FDP nach der Thüringer
Ministerpräsidentenwahl als „Totengräber der Demokratie“ bezeichnete.
Parteienforscher wie der Hamburger Politologe Kai-Uwe Schnapp betonen laut
dpa, dass die Thüringer Politposse auch noch in knapp zwei Wochen auf die
Hamburger Bürgerschaftswahl durchschlagen wird und die FDP – die in der
letzten Umfrage vor Thüringen nur noch bei 5 Prozent stand – aus dem
Parlament kegeln könnte.
Damit würde auch die von CDU und FDP als Machtoption favorisierte
Deutschland-Koalition aus SPD, CDU und FDP unmöglich. Ein Bündnis aus den
beiden Parteien, die mit der AfD Kemmerich wählten, und dem mutmaßlichen
Wahlverlierer SPD wäre wohl auch ein wenig aus der Zeit gefallen.
11 Feb 2020
## LINKS
[1] /FDP-Fraktionsvorsitzende-im-Interview/!5608221
[2] /Hamburger-FDP-nach-Thueringen-Debakel/!5658288
[3] https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/fdp-vizechefin-vorstand-wird…
## AUTOREN
Marco Carini
Andreas Speit
## TAGS
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