# taz.de -- FDP-Politikerin über Böllerangriff: „Er hat zielgerichtet gewor… | |
> Weil sie eine liberale Migrationspolitik vertritt, steht Karoline | |
> Preisler auf rechstextremen Feindeslisten. Nun wurde sie im Privatumfeld | |
> attackiert. | |
Bild: Ein FDP-Büro in Niedersachsen: Seit den Ereignissen in Thüringen häuft… | |
taz: Frau Preisler, was ist Ihnen am Wochenende passiert? | |
Karoline Preisler: Ich habe mit meiner Tochter das Wohnhaus verlassen. Vor | |
der Tür sah ich eine Gruppe junger Erwachsener und einer hielt einen Böller | |
in der Hand. Wir hatten Blickkontakt. Und er hat trotzdem zielgerichtet den | |
Böller geworfen. Ich bin zu meiner Tochter, inzwischen qualmte und knallte | |
es, schwarzer Rauch war da. Ich habe meine Tochter in das Auto gesetzt, | |
damit sie dort sicher ist, und wollte die Gruppe zur Rede stellen. Die | |
hatte sich aber schon entfernt. Ich habe sie noch kurz verfolgt. | |
Kannten Sie die Leute? | |
Nein. | |
Was haben Sie dann gemacht – die Polizei gerufen? | |
Ich habe meine Tochter genommen und bin weggefahren. Mein Mann und ich | |
haben Absprachen getroffen, was wir tun, wenn eine Situation gefährlich | |
wird. Wer nimmt welches Kind, wo treffen wir uns, solche Sachen. Ich habe | |
mich daran gehalten und habe das Kind aus der Gefahrenzone gebracht. | |
Sie sind Juristin und Lokalpolitikerin, ein ganz normaler Mensch also. | |
Warum haben Sie solche Absprachen? | |
Mein Mann und ich stehen mit vielen Weiteren auf einer Feindesliste, der | |
der Nordkreuz-Rechtsterroristen. Wenn man das weiß, ist es besser, man hat | |
einen Plan für Krisen. Dann muss man in der Krise keine Entscheidungen | |
treffen. Das wäre mir auch nicht möglich gewesen am 8. Februar. Ich war zu | |
aufgewühlt. | |
Sie sprechen von der Liste eines Anwalts und eines Polizisten, die | |
mutmaßlich geplant hatten, an einem Tag X Menschen aus dem linken Spektrum | |
zu töten. Sie hatten Daten gesammelt, auch an einem Polizeicomputer. Das | |
wurde vor über zwei Jahren bekannt. Wann haben Sie erfahren, dass Sie auf | |
der Liste stehen? | |
Ich habe im Sommer Post vom Landeskriminalamt bekommen, ein Formschreiben, | |
wonach mein Name im Zusammenhang mit dieser Liste aufgetaucht ist. Weitere | |
Informationen habe ich nicht erhalten, und es ist auch sehr schwer, an | |
diese zu gelangen. Meine Daten gehören mir, ich erwarte von unseren | |
Sicherheitsbehörden, dass die mich ins Bild setzen. So musste ich das, was | |
ich jetzt weiß, selbst zusammensuchen. | |
Ihr Mann ist FDP-Abgeordneter im Bundestag, auch er steht auf der | |
Nordkreuz-Liste. Gibt es andere Vorkehrungen, um ihn zu schützen? | |
Mein Mann hat Ansprechpartner beim Bundeskriminalamt, ich habe | |
Ansprechpartner beim Landeskriminalamt. Tatsächlich gibt es Unterschiede | |
beim Umgang mit solchen Situationen. Für ihn gibt es ein | |
Sicherheitsprotokoll, für mich nicht. | |
Einer der beiden Männer, die die Nordkreuz-Liste angelegt haben sollen, war | |
früher FDP-Mitglied. Jan Hendrik H. verließ die Partei, nachdem er mit | |
Pegida-Nähe auffiel und für eine Zusammenarbeit mit der AfD warb. Kennen | |
Sie sich? | |
Wir kennen uns aus unserer politischen Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern, | |
aber nicht persönlich. Ich bin sehr froh, dass er nicht mehr Teil unserer | |
liberalen und deutlich antifaschistischen Partei ist. Ich vertrete eine | |
sehr liberale Migrationspolitik, engagiere mich in den Bereichen | |
Integration und Vielfalt. Das erklärt eben auch, für mich, dass die mich | |
auf so eine Liste setzen. Ich würde aber schon gerne wissen: Welche | |
Informationen haben die, worauf muss ich achten? Das habe ich leider nicht | |
rausgekriegt. Allerdings hat sich die Polizei nach dem Übergriff am | |
Wochenende bei mir gemeldet, und das war eine sehr gute Erfahrung. | |
Überall in Deutschland kam es seit der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen | |
zu Vandalismus, Beschimpfungen gegen die FDP. Was wollten die Täter am | |
Wochenende? | |
Wir wissen nicht, was diese Menschen dachten und müssen die Ermittlungen | |
abwarten. Ich habe schon Übergriffe von rechten Schlägern erlebt, bin | |
angespuckt worden und beschimpft am Rande von Veranstaltungen mit rechtem | |
Publikum. Da war mir die Zuordnung stets leicht, ich hatte mich in einen | |
politischen Kontext begeben. Jetzt bin ich in meinem privaten Umfeld | |
attackiert worden. | |
Wie haben Sie die Resonanz auf den Übergriff erlebt? | |
Als sehr heiser. Ja. Solidarisch und heiser. | |
Was meinen Sie mit heiser? | |
Wenn man sich die letzten Monate in Deutschland ansieht, Demonstrationen | |
vor Vorlesungen, den Anschlag in Halle, den Mord an Walter Lübcke, | |
Übergriffe auf geflüchtete Menschen, Abreißen von Kopftüchern und Kippa. | |
Ich habe einen ganz normalen Job und engagiere mich im Ehrenamt politisch, | |
so wie Tausende Menschen. Wir erleben, dass man lieber einen Stein auf uns | |
schmeißt, als unsere Argumente zu hören. | |
Wir müssen uns doch nicht wundern, wenn man keine Bürgermeister mehr | |
findet, wenn sie mit Morddrohungen rechnen müssen. Für mich war dann die | |
Reaktion auf die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen bis hin zum Übergriff | |
auf meine Tochter und mich ein Fanal. Ich habe unsere Zivilgesellschaft | |
bröckeln sehen. Und dann kam etwas, damit habe ich nicht gerechnet, aber | |
das war sehr deutlich und klar: Ein Bankberater hat mir eine E-Mail | |
geschrieben. Freunde von früher haben sich gemeldet. Social Media hatte | |
eine Welle der Solidarität, Unterstützung und des Wohlwollens für mich. | |
11 Feb 2020 | |
## AUTOREN | |
Christina Schmidt | |
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