| # taz.de -- Recht auf effektive Strafverfolgung: Keine Schonung für Amtsarzt | |
| > Eine Patientin wurde gegen ihren Willen mit Gurten fixiert und klagte. | |
| > Das Bundesverfassungsgericht kritisiert die mangelnde Aufklärung. | |
| Bild: Eine Zwangsfesselung im Krankenhaus kann auch eine Straftat sein | |
| KARLSRUHE taz | Bei möglichen Straftaten von Hoheitsträgern muss gründlich | |
| ermittelt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt die vorschnelle | |
| Einstellung von Ermittlungen gegen einen Kieler Amtsarzt gerügt, der eine | |
| Patientin rechtswidrig mit Gurten fixieren ließ. | |
| Die Frau hatte im Sommer 2012 zunächst einen Reitunfall und wurde daraufhin | |
| ins Kieler Universitätsklinikum eingeliefert. Dort wurde unter anderem ein | |
| Schädel-Hirn-Trauma festgestellt. Die Ärzte empfahlen ihr, zur Beobachtung | |
| noch einen Tag im Krankenhaus zu bleiben. Doch die Frau wollte nach Hause | |
| und verließ die Klinik. Herbeigerufene Polizisten überredeten sie vor der | |
| Klinik, doch noch einmal mit den Ärzten zu sprechen. | |
| Als die Frau auf der Station sah, dass bereits Gurte für eine Fixierung am | |
| Bett vorbereitet waren, eskalierte die Situation. Ein Stationsarzt und ein | |
| Pfleger gurteten die Frau daraufhin gegen ihren Willen fest, obwohl der | |
| Amtsarzt, der die Maßnahme anordnen musste, erst etwa eine Stunde später | |
| eintraf. Der Amtsarzt ordnete dann die Fixierung an und attestierte ein | |
| [1][„Durchgangssyndrom“, eine vorübergehende psychische Störung]. Eine | |
| Amtsrichterin bestätigte die Zwangsunterbringung wegen erheblicher | |
| Eigengefährdung. | |
| Als die Frau am nächsten Tag entlassen wurde, klagte sie gegen die | |
| Fixierung und die Zwangsunterbringung. Das Verwaltungsgericht Schleswig | |
| stellte fest, dass der Amtsarzt rechtswidrig gehandelt hatte, das | |
| Landgericht Kiel rügte den Unterbringungsbeschluss der Amtsrichterin. In | |
| beiden Entscheidungen wurde moniert, dass kein psychiatrisches Gutachten | |
| vorlag, das die Maßnahmen getragen hätte. | |
| ## Erst Bundesverfassungsgericht gibt Klägerin Recht | |
| Die Frau sagte, sie habe durch die Fixierung eine posttraumatische | |
| Belastungstörung erlitten und stellte gegen die Beteiligten auch eine | |
| Strafanzeige. Doch die Staatsanwaltschaft stellte die Ermittlungen 2016 | |
| ohne Ergebnis wieder ein. Die Generalstaatsanwaltschaft und das | |
| Oberlandesgericht Schleswig waren mit dem Verzicht auf Strafverfolgung | |
| einverstanden. | |
| Erst beim Bundesverfassungsgericht fand die Frau jetzt Gehör. Sie sei in | |
| ihrem „Recht auf effektive Strafverfolgung“ verletzt worden, stellte nun | |
| eine mit drei Richtern besetzte Kammer fest. | |
| Bürger hätten zwar nur ausnahmsweise einen durchsetzbaren Anspruch auf | |
| strafrechtliche Ermittlungen gegen andere, so die Verfassungsrichter, hier | |
| sei aber eine derartige Konstellation gegeben. Wenn in einem gravierenden | |
| Fall der Freiheitsentziehung auf Strafverfolgung verzichtet werde, könne | |
| dies „zu einer Erschütterung des Vertrauens in das Gewaltmonopol des | |
| Staates führen“, betonen die Richter. | |
| ## Staatsanwaltschaft hätte Sachverhalt aufklären müssen | |
| Dies gelte insbesondere auch, weil der Amtsarzt bei der Wahrnehmung | |
| hoheitlicher Aufgaben handelte. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass | |
| bei strafrechtlichen Vorwürfen gegen Beamte und Staatsbedienstete andere | |
| Maßstäbe gälten als sonst. | |
| Die Staatsanwaltschaft hätte zwar nicht zwingend Anklage erheben müssen, | |
| aber sie hätte den Sachverhalt ausreichend aufzuklären gehabt. Konkret | |
| werfen die Verfassungsrichter der Staatsanwaltschaft vor, sie habe nicht | |
| einmal festgestellt, welche Folgen die Fixierung für die klagende Frau | |
| hatte. Auf ein Sachverständigengutachten hätte nicht verzichtet werden | |
| dürfen. Eine Einstellung wegen geringer Schuld sei auch nur bei | |
| festgestellten geringen Tatfolgen möglich. Das Oberlandesgericht Schleswig | |
| muss sich nun erneut mit dem Fall beschäftigen. | |
| Nur die Einstellung der Ermittlungen gegen die Amtsrichterin wurde nicht | |
| beanstandet. Eine Rechtsbeugung liege nur vor, wenn die Richterin bewusst | |
| das Recht gebrochen hat, wofür nichts sprach. Die Überlegungen der | |
| Verfassungsrichter zur Strafverfolgung von Delikten durch Hoheitsträger | |
| dürfte auch für Vorwürfe gegen Polizisten gelten. | |
| Update: Die Betroffene hat aus ihrer Sicht einige Ergänzungen zu diesem | |
| Fall angemerkt, s.u. den Post von ‚Sarah Conrad‘. | |
| 23 Jan 2020 | |
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| [1] /Kommentar-Urteil-zur-Fixierung/!5519644 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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