# taz.de -- Chadwick Boseman über „21 Bridges“: „Waffen bereiten mir Unb… | |
> Chadwick Boseman wurde als „Black Panther“ berühmt. Warum ihm seine Rolle | |
> als Polizist im neuen Film „21 Bridges“ anfangs nicht geheuer war. | |
Bild: Chadwick Boseman als Ermittler im Thriller „21 Bridges“ – ab Donner… | |
taz: Mr. Boseman, immer häufiger treten Schauspieler*innen auch als | |
Produzent*innen ihrer Filme auf. Häufig geht es dabei eher um Prestige und | |
Bezahlung als um kreativen Einfluss. Wie ist das bei Ihnen und „21 | |
Bridges“? | |
Chadwick Boseman: Ich war tatsächlich aktiv daran beteiligt, diesen Film | |
Wirklichkeit werden zu lassen. Gemeinsam mit einem Partner habe ich die | |
Produktionsfirma Xception gegründet, „21 Bridges“ ist unser erster Film. | |
Mir ist es wichtig, dass ich bei meiner Arbeit zumindest manchmal | |
mitsprechen kann, wenn es um das Drehbuch geht, um die finale | |
Schnittfassung oder auch die Vermarktung. Aber auch um Aspekte wie | |
Diversität in der Besetzung oder hinter der Kamera. Wir haben allerlei | |
Pläne für weitere Projekte. | |
Aber warum gerade „21 Bridges“, ein recht konventioneller Polizeithriller? | |
Unter anderem genau deswegen. Solche Filme habe ich in den achtziger und | |
neunziger Jahren verdammt gerne gesehen, aber heute werden sie eigentlich | |
nicht mehr gedreht. Viele der Schauspieler, die ich am meisten bewundere, | |
haben solche Polizisten oder Ermittler gespielt, und ich fand, dass die | |
Geschichte mir als Schauspieler etwas zu bieten hat, was mir sonst selten | |
geboten wird. Ganz zu schweigen natürlich davon, dass das Szenario etwas | |
hatte: ganz Manhattan wird abgeriegelt, um gesuchte Verbrecher an der | |
Flucht zu hindern. Hat es so sicher auch noch nicht gegeben. | |
Was hat für Sie bedeutet, dass Sie in „21 Bridges“ einen Polizisten | |
spielen? Zu dieser Berufsgruppe haben Afroamerikaner*innen ja selten ein | |
vollkommen neutrales Verhältnis. | |
Das stimmt, und damit habe ich mich intensiv beschäftigt. Ursprünglich war | |
die Figur als Politiker angelegt, als jemand aus der Stadtverwaltung. Da | |
hätte ich dann auch keine Waffe benutzen müssen – was mir zusagte. Dass er | |
dann zum Polizisten wurde, machte zwar Sinn, aber ich musste mich erst | |
einmal mit dem Gedanken anfreunden. Denn natürlich habe ich eine private | |
Meinung dazu, wie ein Großteil der Polizei in den USA People of Color | |
behandelt. Ich habe Vorurteile und Diskriminierung am eigenen Leib erlebt | |
und bin mehr als einmal gegen [1][Polizeigewalt] auf die Straße gegangen. | |
Gleichzeitig kenne ich privat auch Polizist*innen, die ganz wunderbare | |
Menschen sind. Und wenn mir eines wichtig ist, dann das Vermeiden von | |
Einseitigkeit, egal bei welchem Thema. Letztlich habe ich für mich | |
befunden, dass es auch positiv sein kann, einen Polizisten zu spielen, wie | |
wir ihn uns wünschen sollten. Einen, der aufrichtig ist und ein moralisches | |
Gespür für Richtig und Falsch hat, das über Regeln oder den reinen | |
Gesetzestext hinausgeht. | |
Ist es richtig, dass ein Freund von Ihnen von der Polizei erschossen wurde? | |
Da sind Sie nicht ganz richtig informiert, auch wenn das schon ein paar Mal | |
so geschrieben wurde. Tatsächlich wurde zu Schulzeiten ein Freund von mir | |
erschossen, doch das war ein tragischer Unfall, der nichts mit der Polizei | |
zu tun hatte. Das war Gewalt unter Jugendlichen, eine dumme Geschichte mit | |
jungen Leuten auf einer Party, die Dinge taten, die sie besser gelassen | |
hätten. Später am College hatte ich einen Kommilitonen, der von einem | |
Polizisten erschossen wurde: Prince Jones. [2][Ta-Nehisi Coates] hat in | |
seinem Buch „Zwischen mir und der Welt“ über ihn geschrieben. Aber wir | |
kannten uns eher flüchtig, das war also kein Fall in meinem unmittelbaren | |
Umfeld. | |
Sie haben vorhin bereits angedeutet, dass Ihnen Schusswaffen nicht ganz | |
geheuer sind … | |
Ich wollte mit Waffen nie etwas zu tun haben, schon als Jugendlicher nicht. | |
Als Schwarzes Kind einer städtischen Arbeiterfamilie ist es natürlich nicht | |
ungewöhnlich, dass ich schon recht früh mit Waffen in Berührung kam. Ich | |
wurde mit Pistolen bedroht, etliche Freunde von mir hatten welche und haben | |
damit wiederum andere bedroht. Ich habe mich dann immer möglichst aus dem | |
Staub gemacht. Schon der Anblick einer Waffe sorgte bei mir für großes | |
Unbehagen. Auch deswegen war die Rolle in „21 Bridges“ eine echte | |
Herausforderung für mich. | |
War es das erste Mal, dass Sie eine Waffe in die Hand nehmen sollten? | |
Nein, das dann doch nicht. Ich war kein kompletter Neuling, sondern war | |
auch schon mal am Schießstand und so. Aber richtig vertraut war ich mit dem | |
Umgang eben nicht. Und plötzlich stand zur Vorbereitung auf die Rolle | |
mehrere Tage die Woche Waffentraining auf dem Programm, mehrere Stunden am | |
Stück, mit einem Cop zu Hause in Los Angeles. Bis zu 500 Schuss echte | |
Munition pro Tag abzugeben, das war eine heftige Erfahrung. Mir hat das | |
richtig körperlichen Stress verursacht. | |
Es ist ziemlich genau zwei Jahre her, dass „Black Panther“ weltweit | |
deutlich mehr als eine Milliarde Dollar eingespielt hat. Wie sehr hat | |
dieser Erfolg eigentlich Ihr Leben verändert? | |
Gar nicht so sehr, ehrlich gesagt. Zumindest gebe ich mir allergrößte Mühe, | |
möglichst genauso weiterzuleben wie vorher. Klappt natürlich nicht immer, | |
und an Halloween ständig auf Leute zu stoßen, die aussehen wie ich in | |
meiner Rolle, ist immer noch ein kurioses Erlebnis. Aber im Großen und | |
Ganzen vergesse ich in meinem Alltag den Erfolg der Marvel-Filme. Ohne ihn | |
natürlich gering zu schätzen. Wer weiß, ob ich ohne [3][„Black Panther“] | |
heute eine eigene Produktionsfirma hätte. | |
Marvel hin oder her: dass der Film so erfolgreich, zum kulturellen Phänomen | |
und sogar als Bester Film für den Oscar nominiert wurde, überraschte doch | |
viele. Hatten Sie das in dieser Form eigentlich erwartet? | |
Wir haben natürlich gehofft, dass der Film gut ankommt. Schon allein, weil | |
wir alle viel Arbeit reingesteckt hatten und wussten, dass es in dieser | |
Form so etwas nie gegeben hatte. Wäre ausgerechnet dieser Marvel-Film | |
gefloppt, wäre das ziemlich fatal gewesen. Gleichzeitig kann ich nicht | |
wirklich eine Erklärung dafür geben, warum es am Ende so gut lief. | |
Vermutlich kamen da verschiedene Dinge zusammen. Anscheinend hat sich unser | |
Anspruch erfüllt, mehr zu bieten als einfach nur einen weiteren | |
Superhelden-Film. Die Geschichte sollte eine gewisse Tiefe haben und ein | |
echtes Gewicht. Außerdem wollten wir nicht bloß eine Afrika-Parodie zeigen, | |
sondern ein Land, das so ähnlich tatsächlich existieren könnte. Allein die | |
Kostüme von Ruth E. Carter trugen in dieser Hinsicht dabei enorm zur | |
Authentizität bei. Und es hat mit Sicherheit auch nicht geschadet, dass es | |
nicht bloß um mich als männlichen Helden ging, sondern zum Beispiel auch um | |
diese vielen tollen, starken Frauen. | |
Stimmt es eigentlich, dass Sie Ihre Schauspielkarriere unter anderem der | |
Kollegin Phylicia Rashad verdanken, die eine ganze Generation von | |
Fernsehzuschauer*innen als Mutter in der „Cosby Show“ kennt? | |
Es ist wahrscheinlich nicht übertrieben zu sagen, dass ich ohne sie nie | |
Schauspieler geworden wäre. Phylicia gab Schauspielkurse an der Howard | |
University, wo ich Regie studierte. Im ersten Semester unterrichtete sie | |
einen Workshop, den ich besuchte, weil ich glaubte, als Regisseur auch | |
etwas über Schauspielerei wissen zu müssen. Als sie im Jahr darauf | |
zurückkehrte und ein ganzes Seminar gab, war ich wieder dabei. Ich hatte | |
ziemliches Lampenfieber und wollte lieber beobachten als selber spielen, | |
aber sie forderte mich immer wieder heraus. Mit der Zeit wurde sie meine | |
Mentorin und ermutigte mich, an der Schauspielerei dranzubleiben. Sie hat | |
Seiten an mir zum Vorschein gebracht, die ich selbst nicht kannte – und | |
dass ich heute hier sitze und mit Ihnen über einen Film spreche, ist | |
sicherlich auch ihr Verdienst. | |
6 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Patrick Heidmann | |
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