# taz.de -- „Siedler“ wird 25 Jahre alt: Wir alle haben es Catan | |
> Millionenfach verkauft, kann man Siedler als deutsches Kulturgut | |
> bezeichnen. Doch nicht alle haben Spaß dabei. | |
Bild: Wer die Runde gewinnt, steht sicherlich schon fest | |
Nach 25 Jahren darf „Siedler von Catan“ sich getrost in eine Reihe stellen | |
mit Spielen wie „Monopoly“ oder „Risiko“. Für diejenigen, die wirklich… | |
nie von dem Spiel gehört haben: Die Spieler*innen können auf einer fiktiven | |
Insel namens Catan Siedlungen erbauen, mit denen Rohstoffe erwirtschaft | |
werden (Erz, Holz, Lehm, Getreide und Schafe); diese werden wiederum | |
genutzt, um neue Straßen, Siedlungen oder Städte zu bauen. | |
Erfunden hat das Spiel Klaus Teuber, ehemals Zahntechniker und heute eben | |
Spieleentwickler. Nachdem schon drei seiner Erfindungen als „Spiele des | |
Jahres“ ausgezeichnet wurden, war Catan 1995 der „Gipfel seiner Karriere“. | |
So beschreibt er es selbst in seiner kürzlich erschienenen Autobiografie | |
„Mein Weg nach Catan“. Darin berichtet Teuber auch, wie er – Achtung, | |
Klischee – im Keller seines Reihenhauses an seinen Spielen arbeitete. | |
Teuber sagt, er habe ein Spiel entwickeln wollen, das ein ähnliches Gefühl | |
erzeugen sollte wie Doppelkopf: die richtige Mischung aus Zufallsmomenten | |
und Strategie. Das sei am Ende dann auch der Grund für den Erfolg des | |
Spiels gewesen. Teuber schreibt, die Menschen begeistere an dem Spiel, dass | |
es „interaktiv, konstruktiv und variabel“ sei. Aber auch, dass die | |
Verlierer*innen sich nicht dumm fühlen müssten – da sie Misserfolge aufs | |
Würfelpech schieben könnten. | |
Der Name sei übrigens eher zufällig entstanden. Weil „Die Siedler“ als | |
Titel schon für ein Computerspiel vergeben war und der Arbeitstitel | |
„Kolonisation“ nicht genutzt werden sollte, schrieb Teuber einfach sieben | |
Namen auf einen Zettel und ließ Familie und Freund*innen abstimmen. Heraus | |
kam: „Catan“ – und mit dem Namen ein ganzes Universum. In den letzten 25 | |
Jahren wurde es in über 100 Ländern millionenfach verkauft, es gibt 60 | |
Varianten und Szenarien, Brett-, Karten- [1][und Computerspiele.] | |
## Ein Spaß für die ganze Familie | |
Vor 25 Jahren schleppte in unserer damaligen WG jemand „Siedler von Cantan“ | |
an, es war gerade „Spiel des Jahres“ geworden. Ein Teil von uns hatte schon | |
immer gerne gezockt, aber jetzt wurde es exzessiv. Nicht selten kam um zwei | |
Uhr nachts der Spruch: „Ach kommt, eine Runde geht noch.“ Manchmal wurden | |
es dann auch noch zwei. Es ist jedes Mal anders, weil das Spielbrett ja | |
immer neu entsteht. Eine gute Mischung aus Glück und Strategie – was auch | |
dazu führt, dass nicht immer dieselben gewinnen. Und es ist komplex, aber | |
die Regeln sind nicht besonders kompliziert. | |
Inzwischen spielen wir es mit unseren Kindern – und auch das exzessiv. Im | |
letzten Sommer zum Beispiel, als wir mit einem Hausboot über die Havel | |
geschippert sind. Gut, da gab es auch nicht so viel zu tun. Aber | |
wahrscheinlich hat „Siedler“ den Familienfrieden gerettet. Meine große | |
Tochter hat sogar die englische Version für ihre Gastfamilie mitgenommen, | |
als sie für ein Jahr nach Minnesota zog. Da wird jetzt auch gesiedlert. | |
Klasse ist auch die Kartenversion für zwei Leute. Da gibt es auch | |
destruktive Karten, mit denen man seinen Aggressionen freien Lauf lassen | |
kann. Ich hab ja besonders den Feuerteufel ins Herz geschlossen, mit dem | |
man die Gebäude, die der Gegenspieler so mühevoll errichtet hat, mit etwas | |
Glück einfach abfackeln kann. Ach, Siedler – das ist einfach eines der | |
besten Spiele, die es gibt. Sabine am Orde | |
## Die todsichere Gewinnstrategie | |
Ich vermeide es tunlichst, Siedler zu spielen. Lediglich von meinen | |
Großeltern lass ich mich bisweilen zu einer Partie überreden. Das Spiel ist | |
nämlich leider zu leicht zu gewinnen. Es gibt eine Strategie, die fast | |
todsicher zum Sieg führt. Wie jede erfahrene Spieler*in weiß, ist es | |
entscheidend, wo man die ersten zwei Siedlungen zu Beginn platziert. | |
Die durchschnittliche Spieler*in wird versuchen, an allen Rohstoffquellen | |
zu sitzen. Das ist Quatsch, denn auf Lehm kann man verzichten. Setzen Sie | |
stattdessen auf Erz, Getreide und Schafe – und zwar, wenn’s geht, auf den | |
Zahlen 6 und 8. Nach wenigen Runden können Sie so schon ihre Siedlungen | |
durch Städte ersetzen (4 Siegpunkte). | |
Die Rohstoffe werden jetzt in Strömen zu Ihnen fließen. Nun kaufen Sie erst | |
einmal nur noch Entwicklungskarten. Schnell haben Sie so nicht nur die | |
größte Rittermacht (6 Siegpunkte), sondern auch reichlich Karten, mit denen | |
Sie anderen schaden können. Sobald Sie zwei Straßen umsonst bauen können: | |
Bauen Sie! Holen Sie sich dann durch Tausch ein Lehm und bauen Sie eine | |
Siedlung (7 Siegpunkte), um gleich in der nächsten Runde (8 Siegpunkte) | |
eine Stadt daraus zu machen. Nun können Sie triumphal Ihre zwei Siegpunkte, | |
die unter den gekauften Entwicklungskarten waren, umdrehen (10 Siegpunkte). | |
Gewonnen! Carolina Schwarz | |
## Noch so eine deutsche Manie | |
„Es gibt viele eigenartige Dinge, die Deutsche tun“, denke ich jedes Mal, | |
wenn mich Freund*innen wieder davon überzeugen wollen mit [2][ihnen eine | |
Runde Brettspiele zu zocken.] Gesellschaftsspiele schaffen es definitiv | |
unter die Top 3 der schrägsten deutschen Angewohnheiten. Meine Freund*innen | |
können sich in beinahe biblische Missionare verwandeln, die von Tür zu Tür | |
gehen, um ihre Religion anzupreisen. Sie verurteilen deine bisherige | |
Existenz („Wie, du hast das noch nie gespielt??!“) und akzeptieren keine | |
andere Meinung als ihre („Wer noch nicht gespielt hat, darf auch nichts | |
dagegen sagen“). | |
Ich kann herzlich wenig mit der Vorstellung anfangen, dass man sich mit der | |
Familie um ein Spielbrett versammelt, um sich so lange gegenseitig | |
irgendwelche Figürchen wegzunehmen, bis einer beleidigt ist und heult. Wenn | |
uns in meiner Familie langweilig wird, dann unterhalten wir uns einfach | |
oder schalten den Fernseher an. Mehr Spaß geht gar nicht. In meiner Straße | |
hat ein kleiner Verein seinen Sitz, er nennt sich Irrlicht. Jeden | |
Freitagabend setzen sich dort einige – haha – Verirrte um Tische herum und | |
spielen gesellig Brettspiele. Ich laufe da immer schnell vorbei. Mir graut | |
vor dem Tag, an dem mich einer von diesen Besessenen abfängt. Erica Zingher | |
## Es ist schnell klar, wer verliert | |
Kürzlich habe ich gelesen, Kinder gingen nur deswegen mit ins Museum, damit | |
sie anschließend länger zocken dürften. Ich glaube das nicht ganz, ich | |
denke eher, Kinder erholen sich danach beim Zocken von der eben doch | |
subtil-intensiven Informationsaufnahme, dem Bildungsstress sozusagen. Beim | |
Gesellschaftsspielen ist es ähnlich, nur kommt hier noch die | |
Wettbewerbssituation dazu. Wann wir Siedler entdeckt haben, weiß ich gar | |
nicht mehr. Vorher haben wir Monopoly gespielt und aber vor allem das tolle | |
Malefiz. | |
Siedler hat am Anfang auch gut funktioniert, ich hatte erst ein bisschen | |
Angst davor, weil ich dachte, es könnte zu kompliziert werden. Auch jetzt | |
noch muss ich die Regeln mir immer erst noch mal genau durchlesen – das | |
heißt, eigentlich muss ich das nicht, denn wir spielen kaum noch Siedler. | |
Das liegt daran, dass für unseren Geschmack viel zu früh feststeht, wer auf | |
keinen Fall mehr gewinnen kann. | |
Das führt dann in meinem Fall zu übermäßigem Konsum frustverschiebender | |
Getränke, mein kleinerer Sohn hat aber dann schlicht keinen Bock mehr. Und | |
wenn er keinen Bock mehr hat, strahlt das ab, er ist eine starke | |
Persönlichkeit. Deswegen spielen wir jetzt lieber Risiko, im Missionsmodus. | |
Da weiß einer schon, wenn er gewinnt – aber die anderen Mitspieler eben | |
noch nicht. Ambros Waibel | |
2 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Carolina Schwarz | |
Sabine am Orde | |
Ambros Waibel | |
Erica Zingher | |
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