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# taz.de -- Bremens Ex-Intendant blamiert sich: Sogar Judith Rakers hat abgesagt
> Die „3 nach 9“-Moderatorin will nicht durch den Semperopernball des
> Bremer Ex-Theaterintendanten und Diktatorenfreunds Hans Joachim Frey
> führen.
Bild: Hans Joachim Frey ehrt Ägyptens Präsidenten Al-Sisi, weil er gegen den …
BREMEN taz | Manchmal trifft Bremens Politik Entscheidungen, deren
segensreicher Charakter im Lande selbst unbemerkt bleibt: Ablesen lässt er
sich nur, wenn man verfolgt, wie sich die Beteiligten anderswo entwickeln.
Deswegen ist es die heilige Pflicht der Lokal-taz, ihren Blick auch in die
weite Welt schweifen zu lassen nach Sibirien, Linz und Kairo, um den
[1][einstigen Theaterintendanten Hans Joachim Frey] im Auge zu behalten.
Den nennen Hajo nur seine Freunde, wie Wladimir Putin, und dessen
freiwilligen überstürzten Abgang 2010 hatte der damalige Bürgermeister und
Kultursenator Jens Böhrnsen (SPD) beschlossen.
Jetzt sorgt Frey [2][bundesweit] für Negativ-Schlagzeilen, von Dresden aus,
beim Semperopern-Ball. Ausgerechnet: Denn der ist ja sein Werk. Die
Veranstaltung dort lanciert zu haben, war 2006 dem Bausenator Jörg
Kastendiek und seiner Staatsrätin Elisabeth Motschmann (beide CDU) die
wichtigste Empfehlung, Frey den größten Kulturtanker Bremens anzuvertrauen,
den er dann auch fast versenkt hätte.
Den Semperball weiter zu betreuen, hatte er sich schon damals ausbedungen,
ebenso tat er’s auf späteren Stationen. Jetzt aber hat er sogar in Dresden
den Bogen überspannt. Alle sind sauer. Und „Tagesschau“-Sprecherin Judith
Rakers, Gesicht und Moderatorin der Radio-Bremen-Talkshow „3 nach 9“ hat
ihren Vertrag gekündigt. Sie will nicht durch das Event am 7. Februar
führen.
## Gold, Gold, Gold!
Wahrscheinlich hat es nie jemand geschafft, Bremens diverse
Intellektuellen- und Kunstszene schneller und nachhaltiger gegen sich
aufzubringen, als Hans Joachim Frey mit seinem marketingartigen
Kulturbegriff und seiner Art, Bildungslücken in schwammigem Manager-Deutsch
zu verpacken.
Seine Spielplan-Idee hieß: Glamour maximieren, weshalb die Programmhefte in
Goldfarbe gedruckt wurden, teilweise mit goldenen Buchstaben auf goldenem
Papier. Ähnlich inhaltsstark sein Versuch, einen Hausregisseur zu drängen,
Weihnachtsbäume zu verkaufen. Zweck: eine Thomas-Bernhard-Produktion zu
bewerben. Der Regisseur war dann mal lieber weg aus Bremen.
Als unangenehm hatten viele auch damals schon Freys Hang zu Geldadel und
autoritären Herrschern empfunden: Anderswo, etwa in Dresden, aber auch im
Bruckner-Haus Linz, wo ihm dank Bürgermeister-Rückendeckung auch
[3][gravierende Unregelmäßigkeiten bei den Dienstreisenabrechnungen] und
ein eklatanter Besucherrückgang nicht krumm genommen wurden. Trotzdem zog
er schon nach fünf Jahre von dannen, um künstlerischer Leiter der
Fußball-Weltmeisterschaft in Russland zu werden.
Aber selbst in der Barockstadt Dresden hat die Liebe zum Glanz Grenzen.
Bislang hatte man es dort immer toll gefunden, dass Hans Joachim Frey beim
Opernball, als wäre das Theater ein eigener Staat und der Ballmeister der
Zar oder wenigstens sein Statthalter, echte Orden verleiht: Das erste
Schmuckstück aus massivem Weiß- und Gelbgold mit Rubin und Brillanten ging,
wie in nepotischen Regimes üblich, an Freys Onkel Armin Müller-Stahl. Einen
der nächsten verschaffte er, in tiefer Dankbarkeit, seinem Gönner Wladimir
Putin.
Man vergebe die Auszeichnung an Menschen, die sich „für das Gute“ in der
Welt einsetzen und „gegen den Strom schwimmen“, heißt es. Weil jede
Diktatur rückwärtsgewandt ist, sind autoritäre HerrscherInnen also
prädestiniert für den Orden. Umso überraschender die aktuelle Empörung. Sie
entzündet sich an der Verleihung des Ordens an den ägyptischen Präsidenten
Abd al-Fattah al-Sisi.
Kritik begegnete Frey erst mit dem klassischen Sport-Argument, dass man ja
keine Politik mache: „Wir wollen Kulturbrücken bauen, um darüber eine
vermittelnde Sprache zwischen Regionen zu schaffen“, schwurbelte er, „und
das ist der Grund, warum wir al-Sisi auszeichnen wollen.“ Außerdem sorge
al-Sisi in Ägypten für „Stabilität“. Knallhart: Die Zahl der Hinrichtung…
steigt jährlich.
In Dresden hatten sich wegen der Al-Sisi-Ehrung der Wirtschaftsminister
(SPD), der Oberbürgermeister (FDP), Die [4][Grünen], der DGB-Chef, der
Heimatsender MDR, die Oper selbst und auch Rakers vom Ball distanziert: Sie
habe am Montag um Auflösung des Vertrags gebeten, teilte sie Mittwoch per
Twitter mit. Von der Zustimmung scheint sie später über Medienberichte
erfahren zu haben.
Wenn alle gegen al-Sisi sind, kann Frey nicht für ihn sein: „Wir möchten
uns für diese Preisverleihung entschuldigen und davon distanzieren“, ließ
er jetzt wissen. Bremen aber kann sich freuen: Solche Peinlichkeiten sind
dem Land erspart geblieben. Und, wäre es nicht so unhanseatisch, würde man
sagen: Dafür gebührt Böhrnsen ein Orden.
31 Jan 2020
## LINKS
[1] /Ausgeladene-armenische-Sopranistin/!5654179
[2] https://kai-gehring.de/2020/01/28/offener-brief-an-den-verein-semper-opernb…
[3] https://www.sn.at/kultur/kunst/brucknerhaus-bahnt-sich-da-ein-kulturskandal…
[4] https://www.sueddeutsche.de/kultur/semperoper-opernball-orden-al-sisi-1.477…
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Fußball und Politik
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