# taz.de -- Opern, die niemand braucht: Skandal ohne Empörung | |
> Das Theater zeigt einen "Barbiere di Siviglia" der so bereits 1981 | |
> Premiere feierte und in etwas besserer Qualität und zu schmalerem Preis | |
> als Video und DVD zu haben ist. | |
Bild: Uraufführung 1816 in Rom? Schön wärs: Dieser "Barbiere di Sivglia" spi… | |
Empörung gibt es nicht. Der Vorhang senkt sich, die Hände spenden warmen | |
Beifall, und es war ja auch alles ganz ordentlich. Ja, selbst die | |
Titelpartie von Gioachino Rossinis "Barbiere di Siviglia" - Alberto | |
Albarrán hat sie, obwohl nur eingesprungen, sehr anständig gemeistert, das | |
verdient Respekt. Es ist wirklich alles glatt gegangen, trotz kleinerer | |
Defizite beim Orchester, die sich aber im Rahmen des Erträglichen halten. | |
Und doch: Diese Opernpremiere ist ein Grund, sich aufzuregen. Sie ist der | |
letzte Akt eines sich über drei Spielzeiten vergrößernden Theater-Skandals. | |
Und zwar eines Skandals, der das Haus beschädigt. Diese Präzisierung ist | |
wichtig. Denn meistens sind Theater-Skandale kein schlechtes Zeichen: Wenn | |
Publikum und Presse sich aufregen, ist das auch ein Indiz für ein | |
lebendiges Theater. Eines das Horizonte eröffnet, das zum Denken zwingt, zu | |
Ablehnung oder Zustimmung. Für dieses Wagnis - und nur dafür - wird Theater | |
üppig subventioniert. Der Bremer Rossini-Zyklus von Altregisseur Michael | |
Hampe hingegen entfaltet dagegen höchstens sedierende Wirkung. Schon | |
Aschenputtel, also "La Cenerentola", war zwar so hübsch, aber auch nur so | |
aufregend wie eine Biedermeier-Kommode. Im Folgejahr wurde mit "Maometto | |
II." eine selten gezeigte Opera Seria aufgeführt - allerdings "beschämend | |
konventionell", wie die taz urteilte. | |
Der "Barbiere" jedoch übertrifft das. Denn gezeigt wird in Bremen, im | |
beginnenden Frühjahr 2010, eine Aufführung, die schon 1981 Premiere | |
feierte. Schon damals galt sie vielen zwar als mustergültig - wohl | |
niemandem jedoch als zukunftsweisend. Seit 1988 ist eine 157 minütige | |
Filmaufzeichnung von ihr im Handel, als Band in Video Home System-Qualität | |
natürlich - das war seinerzeit, als die Mauer noch stand, verbreitet. Die | |
digital remasterte DVD gibts auch, ab 11,95 Euro, also deutlich billiger | |
als die durchschnittliche Opernkarte. Klar, live ist was Besonderes. Aber | |
auch die Konserve hat so ihre Vorzüge: An Cecilia Bartolis Sangeskunst | |
reicht Nadja Stefanoff als Rosina noch nicht ganz heran. Und der Bassist | |
Robert Lloyd war seinerzeit auf der Höhe seines Schaffens, genau wie damals | |
sein Generationsgenosse Kurt Rydl, der jetzt in Bremen den Don Basilio | |
knarzt. | |
Altregisseur Hampes Inszenierungen sind, neben dem Marie | |
Antoinette-Debakel, die größten Ausgabe-Posten im Bremer Theaterhaushalt | |
gewesen. Sie gehen, wie das ruinöse Musical-Projekt, direkt auf eine | |
Initiative des designierten Seebühnen-Intendanten Hans-Joachim Frey zurück: | |
Wahr ist, dass die Opern-Spielpläne einen herausragenden Anteil | |
zeitgenössischen Musiktheaters aufweisen. Gerade am Freitag erlebten "Die | |
Gehetzten" ihre Uraufführung. Und so gesehen ist ein konservatives | |
Gegengewicht bis zu einem gewissen Grade sogar gut: historisieren, | |
konservieren und restaurieren - das sind Kulturtechniken, die aus der | |
Gegenwart unternommen unser Verhältnis zur Tradition mitbestimmen. Aber die | |
Rekonstruktion einer historisierenden Aufführung aus einem Jahr, in dem die | |
Stationierung von Pershing II-Raketen das kontroverseste Thema der Republik | |
war und Werders Wiederaufstieg Bremens größte Sorge - das ist ein Skandal. | |
Denn sie räumt ein: Der Barbiere hat - im rekonstruierenden Ansatz - mit | |
der Gegenwart nichts zu tun. Wir zeigen ihn nur, um Gelegenheit zu geben, | |
die Abendgarderobe auszuführen. Ein Theater, das diese Botschaft verkündet, | |
kann auch seine Schließung fordern. | |
22 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Benno Schirrmeister | |
Benno Schirrmeister | |
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