| # taz.de -- Oberbürgermeisterwahl in Leipzig: Kampf dem roten Fleck | |
| > Sebastian Gemkow will das Unmögliche erreichen: Rathaus-Chef für die CDU | |
| > werden und damit die SPD-Hochburg im schwarzen Sachsen schleifen. | |
| Bild: Jetzt Minister, bald Rathaus-Chef von Leipzig? Sebastian Gemkow | |
| Sebastian Gemkow lächelt in Großformat. 21 mal 20 Meter groß hängt das | |
| Poster an der Giebelseite des ehemaligen Technischen Rathauses über der | |
| Stadt, im Hintergrund leuchtet das MDR-Hochhaus. Das Wahlplakat verspricht: | |
| „Neue Kraft für Leipzig.“ | |
| Der 41-Jährige will hoch hinaus. Er tritt zur Oberbürgermeisterwahl am | |
| kommenden Sonntag an, mit dem Ziel, Leipzigs erster Bürgermeister mit | |
| CDU-Parteibuch zu werden. Mit seiner Kandidatur fordert er den seit 14 | |
| Jahren amtierenden Burkhard Jung (SPD) heraus. Gemkow ist jung und hat eine | |
| nahezu aalglatte Karriere hinter sich – wären da nicht die dubiosen | |
| Verbindungen seines ehemaligen Kanzleipartners in die rechtsradikale Szene. | |
| Sebastian Gemkow, dunkle, gegelte Haare, schwarze Brille und halblanger | |
| Bart, ist ein selbstbewusst auftretender Mann. Im Wahlkampf gibt er sich | |
| bürgernah, verteilt Flugblätter in der Innenstadt oder mischt sich am | |
| Wochenende unter die kunstaffinen Besucher:innen der Galerien auf dem | |
| Gelände der Leipziger Baumwollspinnerei. | |
| Nur wenige Tage vor der Wahl hat er zu einer Bustour an die Orte seiner | |
| Kindheit und Jugend eingeladen. Im schwarzen Rollkragenpulli und Sakko | |
| steht er vorne im Bus wie ein Reiseleiter am Mikrofon. Gemkow persönlich, | |
| der ganz normale Leipziger, erzählt von seiner kindlichen Neugier, mit der | |
| er den Wandel der Stadt beäugte. Vom Judostudio, in dem er trainierte, vom | |
| Chor, in dem er sang. Gemkow will zeigen: Er hat Spuren in der Stadt | |
| hinterlassen. | |
| Das funktioniert. „Ein Leipziger für Leipzig ist eine gute Sache“, sagt | |
| einer der Teilnehmenden. Gemkow hat einen Bonus, mit dem Konkurrent Jung | |
| nicht aufwarten kann: Er ist in Leipzig geboren und aufgewachsen. Als Kind | |
| eines christlich geprägten Elternhauses wuchs er mit einer gewissen Nähe | |
| zur CDU auf. 1990 habe er zum ersten Mal Wahlplakate mit seinem Vater | |
| geklebt, erzählt er. Nach der Schule studierte er Rechtswissenschaften, | |
| trat den Christdemokraten bei und avancierte zum jüngsten Vorsitzenden | |
| eines Leipziger CDU-Ortsvereins. | |
| Zunächst arbeitete Gemkow als Rechtsanwalt, 2014 folgte die Berufung zum | |
| Justizminister des Freistaats. Heute ist Gemkow Wissenschaftsminister und | |
| Landtagsabgeordneter. Bei der Nominierung zum Oberbürgermeister-Kandidaten | |
| von Leipzig im vergangenen November wählten ihn mehr als 99 Prozent der | |
| CDU-Delegierten. | |
| Leipzig ist der rote Fleck im schwarzen Sachsen. Die Stadt steht seit jeher | |
| für linke Tradition. 1863 wurde hier der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein | |
| gegründet, ein Vorläufer der SPD. Führungsfiguren wie Clara Zetkin, Wilhelm | |
| Liebknecht oder Rosa Luxemburg prägten das linke Leipzig. | |
| ## Linksautonome Hochburg | |
| Gewachsen ist Leipzig als kosmopolitische Messestadt, Zentrum des | |
| Buchdrucks und zweitälteste Universitätsstadt Deutschlands. Mit seiner | |
| großen Kreativszene, den intellektuellen Einflüssen studentischen Lebens | |
| und der langen musikalischen Tradition von Johann Sebastian Bach bis zum | |
| Thomanerchor war Leipzig schon immer Anziehungsort für Kulturschaffende und | |
| Intellektuelle. Im Jahr 1989 begannen hier die Montagsdemonstrationen – der | |
| Anfang vom Ende der DDR. Danach erhielt Leipzig den Titel „Heldenstadt“. | |
| Doch die Stadt, die Johann Wolfgang von Goethe vor 212 Jahren als „klein | |
| Paris“ bezeichnet hatte, litt nach der politischen Wende unter dem | |
| ökonomischen Verfall der Nachwendejahre. Immer mehr Häuser standen mit | |
| zerschlagenen Fensterscheiben leer. Im Stadtteil Connewitz entstand eine | |
| Szene, die sich gegen die Angriffe Rechtsextremer zu verteidigen wusste – | |
| und mit ihm schon bald der Mythos von Leipzig als der neuen linksautonomem | |
| Hochburg. | |
| Vereinfacht wurde die Entwicklung durch eine linke Mehrheit im Stadtrat. | |
| Die CDU hingegen konnte hier nie richtig Fuß fassen. Zu stark die | |
| sozialdemokratische Tradition, zu groß die linke Szene. Sebastian Gemkow, | |
| der mit seinem Fahrrad und dem bübischen Lächeln ein bisschen wirkt wie ein | |
| gut situierter Student kurz vor seinem Abschluss – harmlos, aber mit Plan | |
| –, will das ändern. | |
| An einem Abend im Januar kommen unter der gläsernen Kuppel des Medienhauses | |
| die wichtigsten Kandidat:innen zu einer Podiumsdiskussion zusammen. Es ist | |
| die erste große Veranstaltung im Wahlkampf. | |
| Für die Bewerber:innen ist es ein Wettlauf gegen die Zeit. Nur eine Minute | |
| lang darf ein Redebeitrag sein, ein großer, blauer Bildschirm zählt | |
| gnadenlos die Sekunden. Punktgenau landet Gemkow sein Eingangsstatement. Es | |
| ist eine emotionale Lobrede auf die Polizei. Er wolle, dass die Beamten | |
| abends heil zu ihren Familien zurückkommen, statt ins Krankenhaus zu | |
| müssen, sagt der CDU-Kandidat. | |
| Wenn Gemkow argumentiert, dann legt er die Stirn in Falten, um seinen | |
| Aussagen Nachdruck zu verleihen. Er kritisiert, dass die Polizei in Leipzig | |
| zwar aufgestockt worden sei, man die Vorfälle in der Neujahrsnacht aber | |
| doch nicht verhindert habe. „Ich möchte den Rücken decken für unsere | |
| Polizistinnen und Polizisten“, sagt Gemkow. Das Publikum applaudiert. | |
| Sicherheit ist eines der großen Themen im Wahlkampf. Auch wenn Statistiken | |
| keinen Anstieg der Kriminalität belegen, so verschärft sich der Diskurs um | |
| Bedrohtheitsgefühle. | |
| Mit den Vorfällen meint Gemkow die Ereignisse der Silvesternacht im | |
| Szeneviertel Connewitz. Polizist:innen prallen hier auf feiernde Linke, es | |
| folgen Auseinandersetzungen, auf beiden Seiten gibt es Verletzte. Die Nacht | |
| wird zum Politikum, Connewitz zum Synonym für den angeblich florierenden | |
| linken Terror in Leipzig. Dass einiges von dem, was die Polizei zu dieser | |
| Nacht behauptet hat, nicht stimmte, ergaben spätere taz-Recherchen. | |
| Nur wenige Tage nach der Silvesternacht trifft Gemkow sich mit | |
| Polizeipräsident Torsten Schultze und stellt ein Maßnahmenpaket zur | |
| Stärkung der Sicherheit vor: bessere Zusammenarbeit zwischen | |
| Stadtverwaltung und Polizei, keine Duldung rechtsfreier Räume und mehr | |
| Ordnung für die Stadt. | |
| Leipzig ist aufgewühlt von den Diskussionen rund um die Silvesternacht, dem | |
| bundespolitischen Blick auf die Stadt. Nur zwei Wochen danach eskaliert | |
| eine linke Demonstration, einige Teilnehmer werfen Steine und demolieren | |
| Ladengeschäfte. Und sie riskieren damit den Ruf der gesamten Szene. | |
| Doch die Gewaltdebatte mobilisiert auch. Vier Tage vor der Wahl haben | |
| bereits 12,7 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme per Briefwahl | |
| abgegeben, weit mehr als zu früheren Gelegenheiten. | |
| Anlass zu Kritik an Sebastian Gemkow gab es zu seiner Zeit als | |
| Justizminister genug. Als der Terrorverdächtige Dschaber al-Bakr sich 2016 | |
| in seiner Zelle in der Leipziger Haftanstalt das Leben nahm, musste Gemkow | |
| die politische Verantwortung für den Freistaat übernehmen. Es folgte ein | |
| Skandal, der offenbarte, dass jahrelang Ärzt:innen, Journalist:innen und | |
| Anwält:innen abgehört worden waren. Im September 2019 schließlich wurde | |
| bekannt, dass unter den 250 Neonazis, die in einer Nacht-und-Nebel-Aktion | |
| drei Jahre zuvor Linke in Connewitz angegriffen hatten, auch ein | |
| sächsischer Justizbeamter war. | |
| Für viele Leipziger:innen bleibt Gemkow dennoch Sympathieträger. Zu groß | |
| der Wunsch nach mehr Sicherheit, zu eng die Heimatverbundenheit vor allem | |
| der älteren Leipziger:innen. Gemkow argumentiert ruhig, freundlich, ohne | |
| Polemik. Auch die freien Wähler unterstützen ihn. Es sei „Zeit für einen | |
| Wechsel“, ist man sich einig. | |
| Für ein Treffen mit der taz hat Gemkow keine Zeit. Mehrere | |
| Interviewanfragen lehnt seine Sprecherin ab. Dabei gibt es einige offene | |
| Fragen an den Oberbürgermeisterkandidaten. Im Rahmen einer Recherche zu | |
| rechtsextremen Strukturen im Landkreis Leipzig stieß die taz auf den Namen | |
| des damaligen Justizministers. | |
| ## Spuren ins rechtsradikale Milieu | |
| Der Rechtsanwalt Denis van Ngoc, mit dem Gemkow ab 2013 bis zum Amtsantritt | |
| als Justizminister im folgenden Jahr eine gemeinsame Kanzlei führte, pflegt | |
| Kontakte zu rechten Kampfsportlern. Fotos zeigen ihn mit Personen, die bei | |
| dem Neonazi-Angriff auf Connewitz 2016 festgenommen worden waren, sowie mit | |
| Benjamin B., einem ehemaligen Kampfsportler, der unter anderem an | |
| rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz beteiligt war. | |
| Am 24. November 2015, nur Stunden nach einem Aufmarsch der rassistischen | |
| Legida in der Stadt, wird Gemkows Wohnung mit sechs Pflastersteinen und mit | |
| Buttersäure gefüllten Christbaumkugeln angegriffen. Die Fenster | |
| zersplittern, Gemkow, seine Frau und die drei Kinder bleiben unverletzt. | |
| Die Spur führt zu Jens E. und Thomas K. Beide stehen nach dem von den | |
| Rechtsradikalen so titulierten „Sturm auf Connewitz“ 2016 auf einer | |
| polizeilichen Liste der Festgenommenen. Mit dem mutmaßlichen Fluchtauto des | |
| Wohnungsangriffs wird wiederum Benjamin B. geblitzt. | |
| Im Juli 2019 wird K. in zweiter Instanz freigesprochen. Vor Gericht bringt | |
| er zu seiner Verteidigung hervor, er habe Gemkow nicht angegriffen, da | |
| dieser mit seinem Freund van Ngoc befreundet sei, sagt Oberstaatsanwalt | |
| Ricardo Schulz der taz. | |
| Das Gericht habe die Auffassung vertreten, dass K.s DNA-Spuren am Tatort | |
| nicht ausreichend belegt seien, um eine Tatbeteiligung zu beweisen, sagt | |
| Schulz. Der Prozess gegen Jens E. steht noch bevor. Es existieren | |
| Vermutungen, dass der Angriff gar nicht Gemkow selbst gelten sollte, | |
| sondern einem in der Nachbarwohnung angesiedelten linken Onlinehandel für | |
| Kleidung galt. Die Klingelschilder waren vertauscht. | |
| Kennt Gemkow die Verbindungen seines ehemaligen Kanzleipartners? In welchem | |
| Kontakt steht er selbst zu van Ngoc? | |
| Die taz stellte Gemkow diese Fragen bereits im September vergangenen | |
| Jahres. Zu dem Gespräch auf dem Gelände der Leipziger Baumwollspinnerei | |
| kommt er mit dem Fahrrad und in lockerem Hemd. Gemkow antwortet freundlich, | |
| manchmal scherzt er sogar. Zitieren darf die taz ihn aus diesem Gespräch | |
| nicht. | |
| ## Nur ein guter Bekannter, der nach rechts abgedriftet ist? | |
| Auf nochmalige Nachfrage dementiert Gemkow schriftlich, die Personen B. und | |
| K. zu kennen. Mit van Ngoc habe er lediglich studiert und sei mit ihm | |
| kurzzeitig in einer Anwaltskanzlei tätig geworden. Van Ngoc war bis | |
| Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. | |
| Fotos vom Oktober 2018 und Januar 2019 belegen jedoch, wie Gemkow und van | |
| Ngoc gemeinsam beim Abendessen sitzen, Bildüberschrift: „20 Jahre | |
| Freundschaft“. Gepostet hat sie van Ngoc. Weitere Fotos zeigen ihn mit | |
| seinem Hund Odin, wie er für Gemkow wirbt, sich über die Revision im | |
| Prozess gegen seinen Mandanten freut – ein Hells-Angels-Mitglied, das wegen | |
| Mordes angeklagt war. | |
| Im Wikipediaeintrag zu Sebastian Gemkow wird der Hinweis auf die gemeinsame | |
| Kanzlei am 5. Januar 2020 gelöscht. Wenige Tage später taucht er wieder | |
| auf. Im Januar schreibt Gemkow auf schriftliche Nachfrage der taz: „Ich bin | |
| nicht für das, was ehemalige Geschäftspartner tun, verantwortlich zu | |
| machen.“ Kontakte zu Rechtsextremen dementiert er. | |
| Burkhard Jung gibt sich darob empört. Er könne nicht glauben, dass diese | |
| Verbindung ins rechtsradikale Milieu bislang kaum öffentlich Aufsehen | |
| errege. Auch Jung steckt mitten im Wahlkampf, er will seine 14-Jährige | |
| Amtsinhaberschaft gegen Gemkow und die anderen Kandidat:innen verteidigen. | |
| Jung ist eine Institution der Leipziger Sozialdemokratie. Sichtlich wohl | |
| fühlt er sich in seinem großen Büro im Leipziger Neuen Rathaus, einer | |
| festungsgleichen Anlage aus massiven Steinblöcken. Jung inszeniert sich | |
| souverän als einer, der sich nicht einschüchtern lässt. Fragt man ihn, ob | |
| er seinen Posten gefährdet sieht, dann beugt er sich schräg nach hinten, | |
| die Ellbogen auf den runden Tisch gestützt, der Blick in die Ferne. | |
| „Ehrlich gesagt, ich kann mir das nicht vorstellen“, sagt Jung und lächelt. | |
| „In der Wiege der Sozialdemokratie.“ | |
| Jung spricht ruhig und selbstbewusst, ist Profi seines Amtes. „Ganz | |
| unbescheiden“, wie er selbst sagt. Gemkows groß angekündigtes | |
| Sicherheits-Maßnahmenpaket ist für Jung vor allem eines: „Tagesgeschäft. | |
| Überhaupt nichts Neues. Selbstverständlich. Viel spannender finde ich doch | |
| zu fragen: Warum wurde Sebastian Gemkow noch Wissenschaftsminister?“ | |
| Gemkow klemmt den Wahlkampf zwischen Ministerposten, Landtagsmandat und | |
| Familie. Bald wird er erneut Vater, Geburtstermin ist Anfang Februar – | |
| genau zur Oberbürgermeisterwahl. Er sagt, sein Herz schlage für Leipzig. | |
| Sollte er die Wahl gewinnen, wird er seinen Ministerposten niederlegen | |
| müssen. | |
| Amtsinhaber Burkhard Jung sagt über die Art und Weise, wie Gemkow seinen | |
| Wahlkampf betreibt: „Das gehört sich nicht. Das ist unfair und unsachlich.“ | |
| Eine vom Freistaat verschuldete Situation zu nutzen, um damit Wahlkampf zu | |
| machen – das sei „schon frech“. Jahrelang habe der CDU-dominierte Freista… | |
| Sachsen Polizeistellen eingespart. 25.000 offene Verfahren gebe es zudem in | |
| der Justiz, die bis vor Kurzem noch Sebastian Gemkow unterstand. | |
| Das Thema Gewalt in Connewitz nehme viel Raum ein, kritisiert der | |
| Oberbürgermeister. Klar sei: Selbst wenn die Polizei provoziert hätte, | |
| rechtfertige das nicht, auf einen am Boden liegenden Beamten einzutreten. | |
| „Wenn das allerdings zum Instrument im Wahlkampf wird, ist das bedenklich.“ | |
| Jung hat jahrelang in Connewitz gewohnt. Er schwärmt von der wunderbar | |
| bunten kulturellen Welt. „Das wird damit alles gefährdet.“ Jung will, dass | |
| auch Linke ihn wählen. | |
| Die aktuellen Wahlprognosen sprechen nicht dafür, dass sich Kandidat | |
| Sebastian Gemkow durchsetzen wird. Die Politikwissenschaftlerin Marion | |
| Reiser von der Universität Jena geht davon aus, dass es zu einer Stichwahl | |
| Anfang März kommen werde. „Dann ist die Frage, wie sich die einzelnen | |
| Parteien positionieren.“ Entscheidend für eine Oberbürgermeisterwahl ist | |
| auch die Zusammenarbeit mit dem Stadtrat. Und der formierte sich bei den | |
| Wahlen 2019 zwar mit einer schwachen SPD, aber dennoch mit rot-rot-grüner | |
| Mehrheit. | |
| „Bei einer Oberbürgermeisterwahl steht die Persönlichkeit der Kandidaten im | |
| Zentrum, nicht etwa die Parteizugehörigkeit“, sagt Reiser. Jung habe den | |
| Amtsinhaberbonus, Gemkow einen hohen Bekanntheitsgrad. Charisma haben | |
| beide. | |
| Doch Jung hat den entscheidenden Vorteil, sich mit der Entwicklung Leipzigs | |
| in den letzten Jahren brüsten zu können. Besonders stolz sei er darauf, | |
| „dass die Geschichte des nachhaltigen Wachstums wirklich aufgegangen ist“. | |
| Ein Verdienst, das er nicht unwesentlich auch sich selbst zuschreibt. | |
| Viele Leipziger:innen schätzen diese Selbstsicherheit. Tatsächlich ist die | |
| Arbeitslosenquote mit 5,9 Prozent so niedrig wie seit 1991 nicht mehr. | |
| Wirtschaftlich hat Leipzig in den vergangenen Jahren einen enormen Boom | |
| erfahren. | |
| Doch wie jede Wachstumsgeschichte ist auch die von Leipzig endlich. Schon | |
| jetzt wird der bezahlbare Wohnraum knapp, linke Initiativen kritisieren die | |
| Wohnungspolitik von Oberbürgermeister Jung. | |
| ## Bauen, bauen, bauen – aber um welchen Mietpreis? | |
| Der sagt, ihm mache die Mietpreisentwicklung sorgen. Jungs Versprechen: | |
| 10.000 neue Sozialwohnungen in den nächsten acht Jahren. Gemkow sagt, man | |
| müsse „bauen, bauen, bauen“. Mehr Angebot sei das Rezept für die Zukunft | |
| der Stadt. | |
| Eines dieser Bauprojekte entsteht an der Prager Straße, die vorbei am | |
| Völkerschlachtdenkmal und der Alten Messe bis zur Innenstadt eine der | |
| zentralen Achsen Leipzigs bildet. Auf dem Gelände des ehemaligen | |
| Technischen Rathauses entstehen unter dem Namen „Ostforum“ drei | |
| hochpreisige Neubauten. | |
| Baufirma ist die CG-Gruppe. Im Oktober zündeten Unbekannte auf dieser | |
| Baustelle Kräne an. Gröner empörte sich, der finanzielle Schaden war groß. | |
| Die Bauarbeiten gingen trotzdem weiter. | |
| Es sei „völlig in Ordnung“, dass ein Baumeister seine Baupläne verfolge. | |
| „Aber die Mietpreise im Erstbezug sind nicht mehr bezahlbar“, sagt | |
| Oberbürgermeister Jung. Auf die Frage, wie er und Christoph Gröner | |
| zueinander stehen, schmunzelt er und sagt: „Herr Gröner und ich werden | |
| keine Freunde mehr.“ | |
| Heute flankiert diese Baustelle jenes Wahlplakat von Sebastian Gemkow. Es | |
| ist das größte der Stadt, eingerahmt von weit in den Himmel ragenden roten | |
| Baukränen. Ein Sprecher der CG-Gruppe sagt der taz, die Werbung sei „keine | |
| Unterstützung des Kandidaten“. Von Gemkow heißt es, man wolle mit dem | |
| Standort ein Zeichen setzen, „dass sich Leipzig von solchen Anschlägen | |
| nicht einschüchtern lässt“. | |
| Auch Jung verurteilt den „linken Terror“, sagt aber, man dürfe die linken | |
| Akteure nicht pauschal verurteilen. „Sachsen hat erst einmal ein | |
| Rechtsradikalismusproblem.“ | |
| Gemkow selbst kann man das nicht vorwerfen. Die Indizien reichen nicht aus, | |
| um ihm direkte Kontakte in die rechtsradikale Szene nachzuweisen. Doch der | |
| Schatten der ungeklärten Fragen bleibt. | |
| Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde nachträglich geändert. | |
| 31 Jan 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Sarah Ulrich | |
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