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# taz.de -- Ausstellungsempfehlung für Berlin: Stimmen aus den Tropen
> Maria Thereza Alves und Lucrecia Dalt holen im Botanischen Garten Stimmen
> und Denken der Guaraní hervor. Die taz sprach mit einer der
> Künstlerinnen.
Bild: Unterschiedliche Denkwelten: die wissenschaftliche Bezeichnung einer Pfla…
Ihr rundes, am Stil sanft sich spaltendes Blatt trägt sie über der
Wasseroberfläche, feine Härchen bringen ihre weiße Sternblüte scheinbar ins
Flirren – die Nymphoides humboldtiana ist ein filigranes Wasserpflänzchen
aus den Tropen Südamerikas. Benannt ist sie nach ihrem Entdecker Alexander
von Humboldt (1769–1859), dessen 250. Geburtsjahr derzeit vielfältig
gefeiert wird, und klassifiziert nach dem Botaniker Jean-François Séguier
(1703–1784), der ihre Gattung der Seekanne erstmals ausgemacht haben soll.
Selbstverständlich gehört die Bezeichnung Nymphoides humboldtiana auf einem
Schildchen neben der Süßwasserblume zum wissenschaftlichen Repertoire im
Tropenhaus des Botanischen Garten Dahlem, doch hinter der Sprache steckt
eine ganze Ahnenschaft westlichen Denkens – und westlichen Waltens über das
Wissen um die Dinge der Welt.
Maria Thereza Alves (s. u.) holt auf einem weiteren Schild eine alternative
Bezeichnung hervor: „Yvoty mbopora ponhuregua“. In der indigenen Sprache
Guaraní aus dem brasilianischen Mato Grosso do Sul, wo die Nymphoide
wächst, ist diese eine Anrufung an den ganzen Kosmos: „Fünfblättrige Blume
vom Geist der Felder und Wälder: Du wirst eines Tages gehen, aber ich
nicht“.
In einer immersiven Installation überlagern nun Alves und die
Soundkünstlerin Lucrecia Dalt mit der Sprache, den Klängen und den
Bedeutungen aus den Wäldern der Guaraní das westlich-wissenschaftliche
Ordnungssystem, auf dem der Botanische Garten angelegt ist. Und es entsteht
ein ganzer Raum von vielen Stimmen.
Einblick 809: Maria Thereza Alves, Künstlerin
taz: Maria Thereza Alves, welche Ausstellung in Berlin hat dich zuletzt an-
oder auch aufgeregt? Und warum?Maria Thereza Alves: „Garten der irdischen
Freuden“ im Gropius Bau. Viele Arbeiten zeigten eine durchdachte
Untersuchung des Gartens – und stellten sein übliches Bild als bürgerliche
Einrichtung in Frage. Zum Beispiel diejenigen von Tacita Dean oder Renato
Leotta. Uriel Orlows Video über das Gefängnis Robbin Island machte den
aktiven Widerstand deutlich, den die Insassen – darunter Nelson Mandela –
durch die Pflege eines Gartens ausüben konnten.
Welches Konzert oder welchen Klub in Berlin kannst du empfehlen?
Ich gehe nicht viel aus, um Musik zu hören: Zu viele interessante Orte
diskriminieren diejenigen, die vielleicht sitzen müssen. Mir gefällt der
Pierre-Boulez-Saal. Die Programme sind ausgewogen zwischen klassischen
Werken und zeitgenössischen Kompositionen. Es werden auch bildende Künstler
eingeladen. Ich bewundere diese Versuche künstlerischer Inklusivität in
Berlin.
Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet dich zurzeit
durch den Alltag?
„Wayward Lives. Beautiful Experiments“ von Saidiya Hartman und „L’uso d…
saperi“ von Paolo Do
Was ist dein nächstes Projekt?
Eine Arbeit für die kommende Sydney-Biennale: Ich möchte ermöglichen, die
erste Zeitung in Guarani zu veröffentlichen: OIKOVYTERI ITEKO'A MÔĪNGUEVYA
(Die Dekolonisierung geht weiter), herausgegeben von Maximino Rodrigues und
Michely Vargas.
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht dir am meisten
Freude?
Wasser auf meine Zimmerpflanze sprühen, einen Jungfernhaarfarn. Der wächst
auf vielen Teilen der Erde, auch in der Region von Brasilien, aus der ich
komme.
30 Jan 2020
## AUTOREN
Sophie Jung
## TAGS
Einblick
Alexander von Humboldt
Installation
Kunst Berlin
Berliner Galerien
Pflanzen
zeitgenössische Kunst
Anthropozän
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