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# taz.de -- Die Wahrheit: BJs Brexitexit
> Bald ist es so weit: Großbritannien kapselt sich von Europa ab! Damit
> niemand mehr „Brexit“ sagt, soll das Wort „Brexit“ einen Exit erfahre…
Der Brexit wird verboten. Am Freitag tritt das Vereinigte Königreich
offiziell aus der Europäischen Union aus, und der britische Premierminister
Boris Johnson will nicht, dass seine Parteikollegen und
Regierungsangestellten das Unwort danach jemals wieder in den Mund nehmen.
Die finden das ziemlich töricht, denn schließlich stehen die Verhandlungen
über die künftigen Beziehungen zur EU an. Heißen die dann nicht mehr
Brexit-Verhandlungen, sondern Künftige-Beziehungen-Verhandlungen?
Manche freuen sich jedoch, denn das Wort hat bei einem Großteil der
Bevölkerung Depressionen ausgelöst. Die Prozac-Pillen können demnächst also
im Schrank bleiben. Aber es gibt noch viel zu tun, denn es wimmelt es nur
so von Worten, die für Regierungsohren schmerzhaft sind.
„Austerität“ zum Beispiel. Das wollen die Tories durch „Bremsung des Tem…
bei der Erhöhung der Ausgaben“ ersetzen. Das Wort „Gesundheitskrise“ ist
ebenfalls verpönt, schließlich gibt es Vorschläge, die Warteliste durch
Doppelbelegung von Krankenhausbetten zu verkürzen. Wenn man etwas
zusammenrückt, kann man vieles bewältigen, das hat der berühmte britische
„Blitz spirit“ während des Zweiten Weltkriegs bewiesen.
Das Wort „Unabhängigkeit“ hingegen ist uneindeutig. In England ist es ein
schönes Wort, das Befreiung vom EU-Joch verspricht. Aber in Schottland
klingt es für Tory-Ohren hässlich, weil es das Ende des Vereinigten
Königreichs an die Wand malt. Wie soll man mit dem Wort umgehen? Da kann
sich Johnson von der Sun beraten lassen. Vor dem schottischen
Unabhängigkeitsreferendum 2014 erschien das Boulevardblatt mit zwei
verschiedenen Titelseiten: Horror in England, Hoffnung in Schottland.
## Ehemalige Personen
Die Zensur kann nicht nur auf Begriffe angewendet werden, sondern auch auf
Menschen. Corbyn und Bercow, so schlägt der Scotsman vor, könnten künftig
als „ehemalige Personen“ bezeichnet werden, so wie man es mit der
Aristokratie während der Oktoberrevolution in Russland gemacht hat. Und
warum sollte man bei Wörtern aufhören? Auch bei Fotos gibt es
Handlungsbedarf. Stalin hat es vorgemacht, und heutzutage ist es dank
diverser Bildbearbeitungsprogramme wesentlich einfacher, ein Foto zu
retuschieren. So ließe sich Johnsons Vorgängerin Theresa May recht einfach
aus der Geschichte tilgen.
Aber Johnson hat offenbar nicht nur von Stalin gelernt, sondern auch von
Pol Pot, der die intellektuelle Elite seines Landes ermorden ließ. So weit
wird Johnson nicht gehen, aber er hat sie mit seinem Brexit zumindest
vertrieben, so dass von dieser Seite kein Widerstand mehr droht. Rund
11.000 Akademiker sind seit dem Referendum 2016 von britischen
Universitäten ins Ausland geflohen.
Das neue Zeitalter, so hat der Premierminister angeordnet, heißt
Johnsonismus.
27 Jan 2020
## AUTOREN
Ralf Sotscheck
## TAGS
Schwerpunkt Brexit
Boris Johnson
Unabhängigkeit Schottland
Irland
Kolumne Die Wahrheit
Lesestück Recherche und Reportage
Schwerpunkt Brexit
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