# taz.de -- Hilfe für Geflüchtete in Bremen: Sprachlos beim Arzt | |
> Die Bremer Begleitgruppe Acompa fordert mehr qualifizierte | |
> Sprachvermittlung für Arztbesuche und Psychotherapie. | |
Bild: Nicht immer ist ein Dolmetscher dabei wie hier im baden-württembergische… | |
BREMEN taz | Qualifizierte Übersetzungsdienste für Arztbesuche und | |
Psychotherapie fordert die Bremer Begleitgruppe Acompa in einem offenen | |
Brief an die Deputation für Gesundheit. Denn sowohl in der | |
psychotherapeutischen Behandlung als auch beim Hausarzt sei es wichtig, | |
seine Beschwerden möglichst klar beschreiben zu können. Acompa fordert in | |
dem Brief „eine Ausweitung und Verstetigung von Sprachmittlungsdiensten im | |
gesamten Gesundheitsbereich“. Dolmetschende sollten dabei auch fachlich | |
qualifiziert werden. | |
In der 2012 gegründeten Gruppe engagieren sich Freiwillige, die geflüchtete | |
Menschen zu Ämtern und Behörden begleiten. Mittlerweile gehören auch | |
Arztbesuche dazu. Eigentlich liegt der Fokus auf der Begleitung und nicht | |
auf der Übersetzung. Trotzdem sei es oft notwendig zu dolmetschen, sagt | |
Ricarda Schäfer, Mitglied der Gruppe. „In vielen Ämtern ist es immer noch | |
schwierig, in einer anderen Sprache als Deutsch zu kommunizieren.“ | |
Im Brief wird auch auf den Koalitionsvertrag verwiesen. Darin heißt es: | |
„Sprachbarrieren in der Behandlung und Begleitung von Migrant*innen sollen | |
abgebaut werden.“ In den letzten Monaten gab es vermehrt Anfragen für | |
Begleitungen im medizinisch-psychotherapeutischen Bereich, erzählt Schäfer. | |
Dabei komme die Gruppe aber an ihre Grenzen. „Wir verfügen nicht über die | |
Professionalität, langfristige Begleitung zu psychotherapeutischen | |
Sitzungen zu ermöglichen.“ | |
Ein Modellprojekt des Bremer Vereins Refugio, der Beratung für Geflüchtete | |
anbietet, soll diese Begleitung zumindest bis Ende 2020 gewährleisten. Das | |
Projekt heißt „Sprachmittlungspool“. Es soll die Koordination und | |
Finanzierung von Sprachmittlung bei psychiatrischen Fachärzt*innen und | |
Psychotherapeut*innen fördern. | |
## Geld von der Gesundheitsbehörde | |
Das Geld kommt von der Gesundheitsbehörde. Ein Riesenschritt, findet Marc | |
Millies von Refugio: „Das ist der Kern der Versorgung von Menschen, die auf | |
der Flucht traumatische Erfahrungen gemacht haben.“ Der Bedarf ist groß, so | |
Millies. Auch die Qualifizierung und Fortbildung der hier | |
nicht-ehrenamtlichen Sprachmittler*innen ist Teil des Projekts. | |
„Das Projekt von Refugio ist ein guter Ansatz“, sagt Ricarda Schäfer. | |
Acompa geht es darüber hinaus aber auch um die sprachliche Begleitung „in | |
Behandlungszentren bei psychischen Krisen, in Krankenhäusern sowie | |
allgemein- und fachärztlichen Praxen“. Diese könne das Modellprojekt nicht | |
anbieten. Wer eine solche Begleitung leisten könnte, ist unklar. | |
Jörg Hermann, Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Bremen, | |
begrüßt das ehrenamtliche Übersetzen von Gruppen wie Acompa. Es sei | |
unbestritten, dass Sprachbarrieren ein riesiges Problem in der Behandlung | |
darstellten, weil sie Behandlungen länger und schwieriger machten. „Bei uns | |
kommen Beschwerden hauptsächlich von Seiten der Ärzte und Ärztinnen an, | |
dass das berücksichtigt werden muss.“ | |
Eine Hilfe, die die KV in diesem Bereich anbietet, ist eine Suchfunktion | |
auf der Webseite, die Ärzt*innen mit Fremdsprachenkenntnissen auflistet. | |
351 Ergebnisse gibt es derzeit für Englisch, 33 für Russisch und fünf für | |
Arabisch. Ein eigenes Angebot an Sprachmittler*innen könne die KV aber | |
nicht bereitstellen. Es sei immer leichter festzustellen, wer nicht | |
zuständig ist, sagt Hermann – die Krankenkassen sind es in diesem Fall | |
nicht, das hat auch das Bundessozialgericht entschieden. | |
Hermann hofft auf den Plan der Gesundheitssenatorin, Gesundheitszentren in | |
Stadtteilen „mit niedrigem Sozialindex“ aufzubauen, wie es im | |
Koalitionsvertrag heißt. Laut Sprecherin der Gesundheitssenatorin soll ein | |
erstes Zentrum 2023, zum Ende der Legislaturperiode, stehen. Verbindliche | |
Aussagen könnten noch nicht getroffen werden, sicher sei aber, dass der | |
Punkt Sprachvermittlung mitgedacht werden müsse. | |
## Keine Arabisch-Übersetzer bei Acompa | |
„Es gibt ein Dolmetscher*innenproblem in Bremen“, sagt auch Vera Bergmeyer | |
vom Projekt Medinetz in Bremen, das Menschen ohne Papiere medizinisch | |
begleitet. Mit gezielten Fragen durch Übersetzungen könne in zehn Minuten | |
geklärt werden, was vorher in einer Stunde nicht möglich war. Momentan | |
übernehmen laut Bergmeyer häufig Familienmitglieder das Dolmetschen, nicht | |
selten auch Kinder. Das sei aber keine Option für den psychotherapeutischen | |
Bereich, in dem es etwa um Gewalterfahrungen geht. | |
Die Freiwilligen bei Acompa können momentan in den Sprachen Englisch, | |
Französisch, Spanisch und Türkisch vermitteln. Dass Arabisch nicht darunter | |
ist, findet auch Ricarda Schäfer von Acompa problematisch. Die Gruppe suche | |
zwar neue Mitglieder, um aus möglichst vielen Sprachen zu übersetzen. | |
„Eigentlich würden wir aber gerne überflüssig sein“, sagt Schäfer. Der | |
Ausbau der Sprachmittlungen müsse auf Behördenseite passieren. | |
Die Gesundheitsbehörde will sich am Dienstag zu dem Thema äußern. | |
27 Jan 2020 | |
## AUTOREN | |
Teresa Wolny | |
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