| # taz.de -- Ehrenamtliche Arbeit für Geflüchtete: Nach der Ersten Hilfe | |
| > Im Sommer 2015 setzten sich viele Menschen in Deutschland für Geflüchtete | |
| > ein. Was ist davon noch übrig? | |
| Bild: Zwei Helferinnen beschäftigen sich 2015 mit geflüchten Kindern in Freil… | |
| Lautes Klatschen erfüllt den Dortmunder Hauptbahnhof. Es ist ein früher | |
| Morgen im Spätsommer 2015, [1][Menschen strömen in alle Richtungen], und | |
| einige halten Schilder in die Luft, auf denen „Welcome to Dortmund“ und | |
| „Refugees Welcome“ steht. Viele ehrenamtliche HelferInnen stehen bereit, um | |
| geflüchtete Menschen zu empfangen. Freiwillige verteilen Spendenpakete und | |
| weisen den Neuankömmlingen den Weg. | |
| Fatma Karacakurtoglu erinnert sich noch genau an diese Zeit, sie war eine | |
| der HelferInnen vor Ort. Für sie war es eine überwältigende Situation. | |
| „Wildfremde Leute kamen einfach zusammen und haben geholfen. Es war | |
| unbeschreiblich“, erinnert sie sich. | |
| In Nordrhein-Westfalen hatten damals Hilfsorganisationen in den sozialen | |
| Netzwerken zum Helfen aufgerufen. Schnell fanden sich Hunderte Freiwillige, | |
| die am Bahnhof geflüchtete Menschen willkommen hießen und betreuten. Und | |
| nicht nur in Dortmund engagierten sich Menschen für Geflüchtete: [2][Laut | |
| einer Umfrage des Bundesfamilienministeriums] hat 2015 mehr als die Hälfte | |
| der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahren Flüchtlinge ehrenamtlich | |
| unterstützt. | |
| Doch die Umfrage zeigt auch, dass 2017 nur noch 19 Prozent der Deutschen | |
| für Flüchtlinge im Einsatz waren. Was ist aus dem ehrenamtlichen Engagement | |
| geworden? Ist der Einsatz in der Flüchtlingsarbeit nicht mehr notwendig? | |
| ## Neue Anforderungen | |
| Fatma Karacakurtoglu hat im Oktober 2015 den Verein [3][Train of Hope] | |
| gegründet und setzt sich seitdem für Geflüchtete ein. „Anfangs haben sich | |
| bis zu 2.000 Menschen freiwillig gemeldet“, erzählt sie. Für Karacakurtoglu | |
| ist es nicht verwunderlich, dass sich die Zahl der Freiwilligen verringert | |
| hat. Bei vielen hätten sich die Lebensumstände verändert, sodass ein | |
| längerfristiges Engagement einfach nicht immer möglich war. | |
| Auch Diana Henniges, Gründerin des Vereins [4][Moabit hilft] in Berlin, hat | |
| diese Erfahrung gemacht: „Es ist normal, dass das Engagement weniger | |
| geworden ist. Aber der Rückgang an EhrenamtlerInnen ist nicht so stark, wie | |
| man denkt“, sagt sie. Es gab eine Umstrukturierung in den vergangenen | |
| Jahren. | |
| Vor allem die Ansprüche an die [5][Tätigkeit von Ehrenamtlerinnen] hätten | |
| sich verändert, erklärt Henniges: Die Aufgaben und die Bereiche, die die | |
| Arbeit heute abdeckt, seien andere als bei der Ankunft der geflüchteten | |
| Menschen im Sommer der Zuwanderung. „Die Stellung und Ausfüllung von | |
| Asylanträgen beispielsweise bedingt ein Wissen von Gesetzeslagen oder | |
| anderen Fähigkeiten, die erlernt werden müssen“, sagt sie. | |
| Vereine wie Moabit hilft haben einen regelmäßigen Austausch mit anderen | |
| Initiativen. Monatlich gibt es einen Stammtisch, bei dem man sich trifft | |
| und unterhält, erzählt Henniges. „In den Randbezirken Berlins gibt es | |
| teilweise gar keine EhrenamtlerInnen mehr; das liegt an der Veränderung des | |
| gesellschaftlichen Umgangs und der Verschärfung des Rassismus“, sagt sie. | |
| Auch nach Einschätzung der Caritas hat das Engagement der Freiwilligen in | |
| Deutschland seit 2017 stark abgenommen. Ein Grund sei „die nicht mehr | |
| ‚brandaktuelle‘ Not der Geflüchteten wie noch 2015“, schreibt die Caritas | |
| auf die Anfrage der taz. | |
| Doch es gibt noch immer Bereiche, in denen dringend nach Unterstützung | |
| gesucht wird. Gerade die Wohnungssuche stellt für viele Geflüchtete ein | |
| Problem dar. Und ist einmal eine private Unterkunft gefunden, offenbaren | |
| sich noch tiefergehende Schwierigkeiten. „Kaum ist die Wohnung da, kommt | |
| die Einsamkeit“, sagt Fatma Karacakurtoglu. | |
| ## Es fehlen soziale Kontakte | |
| Die Art der ehrenamtlichen Hilfe für Geflüchtete hat sich mit der Zeit | |
| verändert. Im Sommer 2015 und in den darauffolgenden Monaten, musste man | |
| sich zunächst vor allem um die grundlegende Versorgung kümmern. Doch nun | |
| müssen die Geflüchteten in der deutschen Gesellschaft Fuß fassen. | |
| Laut der Caritas fehlt es vielen geflüchteten Menschen in Deutschland an | |
| sozialen Kontakten. Daher werden in vielen Organisationen in diesem Bereich | |
| noch helfende Hände gesucht. Die genaue Zahl der EhrenamtlerInnen lässt | |
| sich heute nicht exakt bestimmen. Diana Henniges schätzt die Situation so | |
| ein: „Viele, die mal ehrenamtlich tätig waren und immer noch Arbeit | |
| leisten, sind oft noch intransparent in Einzelfällen tätig.“ | |
| Nicht alle ehrenamtlichen HelferInnen von 2015 haben ihre Tätigkeiten | |
| aufgegeben, dennoch ist ihre Zahl seit 2017 gesunken. Der Bedarf scheint | |
| zwar nicht mehr so groß zu sein, aber er ist immer noch da – er hat sich | |
| nur verändert. | |
| 29 Jan 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Mehr-Fluechtlinge-in-Deutschland/!5282914 | |
| [2] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/studie-zeigt--viele-menschen-engagieren-sich-f… | |
| [3] https://www.trainofhope-do.de/ | |
| [4] https://www.moabit-hilft.com/ | |
| [5] /Diskriminierung-durch-Asylgesetz/!5654369 | |
| ## AUTOREN | |
| Eliane Morand | |
| Denise Klein | |
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