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# taz.de -- BBC-Direktor Tony Hall tritt zurück: Tony, Boris und die BBC
> BBC-Chef Tony Hall tritt zurück. Aus strategischen Gründen, der
> britischen Rundfunkanstalt stehen Verhandlungen mit der Regierung Johnson
> bevor.
Bild: Tony Hall, April 2013 bei seinem Amtsantritt bei der BBC
Die britische [1][BBC], Mutter aller öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten, kämpft um ihr Überleben. So sieht es jedenfalls aus,
wenn man der britischen Presse glaubt und deren dramatischem Tonfall, seit
am Montag BBC-Chef Tony Hall seinen Rücktritt erklärt hat.
Was ist wirklich los? Zunächst mal die Fakten: Tony Hall, seit 1973 bei der
BBC und seit 2013 ihr „Director General“ (DG), hat eigentlich noch bis 2022
einen Vertrag, wird aber, wie nun bekannt ist, schon diesen Sommer seinen
Posten räumen. Am liebsten wäre er „niemals gegangen“, schrieb der
Oberintendant in einem Statement an seine 22.000 Mitarbeiter*nnen.
Hall tritt nach eigenen Aussagen ab, weil 2022 eine „Mid-Term-Review“ und
2027 eine Neufassung der BBC-Charta anstehen. Das bedeutet, dass die
Existenzgrundlage der BBC neu verhandelt wird. Hall will, „dass die BBC bei
beidem von ein und derselben Person geführt wird“.
Die sogenannte Royal Charta, die das Existenzrecht der Sendeanstalt
festschreibt, gilt jeweils für zehn Jahre. Sie regelt die Finanzierung, die
Aufgaben und die Rechte der BBC. Alle zehn Jahre, wenn dieses Papier neu
verhandelt wird, kann also theoretisch auch das Ende oder ein kompletter
Neuanfang der BBC beschlossen werden – ganz anders als bei den deutschen
öffentlich-rechtlichen Sendern ARD, ZDF und Deutschlandradio.
## Boris Johnson hat große Pläne
Und diese Verhandlungen sind durchaus ernst zu nehmen. Bei der letzten
Runde im Jahr 2017 hatte die konservative Regierung der BBC bereits zur
Halbzeit („Mid-Term“) eine große Evaluation auferlegt, bei der auch die
Höhe der Rundfunkgebühr neu festgelegt wird. Aktuell beträgt sie
umgerechnet rund 180 Euro pro Jahr und ist per Index an die allgemeine
Kostenentwicklung gekoppelt.
Anders als die deutschen Sender ist die BBC dabei immer direkt von
Entscheidungen der britischen Regierung und des Parlaments abhängig. Und
Premier Boris Johnson und seine für die BBC zuständige Medienministerin
Nicky Morgan haben schon robust angedeutet, wohin für sie die Reise gehen
soll: [2][Die Gebührenfinanzierung könnte abgeschafft und durch ein
Abo-Modell wie bei den Streamingdiensten ersetzt werden]. Auch der Auftrag
der BBC dürfte auf den Prüfstand gestellt werden.
Doch zu viel Panik muss auch nicht sein: „Auntie“, „Tantchen“, wie die …
liebevoll genannt wird, ist immer noch ganz gut in Schuss. Auch gemessen an
ihren deutschen Verwandten. Das Programm ist international
wettbewerbsfähig, die Nachrichten und Magazine gelten als Weltmaßstab.
Die Digitalisierung setzt die BBC seit den 2000er Jahren konsequent um. Mit
ihrer Mediathek, dem BBC-iPlayer, hat sie das Streamingzeitalter im Prinzip
selbst eingeläutet. Von den unter 25-Jährigen nutzt immerhin noch knapp die
Hälfte das lineare BBC-Programm, und viele junge Menschen schauen auch auf
Netflix Inhalte der BBC.
## Nachzahlungen an Frauen
Allerdings hatte und hat die BBC auch mit diversen Skandalen zu Kämpfen:
Tony Hall, zwischenzeitlich Direktor der Royal Opera, wurde nach dem
Jimmy-Savile-Desaster zum Sender zurückgeholt. Savile, bis in die 1980er
Jahre aktiver Starmoderator, hatte jahrzehntelang Kinder misshandelt. Weil
die BBC-Spitze versuchte, die im eigenen Haus recherchierte
Berichterstattung zu verhindern, musste Halls Vorgänger gehen. Abserviert
wurde er übrigens durch ein hartes Interview des hauseigenen Politikkanals
Radio 4 – auch das ein Unterschied zu öffentlich-rechtlichen Zuständen
hierzulande.
Hall machte zunächst vieles richtig. Negativ hängt ihm an, dass er der
Regierung Zugeständnisse machte und versprach, dass der Sender für die
Gebührenbefreiung für Senior*nnen selbst aufkommt. Das kostet die BBC
seitdem 750 Millionen Pfund, die vorher aus dem Staatshaushalt kamen.
Außerdem flog ihm die eigene Transparenz um die Ohren: Weil nämlich die BBC
alle Jahresgehälter über 150.000 Pfund veröffentlicht, merkten viele
Frauen, [3][dass sie für die gleiche Arbeit viel schlechter als ihre
männlichen Kollegen bezahlt wurden]. Die Folge sind Nachzahlungen in
Millionenhöhe.
Konsequenterweise finden jetzt viele, dass auf Hall eine Frau folgen muss.
Die Suche nach Kandidat*nnen soll schon in den nächsten Wochen beginnen.
21 Jan 2020
## LINKS
[1] /!t5013742/
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[3] /Moderatorin-Samira-Ahmed-siegt-gegen-BBC/!5655554
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
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