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# taz.de -- Nach der Wahl in Großbritannien: Die BBC zwischen den Fronten
> Die Konservativen wollen die BBC zum Teil boykottieren – und die Labour
> Party ist sauer auf den Sender, weil sie die Wahl verloren hat.
Bild: Boris Johnson vor seinem BBC-Auftritt in der Andrew Marr Show im Septembe…
Berlin taz | In Großbritannien dreschen zehn Tage nach der Unterhauswahl
[1][die siegreichen Konservativen] wie die abgeschmierte Labour Party
lautstark auf die BBC ein. Dass nach einer Wahl sowohl Sieger wie Verlierer
auf die Medien sauer sind, ist ein alter Hut. Im Allgemeinen gilt so etwas
als Beleg, dass die Medien alles richtig gemacht und keine politische
Richtung bevorzugt haben. Doch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in
Brexit Britain ist das ein eher schwacher Trost. Denn die BBC steht klar
auf der Umbau-Liste von Boris Johnson und seinem Top-Berater Dominic
Cummings, dem innigste Verachtung für diese britische Institution
nachgesagt wird.
Die Ankündigungen lassen also nichts zu Wünschen übrig: Johnson und seine
Minister werden auf Cummings’ Befehl bis auf Weiteres das „Today Programme�…
von BBC Radio 4 boykottieren. Das setzt zwar wie beim Deutschlandfunk die
„Politik am Morgen“ gewissermaßen die politische Agenda im (noch)
Vereinigten Königreich. Doch die Tories fühlten sich hier zuletzt ein
bisschen zu sehr auf den Zahn gefühlt, was ihre übertriebenen
Wahlversprechen anging.
Und dann hatte auch noch der BBC-TV-Bluthund Andrew Neil live in seiner
Sendung Boris Johnson angezählt. Nur weil der beim geplanten Tête-à-Tête
mit Neil kniff, nachdem der knallharte Interviewer alle anderen
Spitzenkandidaten und ganz besonders Labours Jeremy Corbyn zerlegt hatte.
Von Corbyns „car-crash interview“ war danach zu lesen – und Labour ist
seitdem auf die BBC ebenfalls stocksauer.
Johnson hatte da schon ganz nebenbei fallen gelassen, dass man ja mal über
die Finanzierung der BBC nachdenken könne. Zwar plane er „im Augenblick
keine Abschaffung aller Rundfunkgebühren, aber wir schauen uns das
sicherlich genau an“, hatte der Premier am 9. Dezember bei einem
Wahlkampf-Auftritt in Nordengland zu Protokoll gegeben. Seine Kultur- und
Medienministerin [2][Nicky Morgan hatte schon im Oktober erklärt], sie sei
für einen Umbau der BBC zu einem über Abo-Gebühren finanziertes Angebot
nach dem Vorbild von Netflix offen.
## Mal kurz geadelt
Nun hatte Nicky Morgan eigentlich vor der Wahl auch gesagt, sie wolle als
Ministerin und Abgeordnete abtreten, um mehr Zeit mit ihrer Familie zu
verbringen. Sie sitzt auch tatsächlich nicht mehr im britischen Unterhaus.
Medienministerin von Johnsons Gnaden bleibt sie trotzdem – vorerst. Man hat
Morgan einfach mal kurz geadelt, und mit dem ihr so zustehenden Sitz im
House of Lords kann sie im Kabinett bleiben. Bloß Reden im Unterhaus oder
Fragen von Abgeordneten beantworten sind nicht mehr drin, weil „Peers“ dort
nicht Reden dürfen.
Da dies so gar keinen Sinn ergibt, wird in London damit gerechnet, dass
Morgan nach dem EU-Austritt beim geplanten Kabinettsumbau Anfang Februar
ausgetauscht wird. Und sicherlich nicht durch eine BBC-freundlichere
Person.
Dazu passt, dass im Parteiprogramm der siegreichen Konservativen kaum
Aussagen zur Medienpolitik und schon gar nicht zur BBC zu finden sind: Wie
in seinem höchst selektiven Umgang mit den Medien im Wahlkampf hält sich
der gelernte Skandaljournalist Johnson hier alle Optionen offen. Zwar ist
die BBC als „Gesamtkunstwerk“ bis 2027 durch ihre „Royal Charter“
gesichert.
## Der Hebel Rundfunkgebühr
Doch auch die ließe sich ändern, und vorher gibt es genügend Mechanismen,
um Druck auf den Sender auszuüben: 2022 entscheidet das Parlament, in dem
Johnsons Tories eine haushohe Mehrheit haben, beispielsweise über die
künftige Höhe der Rundfunkgebühr.
Außerdem lässt Johnson prüfen, ob Gebührenverweigerer künftig sanfter
angefasst werden sollen. Wer bislang die „Licence Fee“ nicht zahlt, begeht
eine Straftat. Sollte dieses Drohpotenzial wegfallen, rechnet die BBC mit
bis zu 200 Millionen Pfund Gebührenausfällen im Jahr.
Dazu kommt, dass sie ab 2020 auch noch die Kosten für die Befreiung aller
Menschen über 75 von der Gebühr übernehmen soll. Diese halbe Milliarde
zahlte bislang der Staat.
Nun war eigentlich die Labour Party stets der verlässlicher Verteidiger der
BBC und ihrer Werte. Doch jetzt ist Andy McDonald, ein Mitglied in Corbyns
Schattenkabinett, die BBC ebenfalls hart angegangen. Sie habe „ihren Anteil
zum [3][Abschneiden der Labour Party bei den Wahlen]“ beigetragen. Das
kenne man bislang eigentlich nur von den rechtsgerichteten britischen
Zeitungen, so McDonald. Nach natürlichen Verbündeten klingt das nicht.
22 Dec 2019
## LINKS
[1] /Wahlen-in-Grossbritannien/!5646763
[2] /Plan-fuer-Abo-Modell-bei-BBC/!5637222
[3] /Nach-der-Niederlage-der-Labour-Partei/!5647515
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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