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# taz.de -- Debatte wegen Grimme-Preis-Nominierung: Kontroversen aushalten
> Der umstrittene Dokumentarfilm „Elternschule“ ist für den Grimme-Preis
> nominiert. Dagegen gibt es Protest. Die Diskussion darum muss man
> aushalten.
Bild: Eine junge Patientin der Kinder- und Jugendklinik in Gelsenkirchen
Eines der größeren Missverständnisse im gesellschaftlichen Betrieb ist das
Verwechseln von Anlass, Ursache und Überbringer*n. Lassen Sie mich
erklären.
Der vom SWR mitproduzierte [1][Dokumentarfilm „Elternschule“] ist für den
Grimme-Preis nominiert. Im Film geht es um eine Kinderklinik im Ruhrgebiet,
in der sehr schwere Fälle behandelt werden: Kinder, die durchgehend
schreien, sich nicht mehr beruhigen lassen, nicht schlafen oder essen
wollen. „Die Zuschauer erleben das Auf und Ab einer radikalen,
ganzheitlichen Behandlung, die nicht nur den Kindern einiges abverlangt –
vor allem sind die Eltern gefordert“, so rezensierte seinerzeit der
Deutschlandfunk den Film.
2018 kam das Werk von Ralf Bücheler und Jörg Adolph dann in die
(Programm-)Kinos. Es folgte: ein Shitstorm. Im gleichen Jahr war
„Elternschule“ für den Deutschen Filmpreis nominiert. Es folgte: ein
Shitstorm. Als im Juli 2019 die Erstausstrahlung in der ARD anstand,
folgte: ein Shitstorm. Seit der Bekanntgabe, dass der Dokumentarfilm für
den diesjährigen [2][Grimme-Preis] nominiert ist, zieht der nächste auf.
Diesmal sogar im beschaulichen Marl. (Disclaimer: Ich bin Vorsitzender des
Grimme-Preis-Fördervereins, habe mit den Entscheidungen über Nominierungen
und Preise aber nichts zu tun).
Bisherige Bilanz: Eine absurde Petition, den Film zu verbieten,
unterschrieben 2018 über 20.000 Menschen. Ein [3][Ermittlungsverfahren]
gegen die im Film gezeigte Klinik wurde nach wenigen Wochen wieder
eingestellt. Aktuell wird hingegen vor allem ein Hashtag-Wettbewerb auf dem
Facebook-Account des Grimme-Preises und auf Instagram ausgetragen. Ob am
Ende #keinpreisfuergewalt häufiger als #keinepreisefuergewalt gepostet
wird?
## Ignoranz gegenüber der Welt
„Vielleicht sind die Zeiten für so einen Film einfach vorbei“, hatte Jörg
Adolph im vergangenen Sommer der Süddeutschen gesagt. Vielleicht gehe das
bei einem so aufgeladenen Thema wie Erziehung einfach nicht mehr, jetzt, in
der Gesellschaft des Zorns.
Doch genau das wäre fatal. Es braucht diese Filme, damit solche Debatten
geführt werden. So schwer sie auch fallen. Existierende Probleme
auszublenden, weil sie nicht sein sollen oder die eigene, ach so schwer
erkämpfte Überzeugung wieder infrage stellen, kommt nicht in die Tüte. So
was einzufordern und auszuhalten, ist mutiges Kino oder Fernsehen. Und
gehört damit zumindest in einen Wettbewerb.
Denn wer in der komplexen Welt einfache Antworten sucht, ist eigentlich
schon gescheitert. „Elternschule“ gibt auch gar keine Antworten. Sondern
zeigt ein vielerorts ignoriertes gesellschaftlichen Problem. Wie übrigens
auch [4][„Systemsprenger“], der gefeierte Film um die verhaltensauffällige
Benni. Wer die harten Methoden, die in der Klinik als „letztes Mittel“
versucht werden, mit praktischen Tipps aus der Apothekenumschau
verwechselt, muss das schon wollen.
29 Jan 2020
## LINKS
[1] /Vorwuerfe-gegen-Gelsenkirchener-Klinik/!5548612
[2] /Das-Fernsehjahr-2019/!5647347
[3] /Ermittlungen-nach-Film-Elternschule/!5547340
[4] /Filmregisseurin-ueber-Systemsprenger/!5624622
## AUTOREN
Steffen Grimberg
## TAGS
Kolumne Flimmern und Rauschen
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