# taz.de -- Müttervertreterin über ARD-Drama: „Der Film schürt Ängste“ | |
> Im ARD-Film „Weil du mir gehörst“ hetzt eine Mutter ihr Kind gegen den | |
> Ex-Mann auf. Der Mütterverband MIA sieht darin eine gefährliche | |
> Botschaft. | |
Bild: Julia Koschitz spielt eine Mutter, die ihr Kind manipuliert. Panikmache, … | |
taz: Frau Möller, am Mittwoch zeigt die ARD das Drama „Weil du mir | |
gehörst“. Warum kommen Mütter darin aus Ihrer Sicht schlecht weg? | |
Sybille Möller: Ich denke, weil in diesem Film eindeutig die Mutter | |
diejenige ist, die dem Kind etwas einredet, und weil der Film gleichzeitig | |
in misogynen Gruppen exzessiv geteilt wird. Die Botschaft ist aber sehr | |
verflacht, die Vielschichtigkeit so eines Konflikts kommt gar nicht heraus. | |
So entsteht eine Welle an Vorurteilen gegen Mütter. | |
Im Film lügt die Mutter ihre Tochter an, der Vater wolle sie nicht sehen. | |
Es wird suggeriert, dass hier das sogenannte Parental Alienation Syndrom | |
(PAS) vorliegt. Gibt es das? | |
[1][PAS ist stark umstritten]. Die relevanten Wissenschaftsverbände lehnen | |
es international als unwissenschaftlich ab. Es gibt Gruppen, die möchten | |
PAS als psychische Erkrankung im ICD-Katalog definiert haben, was es nach | |
bisherigem Stand nicht ist. Gleichzeitig warnen Fachleute davor, weil dies | |
so viele Gefahren birgt. | |
Zum Beispiel? | |
Fremdsein zwischen zwei Menschen kann sich ja auf ganz verschiedene Weise | |
entwickeln. Es kann am nicht betreuenden Elternteil liegen, an | |
Desinteresse. Oder die Bindungsqualität zum Kind ist zu wenig ausgeprägt, | |
weil ein Elternteil zu wenig feinfühlig ist oder zu kontrollierend. Die | |
Mutter kann Gewalt erfahren und Angst haben. Die Forschung belegt eine | |
große Bandbreite an Gründen. Manipulieren ist nur eine Erklärung von | |
vielen. | |
… dafür, dass ein Kind den Papa nicht sehen will. | |
Es kommt auch vor, dass eine Mutter die Trennung nicht verarbeitet hat und | |
das Kind instrumentalisiert. Aber: Wie gewichtet man das in der | |
Öffentlichkeit beim Thema Trennung? Installiert man da jetzt pauschal ein | |
Feindbild? Oder schaut man passgenau bei jeder Familie nach den Ursachen? | |
Die Ursache für die Ablehnung kann auch beim Kind selbst liegen. Es kann | |
den eigenen Konflikt damit vermeiden wollen, eine schlechte Beziehung zum | |
Elternteil haben oder misshandelt worden sein. | |
Spielt PAS bei Gerichten eine Rolle? | |
Nicht direkt, es gibt dafür Synonyme. Jugendämter, Richter und Gutachter | |
sprechen gerne von „Bindungsintoleranz“. Die Mutter soll „Bindungsfürsor… | |
zeigen. Selbst bei Gewalt verlangen manche Verfahrensbeteiligte, dass die | |
Mutter in der Wohnung Bilder vom Vater aufstellt. Teils müssen Mütter | |
Strafe zahlen, weil ihr Kind den wegen Missbrauch verurteilten Vater nicht | |
sehen will. | |
Was für eine Gruppe ist MIA? | |
Ein Zusammenschluss von Selbsthilfegruppen. Wir wollen der Müttersicht mehr | |
Gewicht verschaffen, sie kommt durch jahrzehntelange Lobbyarbeit der | |
Väterverbände kaum vor. | |
Ist der Film Väter-Lobbyarbeit? | |
Zumindest einseitig beraten. Derjenige, der die Drehbucharbeiten beraten | |
hat, arbeitet nachweislich mit der Szene zusammen. Das merkt man auch an | |
der verengten Perspektive des Films, der sich objektiv gibt, aber nur eine | |
einseitige Sicht darstellt. Selbst die strategischen Wordings und | |
vermeintlichen Lösungen dieser Lobby sind bewusst in dem Film platziert | |
worden. | |
Was will die Väter-Lobby? | |
Die Väterverbände möchten bei strittigen Trennungen das Wechselmodell als | |
Regel und preisen es als Pauschallösung gegen das Schreckszenario | |
„Entfremdung“ an. Demnach sollen Kinder im Streitfall immer hälftig bei | |
beiden Eltern wohnen, egal unter welchen Bedingungen. Will eine Mutter das | |
nicht, hätte sie zu beweisen, warum das für das Kind nicht gut wäre. Der | |
Film passt also gut zur populistischen Strategie, weil er Ängste schürt und | |
Feindbilder pusht. | |
Wie sähe Ihr Film aus? | |
Wir erleben, dass Müttern, die sehr bindungsfördernd sind, trotzdem vor | |
Gericht PAS unterstellt wird. Schon wenn sie sagen, „meinem Kind geht es | |
nicht gut“, wird ihnen Bindungsintoleranz zur Last gelegt. Es gibt | |
zunehmend Forschung aus den USA darüber, dass PAS einen Genderbias hat, der | |
Männer bevorzugt und Frauen benachteiligt. | |
Wieso ist PAS so präsent? | |
Es gibt eine starke, international vernetzte Väterrechtsbewegung. Diese hat | |
viele Jahre Vorlauf gegenüber den Müttern. Auf Genderkongressen war das | |
immer Thema: Trennungskinder sollen nicht mehr so viel bei den Müttern | |
wohnen. Da hat sich eine Eigendynamik entwickelt, die schwer zu bremsen | |
ist. Man sucht nach Schablonen und nach Schuldigen. | |
Trifft es Alleinerziehende? | |
Ja. Bei Gericht und im Jugendamt ist das Klima mütterfeindlicher geworden. | |
Jugendämter werden auch von Lobby-Akteuren weitergebildet, die auf die | |
PAS-Ideologie ausgerichtet sind. | |
12 Feb 2020 | |
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## AUTOREN | |
Kaija Kutter | |
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