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# taz.de -- Eizellspende und Leihmutterschaft: Reproduktive Gerechtigkeit
> Eizellspende und Leihmutterschaft sind mit Risiken verbunden. Ein
> Netzwerk von Wissenschaftlerinnen fordert ein EU-weites Verbot.
Bild: Eizellen werden für die Befruchtung und Übertragung in die Gebärmutter…
Berlin taz | Das Geschäft mit Leihmüttern boomt. In den USA, Griechenland,
Polen oder der Ukraine werden immer mehr private Reproduktionskliniken
gegründet. Unter anderem ist in diesen Ländern die Leihmutterschaft
erlaubt. Das heißt, eine fremde Frau trägt für ein Paar mit Kinderwunsch
den Nachwuchs aus. Zulauf bekommen die Kliniken auch aus Deutschland. Denn
hierzulande sind die Leihmutterschaft sowie die Übertragung von fremden
„gespendeten“ Eizellen nicht erlaubt. Dass das auch so bleibt, dafür setzt
sich ein [1][feministisches Netzwerk von Frauen] ein, die sich seit Jahren
schon als Wissenschaftlerinnen oder Aktivistinnen mit den neuen
Reproduktionstechniken beschäftigen.
„Eizellspende und Leihmutterschaft beruhen auf sozialer Ungleichheit und
Ausbeutung anderer Frauen und finden unter kommerziellen Verhältnissen
statt“, heißt es in der von ihnen verfassten [2][Stellungnahme „Für
reproduktive Gerechtigkeit“,] die Mitte Januar in einer vom Gen-ethischen
Netzwerk (GeN) und BioSkop organisierten Veranstaltung in Berlin
vorgestellt wurde.
Anlass für die Stellungnahme war, so die Politikwissenschaftlerin Sabine
Könninger von der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV),
die [3][Forderung der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina],
die Eizellspende zuzulassen. Zudem setzt sich die Leopoldina dafür ein, die
rechtliche Situation der Eltern zu erleichtern, die ein von einer
Leihmutter im Ausland geborenes Kind in Deutschland als ihr eigenes
eintragen lassen wollen. Auch die FDP forderte wiederholt eine
Liberalisierung der Reproduktionsmedizin.
Vor kurzem erst sprach sich die FDP-Bundestagsabgeordnete Katrin
Helling-Plahr für die Legalisierung der nichtkommerziellen Leihmutterschaft
aus. „Wir sollten die Leihmutterschaft ähnlich ausgestalten wie eine
Lebendspende von Organen“, sagte sie der Berliner Zeitung. Danach wäre eine
Leihmutter zulässig, wenn sie den Wunscheltern nahesteht. Eine Bezahlung
soll nicht erfolgen, nur eine Aufwandsentschädigung soll es geben.
Die Praxis in Ländern, in denen die neuen Reproduktionstechniken zulässig
sind, zeigt jedoch, dass die sogenannte altruistische Leihmutterschaft oder
Eizellspende nur seltene Ausnahmen sind. In den allermeisten Fällen geht es
um Geld. In Spanien zahlen die Kliniken pro Eizellspende rund 1.000 Euro,
berichtete in Berlin die Soziologin [4][Sara Lafuentes Funes,] die zum
Thema Eizelltransfer in Spanien forscht und derzeit an der
Goethe-Universität Frankfurt am Main arbeitet. Dieser Betrag sei weit mehr
als der Mindestlohn in Spanien, er übersteigt auch das durchschnittliche
Monatseinkommen (900 Euro) von Frauen unter 26 Jahren.
## Es geht um Geld
Die Reproduktionskliniken werben mit dem Bild, dass junge Frauen mit ihren
Eizellen den älteren helfen, ein Kind zu bekommen. Letztendlich gehe es
jedoch nur um Geld, so Sara Lafuentes Funes. Sechsmal dürften Frauen
Eizellen spenden. Da das Gesetz in Spanien nur zum Teil umgesetzt wurde,
eine Kontrolle somit nicht stattfindet, würden viele Frauen von Klinik zu
Klinik gehen und weitaus mehr Eizellen abgeben.
Die Gewinnung von Eizellen ist mit Gesundheitsrisiken verbunden. Da die
Reproduktionsmediziner möglichst viele Eizellen entnehmen wollen, müssen
sich die Frauen einer körperlich belastenden Hormonstimulation unterziehen.
Die Entnahme der Eizelle findet dann unter Narkose statt.
In Spanien gibt es mittlerweile rund 300 Reproduktionskliniken, berichtete
Sara Lafuentes Funes. Die meisten sind an der Küste, dort, wo auch die
Touristenzentren sind. Zwar sind es vorwiegend Einheimische, die deren
Dienste in Anspruch nehmen. Doch viele Kliniken werben auch gezielt um
Kunden im Ausland. Internetseiten auf Deutsch sind fast schon Standard.
Auch auf [5][„Wunschkindmessen“ in Deutschland] sind spanische Kliniken
vertreten. Sie locken unter anderem damit, dass alles anonym abläuft, es
ist in Spanien sogar vom Gesetzgeber so vorgegeben. Auch in Tschechien und
Polen wird Eizellspenderinnen Anonymität zugesichert. Dies widerspricht dem
hierzulande und in vielen europäischen Staaten geltenden Recht des Kindes
auf Kenntnis seiner biologische Herkunft, schreiben die Netzwerk-Frauen in
ihrer Stellungnahme.
## „Das ist meine Arbeit“
Über die Situation in Russland berichtete in Berlin die Kultur- und
Sozialanthropologin [6][Christina Weis von der De Montfort University in
Leicester in Großbritannien.] Sie forscht über kommerzielle
Leihmutterschaft in Russland und hat dort zahlreiche Interviews geführt. In
Russland kämen zunehmend die Kunden auch aus dem Ausland. Vor allem nachdem
die Leihmutterschaft in einigen asiatischen Ländern viel strenger geregelt
wurde, weichen Wunscheltern vermehrt nach Russland aus. Auffällig ist, so
Christina Weis, dass in Russland nicht mit altruistischen Motivationen
geworben wird. Leihmütter sprechen ganz klar davon: „Diese Schwangerschaft,
das ist meine Arbeit.“ Und je mehr Schwangerschaften sie schon hatten, umso
höher fällt die Bezahlung aus.
Für das feministische Frauennetzwerk bildet das „Wohlstandsgefälle“
zwischen Ländern und Regionen, aber auch innerhalb der Gesellschaften die
Basis für kommerzielle Eizellspenden und Leihmutterschaft. Würden diese
Techniken auch in Deutschland zugelassen, wären auch hier „soziale
Unterschiede und das ökonomische Gefälle“ die Grundlage für Eizellabgaben
und Leihmutterschaft.
Beide Techniken sind mit Gesundheitsrisiken verbunden. Leihmütter und
Eizellspenderinnen würden somit Gesundheit und Wohlbefinden gegen Geld
einsetzen. „Reproduktionsfreiheit“ beinhaltet aber nicht „das Recht von
Menschen mit Kinderwunsch, auf den Körper von Dritten zuzugreifen“, heißt
es als Schlussfolgerung dazu in dem Papier der Netzwerk-Frauen. Gefordert
wird daher, dass das im Embryonenschutzgesetz formulierte Verbot von
Eizellspenden und Leihmutterschaft bestehen bleiben muss. Das Verbot müsse
auch in das EU-Recht mit aufgenommen werden.
Widerspruch kam in Berlin aus den Reihen der Zuhörer*innen. Eine
Teilnehmer*in kritisierte, dass in dem Positionspapier
gleichgeschlechtliche Paare sowie Transsexuelle, die unfruchtbar sind,
überhaupt nicht berücksichtigt worden sind. „Das ist doch oftmals der
einzige Weg, eigene Kinder zu bekommen“.
Erika Feyerabend von [7][BioSkop] betonte, dass die Netzwerk-Frauen die
„vielfältigen Formen des Zusammenlebens“ keineswegs infrage stellen. Hier
gehe es aber um den Schutz von Frauen vor Ausbeutung.
29 Jan 2020
## LINKS
[1] https://www.gen-ethisches-netzwerk.de/dezember-2019/wunschkinder-durch-glob…
[2] http://www.bioskop-forum.de/media/stellungnahme_reproduktive_gerechtigkeit_…
[3] https://www.leopoldina.org/publikationen/detailansicht/publication/fortpfla…
[4] https://www.goethe-university-frankfurt.de/83795504/Dr__Sara_Lafuente_Funes
[5] /Erste-deutsche-Kinderwunschmesse/!5382457
[6] https://www.dmu.ac.uk/about-dmu/academic-staff/health-and-life-sciences/chr…
[7] http://www.bioskop-forum.de/
## AUTOREN
Wolfgang Löhr
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