# taz.de -- Leihmutterschaft in Spanien: „Als wäre das Kind ein Luxusartikel… | |
> Durfte die spanische Moderatorin Ana Obregón Oma, und rechtlich auch | |
> Mutter, mit einer Leihmutter werden? Die Meinungen gehen seit Tagen | |
> auseinander. | |
Bild: Mutter oder Oma? Oder beides? Moderatorin Ana Obregón Oma | |
MADRID taz | In einer Metzgerei in der Altstadt von Madrid sind sich Paco | |
und Belén alles andere als einig. Seit Tagen diskutieren sie über | |
Leihmütter. Nicht etwa, dass der Beamte und die Angestellte im | |
Großunternehmen kurz vor der Rente in Erwägung ziehen, eine andere Frau ein | |
Kind für sie austragen zulassen. | |
Es geht um einen Fernsehstar, der dies getan hat: Ana Obregón, 68, | |
Moderatorin, Sängerin und Schauspielerin, die immer wieder das Neue Jahr im | |
öffentlichen Fernsehen einläutet, hat eine Leihmutter im US-amerikanischen | |
Miami unter Vertrag genommen. Die kleine Anita kam vor drei Wochen zur Welt | |
und entzweit schon ganz Spanien. „Das ist einfach ungeheuerlich. | |
Leihmutterschaft ist in Spanien schließlich verboten“, sagt Paco. „Olé! S… | |
kann das, sie macht das. Zu Recht“, so Belén. | |
Nicht nur, dass Obregón das heimische Gesetz umgangen hat, sie vermarktet | |
ihr Mädchen Anita auf dem Titelblatt des [1][Klatsch- und Tratschblattes | |
¡Hola!]. Zuerst mit Fotos, wie sie das Baby in Miami (USA) in Empfang nahm. | |
Eine Woche später verkündete sie eine Nachricht, die das Ganze noch | |
pikanter machte. Das Sperma, das zum Einsatz kam, war das des mit 27 Jahren | |
an Krebs verstorbenen Sohnes von Obregón, Aless. Die Fernsehdiva ist damit | |
biologisch die Großmutter und rechtlich die Mutter des Kindes, das sie in | |
den USA für rund 200.000 Dollar in Auftrag gegeben hat. „Es war der letzte | |
Wunsch von Aless, ein Kind von sich auf die Welt zu bringen. Diesen Wunsch | |
zu erfüllen, hat mich am Leben gehalten“, verteidigt die Moderatorin ihre | |
Entscheidung. | |
„Ihr Sohn wollte eine kinderreiche Familie“, hat Belén aus den unzähligen | |
Fernsehdebatten gelernt. Seine Ex wollte jedoch keine Kinder. „Verrückt. | |
Obegón hat angekündigt, dass sie eventuell weitere Kinder mit dem Sperma | |
ihres Sohnes in Auftrag geben wird“, beweist Paco, dass er den Fall auch | |
verfolgt. | |
## Spanische „Truman-Show“ | |
Andere Kund*innen in der Madrider Metzgerei verfolgen das Thema | |
aufmerksam. „Sie hat sich ein Kind gekauft, als wäre es ein Luxusartikel“, | |
sagt Rentnerin Carmen. „Wenn sie nicht alleine sein möchte, hätte sie ja | |
adoptieren können“, fügt sie hinzu. „Und das Ganze zahlt sich für sie au… | |
noch aus, indem sie Exklusivstorys an die Presse verkauft.“ Auch die Trauer | |
um ihren verstorbenen Sohn hatte Obregón monatelang auf den Titelblättern | |
von ¡Hola! zur Schau gestellt. [2][Als eine Art „Truman-Show“, beschreibt | |
die Tageszeitung El País] das Verhalten Obregóns. Die kleine Anita | |
„verliert ihre Privatsphäre, um an der Obregón-Show teilzunehmen“, heißt… | |
im Artikel. | |
„Sie soll doch machen, was sie will. So als hätte ihr Sohn ihr eine Enkelin | |
hinterlassen“, sagt Fleischer Pedro während er ein Stück filetiert. Sein | |
Armband mit den spanischen Nationalfarben zeigt, dass er wohl nicht zur | |
Wählerschaft der regierenden Linkskoalition gehört. | |
Auch aus der Politik kommt Kritik am Vorgehen der Fernsehgröße. Am | |
Härtesten ging [3][Gleichstellungsministerin Irene Montero] von der | |
linksalternativen Unidas Podemos mit Obregón ins Gericht. „Leihmutterschaft | |
ist Gewalt gegen Frauen.“ Leihmutterschaft habe mit „Armut und | |
Diskriminierung“ zu tun. | |
„Immerhin wird es der Kleinen an nichts fehlen“, meint Pepa, Verkäuferin im | |
benachbarten Supermarkt. Sie weiß, wie schwer es ist, mit zwei Kindern als | |
Normalverdiener in Madrid über die Runden zu kommen. „Und dass sie schon so | |
alt ist als Mutter? Die Kleine Anita wird doch eh mit einem Kindermädchen | |
aufwachsen“, glaubt Pepa. „Viele Leute würden es tun, wenn sie das Geld | |
hätten.“ | |
„Diese,Señora' macht etwas, was hier illegal ist, und lässt es legal | |
erscheinen“, sagt ein anderer Supermarktkunde, Enrique, der in der | |
Gewerkschaftszentrale arbeitet. Er selbst lehnt Leihmutterschaft ab, „aus | |
moralischen, nicht aus religiösen Gründen“. „Nun diskutiert ein ganzes La… | |
über Leihmutterschaft, etwas, was längst geklärt ist. Ich ignoriere sie | |
einfach“, fügt er hinzu. Leicht wird dies nicht werden. Denn die | |
Klatschpresse wird Obregóns Mutterglück wohl weiterhin ausführlichst | |
begleiten. | |
14 Apr 2023 | |
## LINKS | |
[1] https://www.hola.com/actualidad/20230406344391/ana-obregon-futuro-bebe-ana-… | |
[2] https://elpais.com/opinion/2023-04-05/el-show-de-ana-truman.html | |
[3] /Gesetz-gegen-Gewalt-gegen-Frauen/!5727410 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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