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# taz.de -- Bauer Verlag im Nationalsozialismus: Image und Umsatz
> Der Bauer Verlag will seine Geschichte zwischen 1933 und 1945
> durchleuchten lassen. Der Anstoß zur Aufklärung kommt mal wieder von
> außen.
Bild: Alfred Bauer, Verleger und Inhaber des Bauer-Verlages (1898 – 1984)
Die deutschen Großverlage Bertelsmann, Burda und DuMont haben ihre
Geschichte im Nationalsozialismus bereits vor Längerem aufarbeiten lassen.
Das geschah allerdings nie aus eigenem Antrieb, sondern stets weil
Enthüllungen und Imageschäden größeren Ausmaßes drohten und weil es
irgendwie eben nicht mehr anders ging. Selbst die Aufarbeitung in die Hand
zu nehmen schien dann als das geringere Übel.
Ziemlich kurios kam es zur Selbsterforschung des Bertelsmann-Konzerns.
Dessen Chef Thomas Middelhoff verbreitete 1998 die mehr als kühne These,
Bertelsmann sei nach 1933 ein Hort des Widerstands gewesen. Die von
Bertelsmann unter Druck initiierte historische Forschung brachte
erstaunlicherweise anderes zutage. Der Bertelsmann-Chef hatte Kontakte zur
SS. Der Verlag verdiente sich 1940 mit dem nicht direkt antifaschistischen
Beststeller „Mit Bomben und MGs über Polen“ eine goldene Nase.
Nun steht der Bauer Media Group (Umsatz 2,2 Milliarden Euro) [1][das
Gleiche ins Haus]. Bekannt ist: Alfred Bauer, seit 1935 Mitinhaber des
Verlags, kaufte in den 1930er Jahren mindestens zwei Immobilien von
jüdischen Eigentümern, offenbar zu Dumpingpreisen. Nach 1945 einigte sich
Bauer mit den Ex-Besitzern auf einen Vergleich.
Ähnlich war es bei den Gebrüdern Burda. Die hatten sich 1933 gerühmt, ein
sogenannter „judenfreier“ Betrieb zu sein, und 1938 günstig eine
Großdruckerei von jüdischen Deutschen gekauft. Nach 1945 einigte man sich
auf einen Vergleich.
## Wiederaufbau mit Zwangsarbeit
Dass Firmen in Deutschland vom NS-Regime profitierten, war nicht die
Ausnahme, sondern die Regel. Manche steigerten ihren Gewinn, weil jüdische
Konkurrenz wegfiel. Manche beteiligten sich an Arisierungen, die oft
erpresserische Manöver an der Grenze zum Raub waren.
1944 gab es kein größeres deutsches Unternehmen ohne Zwangsarbeiter. Acht
Millionen Verschleppte hielten die Industrieanlagen in Schuss. Ohne sie
wäre der rasche Wiederaufstieg der deutschen Industrie, deren Anlagen 1945
weitgehend intakt waren, unmöglich gewesen. Dieser Wiederaufstieg ist als
Wirtschaftswunder im kollektiven Gedächtnis abgespeichert, für die
Zwangsarbeit ist darin kein Platz.
[2][Das ist Allgemeinwisssen.] Umso verblüffender wirkt die hartnäckige
Schwerhörigkeit von Konzernen wie Bauer. Offenbar fürchten gerade
international agierende Konzerne, dass amtlich beglaubigte NS-Nähe doch ein
Risiko fürs Geschäft sein könnte. Konkret zum Thema hat Bauer nur
beizusteuern, dass man leider „über keinerlei Firmenunterlagen aus der Zeit
des Nationalsozialismus mehr verfügt“.
Die Bauer Media Group geht nun, ausgelöst durch Recherchen von Spiegel und
„Zapp“, den gleichen Weg wie Bertelsmann und Burda zuvor. Historiker sollen
erkunden, was nach 1933 so im Hause Bauer los war. Das ist vernünftig, weil
nur so solide zu Tage gefördert werden kann wie es denn eigentlich gewesen
ist.
## Kein Moral-Benefit
Es ist 75 Jahre nach Kriegsende für Konzerne allerdings auch weniger
schmerzhaft, die eigene Geschichte dokumentieren zu lassen, als immer
wieder stammelnd Recherchen investigativer Journalisten kommentieren zu
müssen. Letzteres wirkt im besten Falle ahnungslos, im schlechteren
erscheint man wie ein spät entdeckter Täter, der Schlimmes zu verheimlichen
hat.
VW beauftragte schon vor mehr als 35 Jahren den Historiker Hans Mommsen
damit, die Geschichte der Zwangsarbeiter im Werk zu untersuchen. Historiker
zu engagieren verspricht ja sogar einen gewissen Imagegewinn: Aufklärung
auch noch selbst zu bezahlen wirkt nobel und ehrlich.
Dem Bauer-Konzern ist die Einsicht, dass Historiker aus der Bredouille
helfen können, wohl zu spät gekommen, um noch auf Moral-Benefit spekulieren
zu können.
15 Jan 2020
## LINKS
[1] /Der-Landser-wird-eingestellt/!5059146
[2] /Ueberfaelliger-Denkmalssturz/!5624636
## AUTOREN
Stefan Reinecke
## TAGS
Vergangenheitsbewältigung
"Arisierung"
Verlagswesen
Kolumne Flimmern und Rauschen
Kunst
DuMont Mediengruppe
Zeitung
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