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# taz.de -- Neues zum Flick-Konzern im 3. Reich: Mörderische Ökonomie
> Friedrich Flick war nicht nicht nur passiver Nutznießer der Nazi-Diktatur
> - Er trieb die "Arisierung" voran und stieg ins Rüstungsgeschäft ein. So
> eine neue Untersuchung.
Bild: Friedrich Flick (mitte) wartet auf das urteil des Kriegsverbrecher-Tribun…
Die Schüler des Friedrich-Flick-Gymnasiums im nordrhein-westfälischen
Kreuztal haben in ihrem Kampf für die Umbenennung ihrer Schule seit kurzem
eine Institution an ihrer Seite, deren Argumente vernachlässigbar zu nennen
selbst den hartleibigsten kommunalen Verteidigern des Schulstifters
schwerfallen dürfte: die Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Nein, die Stiftung hat sich nicht mit den Schülern solidarisiert. Sie steht
nur mit ihren Namen für eine Untersuchung über das Verhalten des
westfälischen Großindustriellen während des Dritten Reichs ein, die den
Schülern schlicht recht gibt: Flick ist kein Vorbild. Genau so aber,
[1][www.flick-ist-kein-vorbild.de], heißt die Website der Schüler. Wer sie
besucht, kann sich dort einer Petition an den Bürgermeister von Kreuztal,
sich für die Umbenennung der Schule einzusetzen, anschließen.
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hätte um die Auseinandersetzung mit
diesem Mann und seinem Erbe sicher genauso gerne einen weiten, aus allerlei
Beschwichtigungen gestrickten Bogen gemacht wie der Kreuztaler Stadtrat.
Doch weil sich die Debatte um den von ihr geschlossenen Vertrag zwischen
den Staatlichen Museen zu Berlin und dem Kunstsammler Friedrich Christian
Flick, einem Neffen von Friedrich Flick, nicht beruhigen wollte, lernten
die Verantwortlichen dazu. Anders als von Sammler und Institution
angenommen, drohte der Deal den Namen der Stiftung und der Verantwortlichen
nachhaltig zu beschädigen. Insbesondere seine allzu geschickt orchestrierte
Durchführung, mit der eine Diskussion über die Figur des
Familienpatriarchen sowie zur Weigerung F. C. Flicks, in den
Zwangsarbeiterfonds der deutschen Wirtschaft einzuzahlen, vermieden werden
sollte, erregte öffentliches Ärgernis. Wenn alles Schmähen der Kritiker als
kleinbürgerliche Neider nicht verfing, warum nicht eine seriöse
wissenschaftliche Aufarbeitung des Falls Friedrich Flick vorantreiben?
Selbst Friedrich Christian Flick konnte dieser Idee von Klaus-Dieter
Lehmann, als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz in der
Verantwortung, etwas abgewinnen und stellte 500.000 Euro für die
Untersuchung des Instituts für Zeitgeschichte in München und Berlin bereit.
Der nun vier Jahre nach Ankündigung beim Münchner Oldenbourg Verlag
erschienene, 1.000 Seiten starke Forschungsband "Der Flick-Konzern im
Dritten Reich" lässt keine Unklarheiten darüber offen, wie Friedrich Flick
sich nicht nur der Gelegenheiten zu bedienen suchte, die ihm das
nationalsozialistische Regime für die Expansion seines Konzerns bot.
Unzweideutig ist hier nachzulesen, wie er diese Gelegenheiten als ihr
Vordenker mitgestaltete. Etwa als er im Juli 1938 seinen Rechtsanwalt Hugo
Dietrich einen Gesetzentwurf zur Arisierung jüdischen Vermögens
ausformulieren ließ, der die bisherige Handhabung verschärfte und dem die
Nazis mit der am 3. Dezember 1938 erlassenen Verordnung über den Einsatz
jüdischen Vermögens entsprachen.
Entschieden weisen also die Autoren Johannes Bähr, Axel Drecoll, Bernhard
Gotto sowie Kim C. Priemel und Harald Wixforth den gerne gepflegten
Eindruck zurück, Flick habe zu allen Zeiten und in allen Systemen
gleichermaßen raffiniert und rücksichtslos agiert, ob in der Weimarer
Republik, dem Dritten Reich oder nach dem Krieg in der alten
Bundesrepublik. Die durch Wettbewerb und Rechtstaatlichkeit noch gebändigte
Skrupellosigkeit, die Friedrich Flick bei seinen unternehmerischen
Schachzügen in der Weimarer Republik zeigt, wird im Dritten Reich zur
vollkommenen Ruchlosigkeit. Die sogenannte "Gelsenberg-Affäre", Flicks
Coup, der Regierung Brüning 1932 ein Aktienpaket zum Nennwert von 99
Millionen Reichsmark anzudrehen, obwohl sein Börsenwert nur 24 Millionen
betrug, ist juristisch wie ethisch völlig anders zu bewerten als seine
aktive Rolle bei den ganz großen Arisierungsfällen des Dritten Reichs, 1938
beim Hochofenwerk Lübeck, 1938/39 beim Julius-Petschek-Konzern und beim
Ignaz-Petschek-Konzern. Das bis zu 80-prozentige Wachstum seines Konzerns
im Dritten Reich, der damit sämtliche seiner Konkurrenten bei weitem
übertraf, verdankte sich nicht unternehmerischem Geschick, sondern der
staatlichen Aushebelung des Wettbewerbs. Ohne selbst eine rassistische oder
antisemitische Einstellung zu pflegen und im Einzelfall entgegen den
eigenen ökonomischen Interessen, waren ideologisches und politisches
Einvernehmen mit den Nazis und ihrem Programm unabdingbare
Grundvoraussetzung von Flicks Erfolg. Er schlug sich in einer wesentlich
radikaleren Umstellung auf die Rüstungsproduktion nieder als in
vergleichbaren Fällen, und einem ebenfalls wesentlich höheren Bedarf an
Zwangsarbeitern, der in einzelnen Betrieben bis zu 85 Prozent betrug.
Entgegen aller späteren Legenden wurden sie in den Werken von Flick
zweifellos unter unmenschlichen Bedingungen ausgebeutet.
Die weitgehend bekannten Geschichten, Winkelzüge und kriminellen
Verabredungen, die sich hinter diesen Fakten verbergen, leuchtet der
vorliegende Band noch einmal detailreich aus. Allerdings bedient sich die
Forschergruppe dabei eines thematischen statt einen strikt chronologischen
- und damit konzentrierteren - Zugriffs. Neben der Untersuchung der
besonderen Kommunikationsstruktur im Flick-Konzern und der damit
verbundenen besonderen Stellung und Verantwortung von Friedrich Flick, ist
das Kapitel zur Nachkriegszeit besonders aufschlussreich. Statt einer
Endabrechnung mit den Akteuren des Dritten Reichs entpuppte sich der
Nürnberger Nachfolgeprozess, der dem ersten Verfahren folgte,
paradoxerweise als Auftakt einer erfolgreichen geschichtspolitischen
Revision. Damit gelang es dem als Kriegsverbrecher verurteilten Firmenchef,
sein Imperium erneut aufbauen. Selbstredend nicht nur unbehelligt vom
handelnden Personal der Bundesrepublik, sondern vielmehr dank seiner
vielfältigen aktiven Unterstützung. Man hatte sich auf die von Flick
angebotene Version verständigt, nicht aufgrund persönlicher Verfehlungen
sei er vor Gericht gestellt worden, sondern als Symbol für die gesamte
deutsche Montanindustrie. Die Teilung Deutschlands, die Flick drei Viertel
seines industriellen Besitzes kostete, erwies sich in der Zuspitzung des
Kalten Kriegs als Glücksfall. Die Enteignung und Demontage seiner Werke in
der sowjetisch besetzten Zone diente Flick und seiner Konzernspitze ganz
hervorragend, sich als Geschädigte einer "Verschiebung der Diktatur von
rechts nach links" zu stilisieren. Dank des Verlustes konnte er den Vorwurf
zu großer ökonomischer Macht zurückweisen und den Restkonzern der
Entflechtung entziehen. Flick kommunizierte erfolgreich, dass er nach den
Nazis und Sowjets auch Opfer staatlichen Drucks von Seiten der Alliierten
mit ihren Entflechtungsanstrengungen der deutschen Schwerindustrie geworden
sei.
Zum Zeitpunkt, als nach den für Flick glimpflich verlaufenen
Rückgabeverhandlungen über den ehemals jüdischen Firmenbesitz in seiner
Hand schließlich die Frage der Zwangsarbeiterentschädigung aufkam, war sein
Zurückweisen jeglicher persönlicher Schuld schon weithin akzeptiert. Dubios
waren nicht er und seine Bevollmächtigten mit ihrer Behauptung, in den
Flick-Werken seien die Zwangsarbeiter wesentlich besser behandelt worden
als anderswo. Dubios waren Zwangsarbeiter, die mit ihren Zeugenaussagen
dieser Aussage widersprachen und die in der Situation des Kalten Kriegs
sofort einer linken oder kommunistischen Gesinnung verdächtigt wurden.
Recht besehen war Friedrich Flicks Position nach dem Krieg besser als je
zuvor. Wirtschaft, Politik und Gesellschaft standen im Schulterschluss mit
ihm. Ein solches Einvernehmen war im politisch und sozial polarisierten
Klima der Weimarer Republik undenkbar gewesen.
Erst recht erachtete es die politisch herrschenden Klasse im Dritten Reich
für unnötig, die Wirtschaftselite zu hofieren, und erwartete stattdessen
deren Kotau. Friedrich Flick kam diesem Kotau nach, indem er ihm vielfach
zuvorkam und als Wettbewerbsvorteil instrumentalisierte. Dabei war er sich
seiner oftmals kriminellen Vorgehensweise durchaus bewusst. Warum sonst
hätte er bei der Übernahme des Petschek-Konzerns 1938 den privaten
Kaufvertrag vorausschauend als offiziösen maskiert? Ein Schachzug, auf den
er nach dem Krieg seine Behauptung stützte, er habe auf Druck des Regimes
gehandelt und sei also nicht Arisierer, sondern Naziopfer.
Nach dem Fall der Mauer und der Öffnung Osteuropas allerdings, als das
Thema der Zwangsarbeiterentschädigung erneut im Raum stand, sah man in
Deutschland die Forderungen als berechtigt an. Anders als die Schweizer,
die in der Frage des Raubgoldes glaubten, sich vor ihre Banken stellen zu
müssen, blieb der nationale Schulterschluss gegen die amerikanischen
Anwälte und ihre Sammelklagen aus. Vielmehr sahen sich Industrie- und
Familienunternehmen wie auch die Kirchen und andere Institutionen
angemahnt, ihrer Verantwortung nachzukommen. Diese gesellschaftliche
Forderung nach Transparenz und historischer Aufarbeitung hat in der
Flick-Studie der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nun tatsächlich ihr
Symbol gefunden.
Die Schüler der Friedrich-Flick-Gymnasiums aber hatten eigentlich schon
seit 2001 einen gewichtigen Verbündeten - auch wenn er sich nicht so
gebärdete. Friedrich Christian Flick gründete damals die mit einem
Grundvermögen von zehn Millionen D-Mark ausgestattete "F. C. Flick Stiftung
gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz" in Potsdam. Sie hat
seither viele richtungweisende Projekte in der brandenburgischen Schüler-
und Jugendarbeit gefördert, wobei sich deren Erfolg stark der Mitarbeit von
Zeugen rassistischer Gewalt verdankt, Opfern die nicht anklagen, sondern
aufklären, und Menschen, die Zivilcourage bewiesen. Denn nichts stiftet
mehr zu richtigem Handeln an als die Begegnung mit Vorbildern. Gleiches
gilt für die Schule, die zu Demokratieverständnis, Toleranz und Freimut
erziehen will. F. C. Flick müsste nachgerade der Erste sein, der darauf
besteht, dass dem nicht gleich schon der Name der Schule widersprechen
sollte.
Johannes Bähr, Axel Drecoll, Bernhard Gotto sowie Kim Christian Priemel und
Harald Wixforth: "Der Flick-Konzern im Dritten Reich". Hrsg. durch das
Institut für Zeitgeschichte München-Berlin im Auftrag der Stiftung
preußischer Kulturbesitz. Oldenbourg Verlag, München 2008, 1.018 Seiten, 60
Abb., 20 Graf., Leinen, 64,80 Euro
30 Jul 2008
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## AUTOREN
Brigitte Werneburg
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